Fünf Wochen war ich in Frankreich. Nicht aber für den Wein. Für die Fussball-Europameisterschaft. Zuerst in der Bretagne, dann in Paris. Eine spannende Sache, denn die beiden Regionen sind keine Weinregionen. Hiess also: Jeden Tag was Neues aus Frankreich versuchen. Aus irgendeiner Region. Bordeaux, Burgund, Süden, Loire, Côte-du-Rhône. Egal. Das Resultat: ernüchternd! Ein einziger Wein ist mir richtig hängengeblieben.
Das ist der Clos Fantine 2014 aus Faugères im Languedoc, ein Wein der Familie Andrieu, der durch eine dunkelfruchtige Nase besticht, Tabak-, Lavendel- und Thymianaromen finden sich, also typisch Mittelmer, er bleibt trotz der Power und der Rauheit elegant. Ansage: 17,5 Punkte. Gibts bei maisonlibre.ch für 15.80. Ein schlicht sensationeller Preis-/Leistungswein!
Bei den Bordeaux ist das Problem, dass sie in Frankreich unglaublich teuer sind. Teurer als bei uns in den Restaurants. Die Erstweine sowieso unerschwinglich, auch von Cru Bourgeois. Oft auch die Zweitweine. So bleiben die Tropfen kleiner, unbekannter Châteaux. Doch da ist verdammt viel Mittelmass dabei. Also doch lieber ab nach Bordeaux zu zwei Top-Schlössern. Eines im Médoc, eines im Libournais.
1. STATION: MARGAUX, CHATEAU RAUZAN-SEGLA
Viel Geschichte! Die Ursprünge gehen auf die Zeit von Sonnenkönig Louis XIV. zurück, als Pierre des Mesures de Rausan das Gut erwarb und ihm 1661 seinen Namen gab. Thomas Jefferson bestellt 1790 Weine des Gutes, die er als exzellent einstuft, bevor er der dritte Präsident der USA wird. Es sind die üblichen Stories grosser Châteaux. Jedes hat diese zu erzählen. Rauzan-Ségla wird bei der grossen Klassifikation 1855 zum Deuxième Grand Cru gekrönt.
Auch die aktuelle Story ist irgendwie typisch. Seit 1994 ist das Schloss im Besitz von Mode- und Kosmetikgigant Chanel. Maître de Chais ist Henry de Ruffray. Er sagt über sich und sein Schloss: «Ich bin nur der kleinere Teil. Ich muss das verwerten, was mir die Natur bietet. Das sind neben Reben hier Kastanien, Eicheln und Fische. Wenn wir keine Reben hätten, wärs also ein bisschen armselig.» Und was für Reben Rauzan-Ségla hat! Die Nachbarn heissen Margaux und Palmer!
Die Weine:
Château Ségla 2010 (Zweitwein): Komplexe, leicht verschlossene Nase, Frucht, minime Toastnoten, leichter Schmelz im Gaumen, Teer, rote Chriesi, rechte Tannine, frisches, trockenes Finale. Score: 16,5/20 (CHF 33.50. www.gazzar-weine.ch)
Château Rauzan-Ségla 2010 (Foto): Wundervolle Nase, komplex, tolle Frucht zwischen rot und schwarz, leichtes Parfüm, Zedernholz, im Gaumen feingliedrig, rund, weiche Tannine, alles harmonisch und im Fluss, ein Zen-Wein mit frischem, Langem Finish. Score: 18/20 (CHF 48.60 für Jahrgang 2013. www.gazzar-weine.ch)
Weiter degustiert:
- Rauzan-Ségla 2006: Score 17/20
- Ségla 2011 (Zweitwein): Score 15,5/20
2. STATION: SAINT-EMILION, ANGELUS
Eine ganz andere Story ist jene von Angélus. Das Schloss steht in achter Generation in Besitz der Familie Boüard de Laforest. Keine Japaner, keine Versicherung, kein Luxusmarken-Gigant. Familie! Und alles sehr sakral. Das Dorf Saint-Emilion wird im achten Jahrhundert von einem Mönch namens Emilion gegründet. Angélus ist ein dreimal im Tag rezitiertes Gebet, zu dem die Kirchenglocken läuteten. Immer dann, wenn Arbeitsbeginn, Mittagspause und Arbeitsschluss war. Vom Erstwein – selbstverständlich ein Premier Grand Cru Classé – gibts stolze 100 000 Flaschen. Die Reben haben einen beachtlichen Altersschnitt von 50 Jahren. «Und wir setzen hier voll auf Cabernet Franc», führt PR-Manager Laurent Benoit aus. Die Assemblage hat meistens ebenso viel Cabernet Franc wie Merlot.
Der Wein:
Château Angélus 2011: Tolle Würze in der Nase, viel dunkle Frucht, Tabak, Espresso, komplex und kräftig, im Gaumen wunderbare Tannine, noch recht ungeschliffen, ein Rohdiamant, viel Power, gegen Ende Bitternoten, trotz der Power filigran bleibend, unendliches Finish. Toll! Score: 18,5/20 (CHF 240.--. www.moevenpick-wein.com)
GERSTLS WEINE DES JAHRES: BORDEAUX
Auch aus dem Bordelais kommen die Weine des Jahres 2016 von Weinhändler Gerstl, einem der grossen Bordeaux-Händler der Schweiz. Der rote kommt vom Château Haut-Ballet, ist eine Exklusiv-Abfüllung für Gerstl. Der weisse ist eine Assemblage aus Sémillon und Sauvignon Blanc und ein Bordeaux AOC. Nach den tollen Jahresweinen 2015 (Alpha von Montepeloso aus der Maremma und ein Riesling von Von Winning) sind diese beiden Weine ganz korrekt, okay. Aber auch nicht viel mehr.
Clos Bellevue 2012, Château Haut-Ballet, Fronsac (Foto): Herb-würzige Nase, reife, dunkle Früchte, wild-animalisch, im Gaumen rau, massive Säure und harsche Tannine, eukalyptische Frische, mittleres Finale. Score: 15,5/20 (CHF 18.50 statt 25.--. www.gerstl.ch)
Vertige, Château Le Grand Verdus 2014, Bordeaux Blanc 2014: Grasige Nase, Agrumen, Thymian, florale Noten, im Gaumen säurebetont, Zitrone, Grapefruit, recht spitz, aber frisch, leicht, mittleres Finish. Score: 15/20 (CHF 16.50 statt 22.--. www.gerstl.ch)
WEIN DER WOCHE: MILLESIME BRUT VON FEUILLATTE
Und was ist untrennbar mit den grossen Bordeaux-Weinen der Welt verbunden? Klar doch, Champagner. Am besten ein exklusiver. So wie der Millésime Brut von Feuillatte. Eine erstaunliche Erfolgsstory, jene von Feuillatte. 1976 wird die Marke ins Leben gerufen. 1986 beginnt die Zusammenarbeit mit dem Centre Vinicole de Champagne, einem Zusammenschluss von 4500 Winzern, die Anteile an wertvollen Cru-Lagen haben. 30 Jahre später ist Feuillatte die Champagnermarke Nummer eins in Frankreich, weil man etwas richtig machte: Den Brand zuerst in Jetset-Kreisen in den USA, England und Australien zum Trend zu machen. Weltweit liegt Feuillatte auf Platz drei der der grössten Exportmarken.
Also: Der perfekte Apéro vor dem Genuss grosser Bordeaux. Wir haben den Jahrgang 2008 degustiert. Ein Schaumwein, der durch feine Noten von Quitten, Blumen, Hefe und Akazienhonig besticht. Im Gaumen ist er recht herb, hat Bittermandelaromen, eine feine Perlage – und ist dennoch schäumend-mundfüllend, weist eine hohe Champagner-Typizität auf, ist elegant und recht lang. Und ein wunderschöner Schämpis! Score: 17/20 (CHF 47.50. www.bauraulacvins.ch)
WO GIBTS WAS ZU DEGUSTIEREN?
- 25. Bis 17. August. Donnerstag 18-22 Uhr, Freitag/Samstag 16-22 Uhr. Schaffuuser Wiiprob 2016. Über 30 Produzenten aus dem Blauburgunderland präsentieren ihre Weine. Tickets kosten 20 Franken. Kreuzgang des Museums zu Allerheiligen. www.blauburgunderland.ch.
- 29. August. 11. Bis 19.30 Uhr. Mémoire and friends (Foto). Der Höhepunkt des Schweizer Degustationsjahrs! Am Swiss Wine Grand Tasting trifft sich die Elite des Schweizer Weins zum jährlichen Stelldichein. 180 Aussteller, 1200 Besucher. Gewaltig! Und praktisch kein Schweizer Wein eines gewissen Renommees, den man nicht findet. Ganztagestickets kosten 20 Franken. Ab 17 Uhr Gratiseintritt. Kongresshaus Zürich. www.memoire-and-friends.ch.