Für Sie degustiert: Südtirol
«Greis werden, um die nötige Erfahrung zu haben»

Tradition wird im Südtirol grossgeschrieben. So kann denn ein Weingut hier durchaus «Erbhof» und der Chef «Josephus» heissen – und direkt an der Autobahn liegen. Was die Weine von Mayr nicht daran hindert, grosse Klasse zu sein.
Publiziert: 12.02.2018 um 11:48 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 23:30 Uhr
Winzer ans Telefon! Heutzutage haben auch Südtiroler Weinkeller 4G...
Foto: Alain Kunz
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Alain KunzWein-Kolumnist

Okay, direkt von der Brennerautobahn in Bozen zweigt das Strässchen zum Erbhof Unterganzner dann doch nicht ab. Aber von der parallelen Staatstrasse. 80 km/h – und plötzlich gehts links weg… Verpasst man schnell mal.

Links oben sieht man den Startabschnitt der Brenner-Autobahn, direkt über dem Unterganznerhof.
Foto: Alain Kunz

Der Chef lacht. «Tja, heute sind wir hier mitten in den Schnellstrassen. Aber: Wir waren lange vorher da», sagt Josephus Mayr. Genau genommen: 1568! Und seit 1629 ist der Hof lückenlos von Generation auf Generation übergegangen. Ein wahrhafter Erbhof also.

Auch der Krieg, in welchem der Unterganznerhof bombardiert wurde, weil die Alliierten eine strategisch bedeutsame Bahndurchgangslinie vermuteten, konnte ihn nicht von der Weltkarte auslöschen.

Der Unterganznerhof im Jahr 1900.
Foto: ZVG

Alles längst vorbei. Heute lacht dem Mayr Josephus, diesem Energiebündel und Original, die Sonne. Weil er aussergewöhnlich gute Weine macht. Was die Südtiroler honorieren. «Wir schaffen es nie, das gesamte Sortiment von 15 Weinen zusammen aufs Regal zu bringen», sagt Mayr. «Einzelne Weine sind immer vorher ausverkauft. Das ist natürlich ein schönes Gefühl!» So nimmt Mayer aktuell Vorbestellungen für den Top-Lagrein Lamarein und die Assemblage Reif für 2019 resp. 2020 entgegen…

Das Regal mit den 15 Weinen von Josephus Mayr, das nie voll wird.
Foto: Alain Kunz

Mayr ist jung ins Winzer-Business eingestiegen. Mit 19 konnte er voll vinifizieren. «Zwei Jahre später habe ich die Verantwortung für den Betrieb übernommen. Unter kritischer Beäugung meines Vaters, selbstredend. Mayr zählte zu den Barrique-Pionieren im Südtirol. 1987 benutzte er die kleinen französischen Eichenholzfässchen erstmals.

Mayr erklärt seine Weine und vor allem seine Lieblingstraube: Lagrein!
Foto: Alain Kunz

Doch der Winzer ist in erster Linie auf Natürlichkeit bedacht. «Seit 32 Jahren verzichte ich auf Kunstdünger du Herbizide. Und den St. Magdalener vinifiziere ich komplett schwefelfrei. Das geht bei einem jung zu trinkenden Wein absolut problemlos.» Ohnehin müsse man im Keller eine gewisse Gelassenheit an den Tag legen, so Mayer. «Gelassen sein, ja. Aber nichts verschlafen!» Den Hof will er demnächst an seinen Sohn abtreten, damit dieser auch so jung beginnen kann wie er. «Auch er soll seine Erfahrungen früh machen, wie ich. Man muss ein Greis werden, um die nötige Erfahrung in diesem Business zu haben. Diese Chance soll mein Sohn auch haben. Schliesslich kriegen wir genau eine Chance pro Jahr, es richtig zu machen. Nicht wie ein Koch. Der hat zwei am Tag!»

Sensationell, was teils in den Mayrschen Barriques schlummert.
Foto: Alain Kunz

So also schicke ich mich an, die Weine zu verkosten. Zuerst aus den Fässern. Und was da teils drinnen schlummert, ist gewaltig! Nur schon der Saft für den 16er St. Magdalena Classico. Wunderbar. 16,5 Punkte. Doch das ist erst der Einstieg!

Winzer müssen öfters hoch hinaus.
Foto: Alain Kunz

Das erste Erntelos für den Lagrein Riserva 2016 ist faszinierend dicht, vereint Power und Eleganz eindrücklich. 17,5/20. Der Stoff für den 15er ist sogar noch eine Spur besser. Ein Traum von Lagrein. Für die Traube fast perfekt. 18/20. Die Fassproben des Reif, eines klassischen Bordeaux-Blends, ergeben folgendes Bild: 2015: 17,5. 2016: 16,5. Ganz erstaunlich ist indes der offen vinifizierte Lagrein 2016. Da verzichtet Mayr auf Kunsthefe, auf Filtration, verwendet ausschliesslich Bozner Holz, schwefelt nur minimal, es wird von Hand abgebeert, die Gärung erfolgt offen. Prämisse: Alles muss ortsgebunden sein. So wie es die britische Künstlerin Emma Smith wollte, mit der dieses Projekt namens Terratorium realisiert wird. Im Herbst sollen die limitierten Flaschen als Künstleredition auf den Markt kommen. 16,5/20.

Zu den abgefüllten Weinen:

  • Sauvignon Platt & Pignat 2016 (Foto): Eine wunderbar typische Fruchtnase, Stachelbeere, nasses Gras, viel Limette, Zitronenmelisse, feingliedrig, etwas bitter im Finale, süffig und recht breit. 16,5/20 (CHF 16.90. www.alexander-weine.ch)
  • Kerner 2016: 15,5/20 (CHF 20.10. www.finewines.ch)
  • Lagrein Kretzer 2016: 15,5/20 (CHF 14.80. www.weinvogel.ch)
  • Lagrein Kretzer spät gelesen 2016: 16,5/20 (CHF 18.50. www.weinvogel.ch)
  • St. Magdalener 2015: 16/20 (CHF 15.90. www.weinvogel.ch)
  • St. Magdalener Classico 2015: Dezente rauchig, Schmelz im Gaumen, Fruchtsüsse, Druck, Fülle, schöne Struktur, trinkig, mittleres Finale. 16,5/20 (CHF 18.90 für Jahrgang 2016. www.weinvogel.ch)
  • Lagrein 2015: Typisch, sehr dicht, viel Kräuteraromatik, fruchtig, druckvoll, frisch, trinkig, Menthol-Finish, recht lang, superschön! 17/20 (CHF 21.50 für Jahrgang 2016. www.bottega-del-vino.ch)
  • Lagrein Riserva 2011 (Foto): Brotnoten, Frische, ausladend, dicht, Power, Eleganz, wunderschöne Tannine, viel Frucht, feingliedrig, tolle Länge! 18/20 (CHF 29.—für Jahrgang 2015. www.alexander-weine.ch)

 

  • Lamarein 2006 (Foto): Die Trauben werden angetrocknet, wie das viele Top-Lagrein-Produzenten in Bozen machen. Ausladend, leichte Tertiäraromen, Stall, Brombeeren, Power, Druck, aber nicht überladen, immer noch minzig-frisch, supertrinkig, tolles langes Finale. 18,5/20 (CHF 76.--. www.finewines.ch)
  • Composizion Reif 2010 (Bordeaux-Assemblage mit Lagrein): Lagrein-Nase, rote Früchte, floral, sauber, wunderbar! 17/20 (CHF 46.--. www.finewines.ch)
Kleine Mayersche Cabernet-Vertikale: 3-mal 17 Punkte.
Foto: Alain Kunz
  • Cabernet Reserva Kampill 2011: Lakritzige Nase, kräuterig, dezente Holznoten, trinkig, Fülle, mittellanger Abgang. 17/20 (Dieselbe Note gabs für die Jahrgänge 2002 und 1996. CHF 31.-- www.finewines.ch)

TIROLENSIS ARS VINI

Spannendes Projekt! Ursprünglich neun Weinbauern von grösstenteils eigentümergeführten Gütern, die sich zur Vereinigung Tirolensis Ars Vini zusammengeschlossen haben, machen seit 2000 gemeinsam einen Wein, den Tirolensis Rot. 2006 kam dann die Cuvée Weiss dazu. Mittlerweile sind noch sechs Bauern dabei, unter ihnen Josephus Mayr. Die Cuvée Bianco 2015 (Foto) ist in der Nase kräftig, hat viel Frucht, die Säure ist durchaus kräftig, und knackig, minime Vanille, Frische, Äpfel, Bittermandeln, mittleres Finish. 16,5/20 (CHF 24.40. www.weinvogel.ch). Die Cuvée Rosso 2015 ist ausladend, sehr kräuterig, leicht medizinal, Thymian, Power, seidige Tannine, durchaus mit Ecken und Kanten, herb, frisch mit einem recht langen Finish. 17,5/20 (CHF 39.--. www.weinvogel.ch).

DIE SECHS BESTEN SÜDTIROLER: 18 PUNKTE UND MEHR

Nirgendwo in Italien ist das Grundniveau der Weine so hoch wie im Südtirol. Im Verhältnis zur produzierten Menge hat die Autonome Provinz Bozen seit Jahren mit Abstand am meisten Drei-Gläser-Weine von Gambero Rosso vorzuweisen. Kein Wunder trifft man bei einer Südtirol-Degustation, die «Topweine» verspricht, auch tatsächlich auf viele Weine mit allerhöchstem Gütesiegel. So letztes Jahr bei der Topcrus-Degustation in Zürich.

Die Südtirol-Delegation 2017 in der Hiltl-Akademie mit VINUM-Chefredaktor Thomas Vaterlaus (lesend).
Foto: Alain Kunz

Hier die sechs besten, wobei der Lagrein Riserva von Muri-Gries bei anderer Gelegenheit verkostet wurde. Sechs Weine, alle auf Weltklasseniveau. Konkret: Bewertet mit 18 oder mehr Punkten. Dazu gehören auch die beiden Besten von Mayr (siehe oben). Südtirol macht einfach Spass!

Und, ja: Am 12. und 13. Februar sind die besten Südtiroler Weissburgunder, Sauvignon und Lagrein sind auch 2018 wieder in der Schweiz zu degustieren. Details siehe Veranstaltungskalender weiter unten.

  • Chardonnay Löwengang 2013, Alois Lageder (Foto): Wunderbare exotische Nase, leichte Butteraromen, Vanille, unglaublich elegant, Fruchtsüsse, dicht, nie überladen, perfekt getimed und präzis wie eine Schweizer Uhr, ein Chardonnay auch für Nicht-Chardonnay-Trinker, enorm lang sensationell! Score: 18,5/20 (CHF 51.--. www.bindella.ch)
  • Terlaner Riserva Nova Domus 2013, Kellerei Terlan (Foto): Dezent fruchtige Nase, im Moment etwas verschlossen, unglaubliche Frucht dann im Gaumen, Power, aber auch Eleganz, Druck, perfekte Balance, minime Holzderivatnoten, tolle Länge. Schlicht super! 18,5/20 (CHF 45.—für Jahrgang 2014. www.zanini.ch)

 

  • Weissburgunder Sirmian 2015, Cantina Nals Margreid: Dezente Nase, Pfirsich, Frische, leichtes CO2, Mineralität, Schmelz, Eleganz, schöne Struktur, Fruchtsüsse, Mundfülle, tolle Länge. 18/20 (CHF 22.—für Jahrgang 2016. www.weinvogel.ch. Den Sirmian findet Sie ausserdem bei TopCC)
  • Terlaner Weissburgunder Riserva Vorberg 2014, Cantina Terlan: Schöne, zurückhaltende Nase, leicht vanillig, mineralisch, Frucht, Power, tolle Fruchtsüsse, Eleganz, Druck, Mundfülle, Frische, wunderbare Länge. 18/20 (CHF 29.90. www.zanini.ch)

 

 

 

  • Lagrein Riserva Taber 2014, Kellerei Bozen (Foto): Chriesige Nase, erstaunlich zurückhaltend, im Gaumen Power, perfekte Struktur, knackige Säure, perfekt ausbalanciert, viel Fruchtfrische, Schmelz, unglaubliche Mundfülle, Druck, trinkig, sehr lang. 18/20 (CHF 39.80 für Jahrgang 2015. www.weinvogel.ch)
  • Lagrein Riserva Abtei Muri 2014, Klosterkellerei Muri-Gries: Wunderbar ausladende, kirschige Nase, reife Frucht, Zwetschgen, Würze, samten, Power, feinkörnige Tannine, knackig, elegant, Schoggi, feingliedrig, Minze, Frische, wunderbare Länge. Toll! 18/20 (CHF 35.50. www.nauer-weine.ch)

WEIN DER WOCHE: BOTTEGA GOLD

Ich bin ja kein grosser Freund von Prosecco. Aber auch kein Todfeind, wie viele zu sehr zu Elitarismus neigende Kritikerkollegen. Und wenn ein Prosecco so gut ist wie dieser – why not? Die Rede ist von der berühmten Goldflasche von Bottega. Sie fällt natürlich überall und jederzeit auf. Das Prozedere ist durchaus kompliziert, bis aus Glas Gold wird. «Wir haben ein spezielles Verfahren mit drei Schichten Farben entwickelt», erklärt Sandro Bottega. «Das ist sehr aufwändig. Die Flasche wurde aber immer wieder kopiert, weil sie so erfolgreich ist.» Damit soll nun Schluss sein. «Bottega Gold» ist nun als Marke geschützt worden und darf so nur noch von Bottega auf den Markt gebracht werden.

Zum Wein: Fruchtige Nase, Pfirsich, Ananas, Schöne Balance zwischen Zitrone, knackiger Säure und Perlage, Frische, Fülle, mittellanges Agrumenfinish. 16,5/20 (CHF 24.80. www.moevenpick-wein.com)

BUCHTIPP: ITALIENS WEINWELTEN

Ganz Italien auf 384 Seiten? Schwierig. Derart vielfältig ist die Weinwelt unseres südlichen Nachbarn, wo es stiefelweit keine Region gibt, die nicht unter Reben steht. Steffen Maus hat es probiert – und hat Erfolg damit. Eben ist sein Buch «Italiens Weinwelten» in dritter Auflage erschienen. Aktualisiert mit 160 neuen Weingütern. In diesem Buch erzählt Maus Geschichten von Nord bis Süd, von Rot bis Weiss, von still bis blubbernd. Er will führen, um zu verführen. Eine Ode an die italienische Erde. Menschen und Traube. Ein romantischer Thriller für Weinliebhaber. Mit der Hand auf dem Herzen geschrieben und fotografiert. Eine lustvolle Geschmacksexpedition zum wahren italienischen Weingenuss. Und? Hält das Maus-Buch diese Versprechen? Sagen wir es so: Es streift jede Region. Und es trifft sie durchaus. Nur schon dafür, ganz Italien in einem Buch zusammenzufassen, gebührt Maus unsere Anerkennung. («Italiens Weinwelten». ISBN 978-3-944027-38-8. 384 Seiten. PibooxVino. Paulsen  Buchimport. CHF 43.90. www.exlibris.ch)

 

WO GIBTS WAS ZU DEGUSTIEREN?

  • Montag, 12. Februar. 15 bis 20 Uhr. VINUM-Leserpanel: Das Südtirol-Experiment. Degustieren und bewerten Sie Topweine aus den Rebsorten Weissburgunder, Sauvignon Blanc und Gewürztraminer. 15-18 Uhr freie Blindverkostung und Bewertung der Südtirol-Crus. 18-20 Uhr freie Verkostung von rund 40 anderen Weinen mit anwesenden Produzenten. Dazu Häppchen. Gratis. Hotel Kreuz, Bern. Anmeldung bis 9. Februar unter www.vinum.info.
  • Dienstag, 13. Februar. 17.30 bis 20 Uhr. Topcrus aus dem Südtirol. Das Beste aus Sauvignon, Lagrein und Weissburgunder. Neben den Leitsorten gibts Spitzen-Cuvées und Häppchen. Gratis. Kaufleuten Lounge, Zürich. Anmeldung unter www.mettlervaterlaus.ch.
  • Mittwoch, 21. Februar. 17 bis 20 Uhr. After Work Tasting. Sherry und Port – Klassiker des Südens. Baur au Lac Vins, Filiale Shopville Zürich Hauptbahnhof. www.bauraulacvins.ch.
  • Samstag, 24. Und Sonntag, 25. Februar. Samstag 10 bis 18, Sonntag 11 bis 17 Uhr. Matter of Taste. Parker zum zweiten Mal zu Gast in Zürich! Über 800 Weine. Alle mit hohen Parker-Bewertungen. Darunter Premiers Grand Crus aus Bordeaux und rare Jahrgangs-Champagner. Einige mit dem Maximum von 100 Punkten. Der exklusivste Anlass der Schweiz. Und: viele spannende Masterclasses sowie das Grand Dinner am Samstagabend. Tagespass: CHF 99.--. Weekend-Pass: CHF 129.--. Hotel Dolder Grand, Zürich. www.a-matter-of-taste.com.
  • Montag, 26. Februar. 14 bis 21 Uhr. Open Bottle Day von Smith and Smith. 101 Weine! Nittnaus kommt mit dem besten österreichischen Wein des Jahres. Tenuta del Trinoro, Chapoutier und Mazzei ins auch zugegen, um nur ein paar zu nennen. Masterclass mit Marcu Eguren von Teso la Monja (18 Uhr, CHF 95.--, Anmeldung info@tasteacademy.ch). Dann kommen auch die Lumas, Antonio Colaianni vom Restaurant Gustav undundund. Smith and Smith, Grubenstrasse 27, Zürich. www.smithandsmith.ch.

     

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