Ende des letzten Jahres haben wir den beliebtesten Schweizer Rotwein erkoren. Es gewann Diego Mathier aus Salgesch im Wallis mit seinem Merlot Nadia 2015. Siegernote damals: 18 Punkte.
Nun haben wir den beliebtesten helvetischen Weissen gesucht. In einem Land, das gemeinhin als «weiss» bekannt ist. Durchschnittsnote des höchstbewerteten Gewächses: 17,4. Der Sauvignon Blanc 2017 von Schwarzenbach aus Meilen ZH wäre bei den Roten nicht mal aufs Podest gekommen. Ein Indiz, dass wir von einem Weissweinzu einem Rotweinland mutieren?
Absolut kann man das in Bezug auf Qualität nicht sagen. Was die Zahlen anbelangt, ist der Fall klar. Es werden 2000 Rebhektare mehr für Rot-als für Weisswein angepflanzt. 2016 wurden 55 Millionen Liter Rot- und 53 Millionen Liter Weisswein produziert. Die meistangebaute Rebsorte ist Pinot Noir. Sie hat der Schweizer Traditionstraube Chasselas, die im Wallis unter dem Namen Fendant verkauft wird, mittlerweile den Rang abgelaufen.
Chasselas ist die weisse Nummer eins. Mit über 4000 Hektare ist fast zehnmal mehr Rebland mit Chasselas bepflanzt als mit der Nummer zwei, Müller-Thurgau (gleich Riesling x Silvaner). Es folgen Chardonnay, Silvaner (im Wallis Johannisberg), Pinot Gris (im Wallis Malvoisie), Petite Arvine, Sauvignon Blanc, Pinot Blanc, Savagnin (im Wallis Heida).
Die Statistik findet in der grossen SonntagsBlick-Magazin-Degustation nur teilweise ihre Entsprechung: Mit Riesenabstand am meisten wurden Chasselas (16) eingereicht. Am zweitmeisten Petite Arvine (8), was einer gewissen Logik nicht entbehrt, denn die Traube ist optimal geeignet für Wettbewerbe: ausladend, knackig, säurebetont, dennoch cremig. Ganz im Gegensatz zu Müller-Thurgau: Obwohl es die am zweitmeisten angepflanzte Traubensorte ist, wurde kein einziger eingereicht. Diese Weine gehen mit ihrem eher flachen, ruhigen Wesen und ihrer Säurearmut in Wettbewerben gemeinhin unter.
Es folgen die weltweit meistangepflanzten weissen Rebsorten: Chardonnay (7) und Sauvignon Blanc (6).
Die sechsköpfige Jury hatte eine Herkulesaufgabe zu bewältigen: 70 Weine sollten probiert werden. Die grossen SonntagsBlick-Magazin-Degustationen sind beliebt, viele Schweizer Weinhändler wollen dabei sein. Die Verkostung ist unabhängig und die Teilnahme unentgeltlich – eine Rarität in der Weinwelt. Angeschrieben wurden alle grossen Schweizer Weinhändler. Sie sollten ihren Favoriten einschicken, weshalb wir den Anspruch haben dürfen, den eidgenössischen Weinliebling zu küren. Nicht den besten, das wäre vermessen.
Neben den Händlern fragten wir alle Winzer, die mit einem Weiss-wein in der renommierten Vereinigung «Mémoire des Vins Suisses» vertreten sind, sowie einige weitere ausgewählte Produzenten. Viele schickten unaufgefordert einen Wein ein. Dieses Bemühen honorierten wir, indem wir die Weine in den Wettbewerb aufnahmen. Die Prämissen: Stillwein aus der Schweiz, trocken, weiss. Rebsorten, Herkunft und Preis egal.
Aber 70 Weine? Ist das seriös in drei Stunden degustierbar? Die Zürcher Winzerlegende Hermann «Stikel» Schwarzenbach: «Bei Rotweinen hätte ich meine Bedenken. Bei Weissen gehts.» Aber es brauchte in der Bar in einem der faszinierendsten Hotels der Schweiz, dem Art Deco Montana in Luzern, jedenfalls höchste Konzentration.
Schwarzenbach hat gut lachen: Der Meilener hat den Wettbewerb mit seinem Sauvignon Blanc 2017 gewonnen. Auch der Bündner Topwinzer Roman Hermann hat diesen Wein ganz vorne gesehen. Warum? «Er überzeugte mich mit seiner klassischen Frucht, den typischen Stachelbeeraromen, und er hat einen langen Abgang. Die Frische ist fast frech, er ist der saftigste aller Sauvignons.» Ein Zürcher Sauvignon als Sieger? Eine kleine Sensation. Ebenso der Preis. Denn Schwarzenbachs Sauvignon ist der preisgünstigste aller Top-20-Weine. 18.50 Franken.
Die zweite Überraschung: Der vierte Platz des Volg-Sauvignons. Ein Favorit von Schwarzenbach: «Der macht für einen Sauvignon Sinn. Da würde ich alleine eine Flasche trinken.» Vier der sechs Sauvignons schafften es in die Top Ten.
Und die Kantone? 12 der 20 Topplätze gingen in das Wallis, den mit Abstand grössten Weinkanton. Allerdings schafften es nur die drei renommierten Assemblagen Clos de Tsampéhro, Eclat von Provins und Blanc d’Y der Cave La Rodeline in die Top Ten.
Auf drei der fünf vordersten Plätze landeten Bündner Weine. In die Top 20 schaffte es mit dem weissen Castello di Morcote ein einziger Tessiner – das Tessin ist definitiv Merlot-Land – und zwar nicht Merlot Bianco...
Aber kein einziger Waadtländer schaffte es in die Top 20. War der Apicius Clos du Châtelard aus Villeneuve beim Rotwein-Ranking noch auf Platz zwei gelandet, so erleidet der Weisswein-Kanton schlechthin jetzt Schiffbruch. Den Besten findet man erst auf Platz 26.
Und es ist einer der preiswertesten: Der Epesses Vin Vaudois Grandvaux Léderrey von Aldi für 11.85 Franken. Keine Sensation ist das schlechte Abschneiden der Chasselas-Traube, die in solch einem Wettbewerb mangels Potenz und Säure regelmässig untergeht. Der beste landete auf Platz 21, der bei Spar erhältliche Fendant Tschangerang von Thomas Mathier aus Salgesch.
«Eine tolle Weissweinserie, wobei sich zwei Typen herauskristallisiert haben», resümiert Toni Ottiger. «Typische Sommerweine und im Barrique ausgebaute.»
Auch Master of Wine Ivan Barbic war angetan: «Es hatte viele gute und tiefgründige Weine. Die besten waren enorm komplex.»
«Es hatte fantastische Weine. Auffällig: Nicht nur schwere, auch sehr elegante», lautet Hermann «Stikel» Schwarzenbachs Urteil. Roman Hermann lobt die frische Säure vieler Weine: «Man sieht die riesige Vielfalt unserer Weissweine. Fantastisch!» Und der Hausherr, der portugiesische Sommelier José Carvalho? «Das sind Topweine auf sehr hohem Niveau. So vielseitig wie die Schweiz.»
DER SIEGER: SAUVIGNON BLANC 2017 WEINBAU REBLAUBE SCHWARZENBACH MEILEN ZH
Der beliebteste Schweizer Weisswein wird ausschliesslich in Stahltanks ausgebaut, sieht also kein Holz. Die Trauben werden in zwei verschiedenen Stadien geerntet, um einerseits die grünliche Peperoni-/Holunder-Aromatik einzufangen, anderseits auch die exotischen Fruchtkomponenten wie Litschi und Passionsfrucht einzubinden. Dieser Sauvignon besticht durch schöne Mineralität und Frucht, weist leichte Kohlensäure und Sauvignon-typische Stachelbeer-, Brennnessel-sowie Schweissnoten auf, zeigt eine frische Säure, ist perfekt austariert und glänzt mit einem erstaunlich langen Finale.
17,4 Punkte von 20. 18.50 Franken, www.reblaube.ch.
DIE RÄNGE 11 BIS 20: FEST IN WALLISER HAND!
11. Petite Arvine Les Tonneliers Maison Gilliard, Sion VS. 16,8/20 (26 Fr., www.gilliard.ch)
12. Domaine de Ravoir Blanc 2016, Albert Mathier, Salgesch VS. 16,8/20 (44 Fr., www.landolt-weine.ch)
13. Ambassadeur des Domaines weiss 2013, Nouveau Salquenen Adrian & Diego Mathier, Salgesch VS (Foto). 16,8/20 (39 Fr., www.salgescher-Weinkeller.ch)
14. Petite Arvine 2016, Histoire d’Enfer, Corin VS. 16,8/20. (32 Fr., www.smithandsmith.ch)
15. Bianco di Merlot 2016, Castello di Morcote, Morcote TI. 16,8/20 (39.50 Fr., www.boucherville.ch)
16. Traminer Vully 2016, Cru de l’Hôpital, Môtier FR. 16,8/20 (28 Fr., www.cru-hopital.ch)
17. Petite Arvine Les Pyramides 2017, Nouveau Salquenen Adrian & Diego Mathier, Salgesch VS. 16,8/20 (24 Fr.,www.mathier.com)
18. Chardonnay Vieilles Vignes 2015, Histoire d’Enfer, Corin VS. 16,8/20 (59.90 Fr., www.globus.ch)
19. Petite Arvine Maître de Chais 2016, Provins, Sion VS. 16,7/20 (24.95 Fr., www.mondovino.ch)
20. Coeur de Domaine Blanc 2016, Rouvinez, Sierre VS. 16,7/20 (38 Fr., www.famillerouvinez.com)
DIE JURY: DIESE SECHS EDELNASEN DEGUSTIERTEN
Hermann «Stikel» Schwarzenbach (62) ist eine Winzerlegende am Zürichsee, war federführend bei der Renaissance der Zürcher Sorte Räuschling und übergab den Keller 2016 seinem Sohn Alain. Sein Lieblingswein: der Trimmis Sauvignon Blanc der Volg Weinkellereien mit der Tageshöchstnote von 19 Punkten!
Toni Ottiger (63) ist die Nr. 1 in der Innerschweiz und Pionier der Region. Das Weingut des Ex-Bankers in Kastanienbaum liegt direkt am Vierwaldstättersee. Für ihn top: Clos de Tsampéhro und der Siegerwein.
Roman Hermann (31) hat 2017 das Weingut seiner Eltern Peter und Rosi nach Lehrjahren bei den Legenden Georg Fromm und Friedrich Becker in der Pfalz übernommen. Er keltert in Fläsch GR tolle Completer, Chardonnay und Pinot Noir. Sein Favorit: Sein eigener Chardonnay... Was natürlich nicht in die Wertung kam.
José Carvalho (43) ist eidg. dipl. Sommelier und seit zwei Jahren Sommelier im Vier-Sterne-Superior Art Deco Hotel Montana Luzern. Der Portugiese, dessen Mutter in der Region Dão Wein macht, liebt die Weine aus Alentejo. Seine Favoriten: Chardonnay Hermann, der Ronco Bain von Brivio, Eclat und der Siegerwein.
Ivan Barbic (51) ist einer von drei Schweizer Masters of Wine, also Inhaber des weltweit bedeutendsten Weindiploms. Er ist strategischer Einkäufer bei Weinimporteur Bataillard in Rothenburg LU. Sein Favorit: der Chardonnay Vieilles Vignes von Histoire d’Enfer aus Corin VS.
Alain Kunz (55) ist Redaktor der Blick-Gruppe, schreibt über Fussball und Wein, was in der Schweiz wohl einmalig ist. Seine Wein-Kolumne erscheint auf blick.ch/life. Lieblingsweine: Eclat von Provins und der Fläscher Chardonnay von Christian Hermann.
DER EINZIGARTIGE TATORT: ART DECO HOTEL MONTANA IN LUZERN
Als faszinierende Kulisse für die grosse Weisswein-Verkostung konnten wir das Art Deco Hotel Montana in Luzern gewinnen. Ein Haus hoch über Luzern, das See und Stadt dominiert. Stolz ist es, von der «Sonntagszeitung» in deren jährlich erscheinenden Rating zum Hotel des Jahres 2018 gekürt worden zu sein. Hoteltester Hans R. Amrein schreibt dazu: «Ich kenne viele Hotels in der Schweiz, in Europa, weltweit. Ich verbringe als Hoteltester mein halbes Leben in Hotelräumen. Doch es zieht mich immer wieder in dieses mächtig über dem See thronende Hotel. Nicht bloss wegen der Jam-Sessions und der einzigartigen Lage und Aussicht. Es ist diese spezielle Stimmung im Haus. Alles ist ein wenig anders als in anderen Hotels.»
Fürwahr. Mit der kürzesten Standseilbahn der Welt geht’s von der Seepromenade direkt in die Hotellobby. Louis-Bar und Hemingway-Rum-Lounge versprühen den Charme des Chicago der 30er-Jahre. Die Küche im Scala ist dem GaultMillau 15 Punkte wert. Der Beach-Club erinnert an eine Openair-Bar in Miami. In den Penthouse-Suiten blubbert das Wasser der Whirlpools auf den Balkonen. Wie gesagt: Gastgeber Fritz Erni, der das Haus seit 20 Jahren leitet, hat ein Hotel ausserhalb des Alltäglichen kreiert.
WO GIBTS WAS ZU DEGUSTIEREN?
* Montag, 11. Juni. 12 bis 19 Uhr. Lebanese Wine Day. Der Libanon – eines der ältesten Weinbauländer der Welt. Seit 5000 Jahren wird hier Wein angebaut. Heute werden Topcrus gekeltert, die in die ganze Welt exportiert werden. 32 Produzenten stellen die ganze Vielfalt an Spitzenweinen aus den Gebieten Bekaa, Batroun, Mont Liban und Jezzine vor, wie das berühmte Château Musar (Foto). Gratis. Anmeldung erwünscht. Park Hyatt Hotel Zürich. www.mettlervaterlaus.ch.
* Montag, 25. Juni. 16 bis 21 Uhr. Zürcher Winzer goin' downtown. Die Werkschau des Zürcher Weins unter freiem Himmel. Was die Zürcher Winzer mittlerweile in die Flaschen bringen, ist aller Ehren wert. Überzeugen Sie sich von der faszinierenden Qualität ihrer Weine, wenn die Bauern von den Hügeln heruntersteigen, mitten in die City. 40 von ihnen präsentieren ihre Spitzencrus. Dazu gibts Käsespezialitäten von Natürli Züri Oberland. Eintritt: CHF 20.-- (Tageskasse). Kreuzgang des Fraumünsters, Stadthausquai, Zürich. www.mettlervaterlaus.ch.