BLICK: Angelo Gaja, wie überrascht waren Sie, als der Importeur Sie mit den falschen Sito-Moresco-Flaschen konfrontierte?
Angelo Gaja: Sehr überrascht! Natürlich hatte ich mitbekommen, wie Tignanello und französische Topweine gefälscht wurden. Ich hoffte einfach, dass es mich nicht trifft.
Hat es Sie erstaunt, dass mit dem Sito Moresco Ihr günstigster Wein gefälscht wurde und nicht einer Ihrer teureren wie der Barbaresco Sori San Lorenzo, der 350 Franken kostet?
Das weniger. Denn mein Importeur hat den Sito Moresco in der Schweiz hervorragend positioniert. Der ist zu einer Topmarke geworden. 20'000 Flaschen importiert Weibel Weine jährlich. Das ist ein Sechstel der Gesamtmenge. Der Wein ist immer schnell ausverkauft. Ins Glas der teuren Flaschen ist unser Logo eingestanzt. Dieses zu fälschen, wäre enorm teuer.
Hatten Sie mit Otto’s Kontakt?
Nein.
Wie gehen Sie mit Discountern um, die versuchen, Weine auf allen möglichen Märkten grau oder parallel zu importieren?
Da können wir nicht viel tun. Es liegt in der Natur des Menschen, für eine Sache möglichst wenig zahlen zu wollen. Nur muss man halt wissen, dass eine Restgefahr besteht, wenn man immer den tiefsten Preis sucht. Otto's hat allerdings fahrlässig gehandelt, als man 17'000 Flaschen kaufte – wenn man weiss, dass 20'000 Flaschen jährlich offiziell in die Schweiz gehen. Da müsste man schon ein bisschen nachdenken.
Kann man Ihren Schaden bemessen?
Wir sind eine Kleinkellerei. Wenn uns Weibel sagt, dass seine Kunden sich nun über die Inkonstanz der Produkte beklagen und keine Gaja-Weine mehr kaufen wollen, dann trifft uns dies stark.
Welche Lehren ziehen Sie aus diesem Fall?
Uns ist bewusst, dass wir im Krieg mit den Fälschern stehen. Wir sind dafür aber gerüstet! Und wir werden den Sito fälschungssicherer machen. Der Fall zeigt eines: Eine Garantie auf Originalware hat nur, wer beim offiziellen Importeur kauft.
Das taugt der Sito Moresco – echt und gefälscht
Otto’s schreibt in der Medienmitteilung, in welcher der Surseer Discounter verkündet, einem Weinfälscher auf den Leim gekrochen zu sein, der gefakte Sito Moresco sei «von der Qualität her überraschend gut». Dies bestätigt auch Otto’s-Chef Mark Ineichen, bekennender Gaja-Fan, der mehrere hundert Flaschen in seinem Privatkeller liegen hat. Ihm sei bei der Degustation nichts Spezielles aufgefallen.
Weinpate Angelo Gaja hingegen kann mit der Einschätzung «überraschend gut» gar nichts anfangen: «Madonna, das ist doch Quatsch! Das hat nichts mit einem Gaja zu tun!» Wo liegt die Wahrheit?
BLICK-Redaktor Alain Kunz hat beide degustiert. Die Fälschung und den echten Sito Moresco. Der gefakte Wein riecht nach roten Früchtchen, ist im Gaumen eindimensional, Gummibärli-Noten tauchen auf, er ist recht süss, aber nicht überextrahiert und marmeladig, sondern von der Struktur her eher zart mit mittlerer Säure. Wenn man ehrlich ist: gut gemacht und durchaus süffig. Für einen Laien kann dies ein absolut guter Wein sein. Note: 15/20.
Der echte Sito Moresco ist in der zurückhaltenden Nase mineralisch-erdig, auch fruchtbetont, hat Schmelz, ist aber erstaunlich hart und borstig für einen 15er, recht verschlossen mit einem mittellangen Abgang. Ein Wein, der noch lange reifen muss. Nicht der beste Sito-Moresco-Jahrgang. Note: 16,5/20 (Preis: CHF 39.90).
Gajas neue Weine
BLICK hat den Keller von Angelo Gaja im Mai besucht und dabei die neuen Jahrgänge verkostet. Hier die Degustationsnotizen der acht dazumal eben abgefüllten Weine, die allesamt klar besser abschnitten als der Sito Moresco (aber auch alle mit Ausnahme des Promis viel teurer sind...)
- Promis 2016 (Drittwein von Ca’Marcanda aus Bolgheri in der Toskana, Assemblage aus Merlot, Syrah und Sangiovese): Frische, kräuterige Nase, spannend, dunkle Noten, Teer, Kraft, feindgliedrig und mittellang. Score: 17/20 (CHF 29.90).
- Magari 2016 (Zweitwein von Ca’Marcanda aus Bolgheri in der Toskana, Assemblage aus Merlot, Cabernet Sauvignon und Cabernet Franc): Dunkle Früchte, Kakao, leichtes Parfüm, Harmonie, Eleganz, rechte Tannine, etwas grün, nervig, frisch, lang. Score: 17,5/20 (CHF 43.90 für Jahrgang 2015).
- Rennina 2013 (Brunello die Montalcino vom Gut Pieve Santa Restituta): In der Nase dezent, nussig, ein Hauch Rauch, Frucht, hoch elegant, Mundfülle, massive Tannine, enorm frisch, ätherisch, Druck, tolle Länge. Score: 18/20 (CHF 129.--).
- Barbaresco 2013: Enorm rotfruchtige Nase, Johannis- und Himbeeren, Rosen, elegant, Schmelz, runde Tannine, Frische, minzig-zältlig, lang. Score: 17,5/20 (CHF 159.— für Jahrgang 2014)
- Sori San Lorenzo Barbaresco 2015 (Foto): Tabak und Rauch, enorm mineralisch, feingliedrig, fast zerbrechlich wirkend, fantastisch elegant, nahe an der Perfektion, Erdnoten von dieser Wahnsinns-Einzellage in Barbaresco, Finesse, füllig, unendlich lang – ein königlicher Wein! Score: 19,5/20 (CHF 350.— für Jahrgang 2014).
- Dagromis Barolo 2014: Verschlossene Nase, ein Hauch Rosen vielleicht, Schmelz im Gaumen, etwas hart, elegant, manchmal ins für Gaja Banal-Einfache abdriftend, trinkig, easy, mittlerer Abgang. Score: 17,5/20 (CHF 69.90 für Jahrgang 2014).
- Conteisa Barolo 2014: Ausladend-mineralische Nase, Rosen, hoch elegant, Druck, Nelken, Frucht zwischen Rot und Schwarz, feinkörnige Tannine, schlanker Körperbau, perfekte Struktur, harmonisch, ätherisch, Fülle, Länge, toll! Score: 18,5/20 (CHF 175.— für Jahrgang 2013).
- Sperss Barolo 2014: Verschlossen in der Nase, ein Hauch Frucht, rote und schwarze, Power und Druck ohne Ende, dennoch hoch elegant, kräuterig, Thymian, feine, präsente Tannine, Frische, ätherisch, lang, Wunderbar! Score: 19/20 (CHF 185.— für Jahrgang 2013).
(Die Weine von Gaja gibts bei www.weibelweine.ch)
Angelo Gaja (78) übernahm 1961 in der vierten Generation das 1869 gegründete Weingut von seinem Vater in Barbaresco im Piemont. Er gilt als Italiens berühmtester Winzer, produziert jährlich zwischen 350 000 und 400 000 Flaschen in seinen drei Weingütern in Barbaresco, Ca'Marcanda in Bolgheri sowie Pieve Santa Restituta im Brunello-Gebiet, beide in der Toskana. Demnächst kommt ein viertes Gut am Fusse des Ätna in Sizilien dazu.