Für Sie degustiert: Piemont
Anderthalb Gläser hat der Papst getrunken, sagt man

Das Piemont ist auch im Winter eine Reise wert. Wir waren bei den Negros. Ein Weingut, das Geschichte atmet und dessen Weine auch schon von Päpsten getrunken wurden. Dazu degustierten wir Nino Costa, Sottimano – und die umwerfenden neuen Jahrgänge von Ceretto.
Publiziert: 25.01.2016 um 10:03 Uhr
|
Aktualisiert: 10.09.2018 um 16:50 Uhr
1/13
Das Bild zur Legende: 1988 soll Papst Johannes Paul II. zu einem Anlass zum 100. Todestag von Don Bosco anderthalb Gläser von Negros Roero Arneis getrunken haben.
Foto: Alain Kunz
Alain Kunz

Wir sind in Monteu Roero. «Im Herzen des Roero», spezifiziert Giovanni Negro. Bereits 1670 lassen sich Reben hier urkundlich nachweisen. Und Papst Johannes Paul II. selig soll 1988 anderthalb Gläser des 87er-Arneis der Azienda Angelo Negro getrunken haben. An einem Gedenkanlass zum 100. Todestag von Don Bosco.

Überhaupt, der Arneis. Einige Weingüter (zu denen zum Beispiel Cornarea oder Ceretto gehören) streiten sich regelrecht darum, am meisten dafür getan zu haben, dass diese Weissweintraube heute wieder ein vernünftiges Ansehen hat. Ganz gewiss zählen auch die Negros dazu. Giovanni: «Wir waren die ersten, die den Arneis von süss auf trocken umstellten. Das war 1971. Zuvor wurde aus den Arneis-Trauben so etwas wie Moscato gemacht. Und deshalb nennen mich viele Signore Arneis – und nicht Siognore Negro.»

Giovanni Negro auf einem Traktor vor seinem Weingut. Oder: Das Kind im Manne.
Foto: Alain Kunz

Total produzieren die Negros 300'000 Flaschen. Die ganze Palette des Roero, alle üblichen Verdächtigen. Mit drei Gläsern von Gambero Riosso wird fast jedes Jahr der Roero Sudisfà Riserva  bedacht. Die Tradition ist wohl gewaltig, die Vinifikation indes modern. Auf Barriques wollen die Negros jedenfalls keinesfalls verzichten. Auch nicht auf einen wohl nicht zertifizierten, aber doch so biologischen Anbau wie nur möglich.

Auffallend: Keiner der degustierten Weine fällt unter ein gewisses Grundlevel. Den absoluten Topstar haben wir hingegen nicht ausmachen können, auch nicht den Roero Sudisfà. Vielleicht lags daran, dass wir den 2006er verkostet haben, der doch schon in ein gewisses Alter gekommen ist und von Tertiäraromen getragen wird. Toll ist der Roero Prachiosso!

BEST OF NEGRO

Roero Arneis Pardaudin 2013 (die ältesten Rebstöcke stammen aus dem Jahr 1982!): Pfirsich, Zitrus, Schmelz, rechte Säure, Frische, Honig, vegetales Finish. Score: 16,5/20 (CHF 19.80. www.martel.ch)

Roero Arneis Sette Anni 2007 (ein Arneis, der nur in speziell guten Jahren gemacht und erst nach sieben Jahren Flaschenlagerung auf den Markt kommt): Tolle Honigsüsse, Eisen, erstaunlich frisch, schlanker Körperbau, mittellang. Score: 16,5/20 (€ 22.— ab Keller)

Barbaresco Basarin 2005: Leichte Stall- und Ledernoten, leichtes Parfüm, rechte Tannine, mittleres Finale. Score: 16,5/20 (€ 30.— ab Keller)

Roero Sudisfà Riserva 2006: Tertiäraromen, Pilze, Stall, Trüffel, Tabak, rechte Tannine, adstringierendes, mittellanges Finish. Score: 16,5/20 (CHF 55.— für Jahrgang 2009. www.buehlerweine.ch)

Roero Prachiosso 2011: Parfümierte Nase, Rosen, Kirschen, einerseits massive Tannine, andrerseits Fruchtsüsse, Schmelz, Frische, recht langes Finish, viel Potenzial. Score: 17/20 (CHF 28.50. www.buehlerweine.ch)

Barbera d’Alba Bertu 2011: Chriesi, mineralisch, Würze, Schmelz, Power, grüne Noten, Druck, süffig, noch jung und wild. Score: 16,5/20 (CHF 29.50. www.wiichaeller.ch)

Die vier Arneis der Azienda Agricola Angelo Negro.
Foto: Alain Kunz

 

REST OF NEGRO

  • Roero Arneis Gianat 2009: 16/20 (€ 14.—ab Keller)
  • Barbera d’Alba Dina 2012: 15/20 (CHF 15.80. www.wiichaeller.ch)
  • Barbera d’Alba Nicolon 2012: 16/20 (CHF 22.--. www.wiichaeller.ch)
  • Langhe Nebbiolo Angelin 2012: 15/20 (€ 7.40 ab Keller)
  • Roero San Bernardo 2010: 16/20 (€ 15.— ab Keller)
  • Barbaresco Cascinotta 2010: 16/20 (€ 15.— ab Keller)

NINO COSTA – AUF DEM VEGANEN TRIP

Vor zehn Jahren begann Stefanino (genannt Nino) Costa den alten Familienbetrieb in Montà im Roero zu modernisieren. Das heisst auch die Marke Costa zu exportieren. Bis dann lag die Exportzahl bei Null. Heute sind es 80% der Produktion die ausser Landes gehen, mit den USA als Hauptabnehmer. Damit einher ging eine Produktionssteigerung von 20 000 auf 80 000 Flaschen. «Wir haben Potenzial für 100 000 Flaschen aus eigenen Trauben», denkt Nino. Und er sinniert: «Warum nicht diese Weine als Toplinie herausbringen und eine zweite Linie aus biologischem Anbau zu kreieren, die sogar vegane Ansprüche erfüllt? Also keine Substanzen tierischen Ursprungs verwenden, als ohne Weiweiss-Schönung und ohne Gelatine.» Der Mann denkt über die Nasenspitze hinaus. «Wir würden eines der ersten Güter sein, die das macht. Interessenten gibts genug, auch in den USA. Das weiss ich von meinen Studienreisen.» Eine Etikette dafür hätte er schon.

Nino Costa vor seinen Uralt-Tanks, die er bloss noch zur Zwischenlagerung von fertigen Weinen braucht.
Foto: Alain Kunz

Bei unserem Besuch gabs den ersten veganen Testpiloten! Der war genau gleich gut wie sein nicht-veganes Pendant.

Zwei Weine stachen heraus, beide aus der Nebbiolo-Traube gewonnen: Der Roero Gepin 2011, der schon zum zweiten mal drei Gläser von Gambero Rosso abgeräumt hat. Und der wunderbar gereifte Roero Bric del Medic 2008. Schade nur, hat Nino noch keinen Schweiz-Importeur. Könnte sich bald ändern, denn sichere Drei-Gläser-Werte sind auch bei uns hoch begehrt!

BEST OF NINO COSTA

 

Roero Gepin 2010 (Foto): Ausladende Nase, Parfüm, Rosen, mineralisch, rechte Tannine, wird plötzlich recht herb. Score: 16,5/20

Roero Gepin 2011: Veilchen, Rosen, rote Beeren, elegant, feingliedrig, feine Tannine, frisch, schönes Finish. Score: 17/20

Roero Bric del Medic 2008: Rosen, Erdigkeit, rote Beeren, lebhafte Tannine, Power, gute Länge. Score: 17/20

REST OF NINO COSTA

  • Roero Arneis Sarun 2014: 14,5/20
  • Roero Arneis Sarun 2014 (vegane Vinifikation): 14,5/20
  • Roero Arneis Seminari (Selektion): 15/20
  • Roero Arneis Bric Sarun (Selektion): 15,5/20
  • Roero Arneis Seminari 2009: 15,5/20
  • Langhe Bianco 2013 (Riesling, Arneis, Sauvignon Blanc): 15,5/20

SOTTIMANO – URSPRÜNGLICHE PIEMONTESER

Riesige Tradition bei Negro, hier nun das geschichtsmässig pure Gegenteil. Die Azienda Agricola Sottimano wird im Jahr 1975 von Maggiore Sottimano gegründet. Seithere kauft Rino Sottimano fleissig Toplagen dazu: Cottà, Currà, Fasoni, Pajoré, Basarin. Total ergibt das 18 Hektaren, darunter die erwähnten fünf Barbaresco-Cru-Lagen. Dazu gibts Dolcetto, Barbera und einen trockenen Bracchetto. Andrea Sottimano, gemeinsam mit seinem Vater der Weinmacher: «Unsere Weine sind komplett natürlich. Das beginnt in den Reben und hört im Keller auf. 100 Prozent Bio! Keine Filtration. Keine Reinzuchthefen. So ergeben sich in den verschiedenen Jahrgängen komplett unterschiedliche Weine.» Seit 1990 werden keine Pestizide mehr benützt, sondern bloss umweltfreundliche Produkte – und die nur, wenn unumgänglich. Filtriert und geschönt wird auch nicht mehr.

Andrea Sottimano macht gemeinsam mit seinem Vater die Weine auf dem 1975 gegründeten Betrieb.
Foto: Alain Kunz

Für Importeur Francesco D’Amato, der die Weine von 50 Produzenten in die Schweiz einführt, ist Sottimano einer der Lieblinge: Warum? «Man kann es in einem Wort sagen: Er ist authentisch! Ungebutterte, traditionell ausgebaute, naturbelassene Terroirweine, denen man jede einzelne Lage anmerkt.»

Okay, wir haben die Weine bei einem Wine in Dine in der wunderbaren Osteria Tre des Hotels Bad Bubendorf im Baselland unter die Lupe genommen. Ganz toll: Die Barbaresci Currà 2008, Pajoré 2011 und Fausoni 2005.

BEST OF SOTTIMANO

Barbaresco Pajoré 2011: Dominante Röstaromen, erdig, weiche Rotfrucht, Erdbeeren, Frische, leichtfüssig-elegant, minziges mundfüllendes Finale. Score: 17/20

 

Barbaresco Currà 2008 (Foto): Floral, Rosen, Schmelz, reife Tannine, Eleganz, gewisse Adstringenz, langes Finale. Score: 17,5/20

Barbaraesco Currà 2010: Floral, kräuterig, harsche Tannine, vegetale Noten wie Peperoni, mittleres Finish, hart. Score: 16,5/20 (CHF 70.—für Jahrgang 2011)

Barbaresco Fausoni 2005: Floral, eukalyptisch, frisch, Kirschen, Phenol, Schmelz, runde Tannine, Power, Würze, Erdigkeit, parfümiertes, lange Finish. Score: 17,5/20

Barbaresco Fausoni 2007: Kräuterig, Rosen, rote Chriesi, massive Tannine, Eleganz, traditionell harsch, mittleres finale. Score: 16,5/20

Barbaresco Fausoni 2011: Rosen, Kirschen, feingliedrig-elegant, markante Tannine, staubtrocken gegen Ende, adstringierendes Finish. Score: 16,5/20 (CHF 55.--)

REST OF SOTTIMANO

  • Barbera d’Alba Pairolero 2011: 16/20 (CHF 22.50 für Jahrgang 2013)
  • Barbaresco Pajoré 2009: 16/20 (CHF 55.--)
  • Barbaresco Fausoni 2009: 16/20 (CHF 38.50 statt 55.--)

(alle Weine gibts bei www.vinidamato.ch)

 

CERETTOS NEUE JAHRGÄNGE: UMWERFEND!

Das Weingut Ceretto – vielleicht müsste man besser von einem Imperium sprechen – haben wir bereits ausführlich vorgestellt. Wir waren dieses Jahr wieder in Alba und bei den Cerettos und haben die neuen Jahrgänge der beeindruckenden Palette durchdegustiert. Das Fazit ist umwerfend: Nur ein Wein unter 16,5 Punkten. Einmal 19, zweimal 18,5! Weshalb wir die Grenze zur Unterteilung zwischen BEST (ausführliche Vorstellung) und REST (nur Benotung) bei 17,5 (!) Punkten ziehen. Also einen ganzen Punkt höher. Das gibt es selten.

Roberta Ceretto nach der Degustation und vor dem Lunch im familieneigenen Drei-Sterne-Restaurant Piazza Duomo in Alba.
Foto: Alain Kunz

BEST OF CERETTO

Barolo Bricco Rocche 2011 (Foto): Tolle Nase, Parfüm, Rosen, leicht erdig, minime Toastingaromen, schöne Breite und Textur, rechte Tanninstruktur, dezente Frucht, ein königliches Gewächs, das gegen Ende durch enorme Mundfülle glänzt, frisch und sehr, sehr lang endet. Wow! Score: 19/20 (CHF 185.—für Jahrgang 2011)

 

Barolo Prapò 2011: Rosen, Parfüm, leichte Röstaromen, nussig, elegant, viel Frucht,  feinkörnige Tannine, Schmelz, enorm lang. Score: 18,5/20 (CHF 77.—für Jahrgang 2008)

Barolo Brunate 2001: Rosenblüten, Parfüm, Erdnoten, Süsse, Volumen, feine Tannine, Kirschen, Eleganz, Superfrische und –länge. Score: 18,5/20

Barbaresco Bernardot 2012: Zurückhaltende Nase, Frucht, leichtes Parfüm, elegant, Fülle, beerig, superschöne Tannine, schon jetzt trinkreif, breitet sich enorm aus und bleibt gewaltig lang! Score: 18/20 (CHF 73.—für Jahrgang 2011)

Barbaresco 2012: Wahnsinnsnase, eine Aromenexplosion von Rosen, Chriesi, Erde,, Parfüm, eher karg im Gaumen, adstringierende Tannine, trinkig, schöne Länge. Score: 17,5/20 (CHF 47.50)

Barolo Cannubi San Lorenzo 2005: Doch schon rechte Tertiäraromen, Pilze, Leder, florale Noten, portish, Madeira-Süsse, Marzipan, reife Tannine, Schmelz, Power, tolle Länge. Score: 17,5/20

REST OF CERETTO

  • Arbarei (Rheinriesling) 2014: 15,5/20
  • Blangé (Arneis) 2014: 16,5/20 (CHF 23.50)
  • Moscato 2014: 16,5/20 (CHF 22.50)
  • Monsordo (Cabernet Sauvignon, Merlot, Syrah) 2012: 17/20 (CHF 29.50. www.winexpress.ch)
  • Barbaresco Bricco Asili 2012: 17/20(CHF 122.—für Jahrgang 2008)
  • Barolo 2011: 17/20 (CHF 52.--)

(Wenn nicht anders angegeben sind die Weine erhältlich bei www.globalwine.ch)

ZWEI HÜHNER, DREI BROTLAIBE, SECHS MÜNZEN

Dievole ist ein traditionsreiches Weingut im Chianti-Gebiet vor den Toren von Siena, das zuletzt eine wechselvolle Geschichte erlebte. Begonnen hat alles im Jahr des Herrn 1090, als zwei Bauern sich das Pachtrecht im heiligen Tal (Dievole) für zwei Hühner, drei Brotlaibe und sechs Silbermünzen erstanden. Auf dem Markt erhältlich ist aktuell der Jahrgang 2012 der Nummer zwei der Palette von vier Chiantis, der sich schlicht „La Vendemmia“ nennt, vor allem von eher jungen Reben stammt (fünf bis zehn Jahre alt) und zum Grossteil in 80-Hektoliter-Fässern reift.

 

Dievole La Vendemmia Chianti Classico DOCG 2012: Kirschig-teerige Nase, eher rote Frucht, kräuterig, im Gaumen spitz, säurebetont, mineralisch-karg, mittleres recht adstringierendes Finish. Man merkt dem Wein das jugendliche Alter der Reben deutlich an. Speziell beim Sangiovese ist ein gewisses Rebenalter unabdingbare Voraussetzung für eine gewisse Samtheit, die sich in einer „weicheren“ Säure ausdrückt. Score: 15,5/20 (CHF 16.--. www.svrvins.ch)

 

 

WEIN DER WOCHE: SYRAH VON THIERRY CONSTANTIN

 

Syrah L’Odalisque 2007, Thierry Constantin, Pont de la Morge: Mit seinem Syrah stand der umtriebige Thierry Constantin auch schon im Final der Etoiles du Valais, des grossen Wettbewerbs des Branchenverbands. Es ist auch ein toller  Wein, besonders, wenn man ihn in voller Trinkreife erwischt wie hier. Der Wein mit Trauben aus Sion und Vétroz, der 12 Monate in grossen Fässern und sechs in Stahl reifte, besticht durch ein würzig-teerige Nase, hat Holzkohlenoten, etwas Peperoni, ist leicht grünlich, dunkle Früchte, schöner Fluss, mittellang. Ein süffiger Syrah. Score: 16,5/20 (CHF 27.—für den aktuellen Jahrgang. www.thierryconstantin.ch)

 

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?