Für Sie degustiert: Rocche dei Manzoni
Eine Wein-Kathedrale – so kitschig wie von Gucci

Ist das nun too much? Oder genial? In der Wein-Kathedrale von Rocche die Manzoni stellt man sich unweigerlich diese Frage. Auch ich bei meinem Besuch. Und: Sind auch die Weine kitschig?
Publiziert: 29.05.2018 um 18:18 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 20:55 Uhr
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Die Treppengeländer wie aus Harry Potters Hogwarts. Die Malerei wie von Gucci. Das ist die «Kapelle» von Rocche dei Manzoni.
Foto: Alain Kunz
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Alain KunzWein-Kolumnist

Das ist nicht die Geschichte eines historischen Weinguts. Nichts mit Adligen, mit Händlern aus Florenz, die seit Jahrhunderten im Piemont der Könige Wein machen. Nichts dergleichen. Dies ist die Geschichte einer Idee, einer Vision, die Valentino Migliorini hatte. Ein Sterne-Gastronom mit einer immensen Liebe für piemontesischen Wein.

1974 erwirbt er in Monforte d’Alba das Land, um seinen Traum vom eigenen Weltklassewein zu realisieren. Darauf ein Haus, das wohl eine gewisse Geschichte hat, die bis ins Jahr 1780 zurückgeht, aber keine im Zusammenhang mit Wein. Dort beginnt Valentino in einer Zeit, in welcher Weinbau alles andere als top ist, Reben anzupflanzen. Und nach dem Vorbild des Bordelais setzt er erstens auf Barriques und zweitens auch auf Assemblagen.

Önologe Giuseppe Albertino sinniert seit 35 Jahren über die Manzoni-Weine.
Foto: Alain Kunz

Migliorini trifft mit seinen Ideen voll ins Schwarze. «In den letzten 25 Jahren setzt der Boom ein», erklärt Giuseppe Albertino, seit 35 Jahren (!) Önologe bei Rocche dei Manzoni, also seit Beginn weg. «Mittlerweile haben wir 50 Hektaren unter Reben und produzieren 250 000 Flaschen jährlich, was sehr wenig ist für diese Hektarenzahl. Aber es geht nur das Beste in die Flaschen. Das weniger gute Traubenmaterial verkaufen wir als ‘Sfuso’, also offen an Abfüller und Supermärkte.»

Der private Gästebereich des Gutes lässt keine Wünsche offen.
Foto: Alain Kunz

Fünf verschiedene Aziende gehören mittlerweile zum Imperium von Rocche die Manzoni. Vinifiziert wird aber ausschliesslich in Monforte. Gelagert auch, denn es stehen nicht weniger als 1 bis 1,4 Millionen Flaschen hier rum, die darauf warten, zum besten Zeitpunkt auf den Markt gebracht zu werden.

Hat jemand Kitsch gesagt?
Foto: Alain Kunz

Der Keller? Kitsch pur! Es ist, wie wenn sich die Designer von Gucci hier verwirklicht hätten… Zwei Jahre dauerte zum Beispiel die Bemalung der Kuppel. Viele Säulen zieren diese Kathedrale, welche Migliorini in einem massiven Anflug von Understatement als «Kapelle» bezeichnet hat. Marmor, soweit das Auge reicht. Treppen, die an jene in Harry Potters Hogwarts erinnern. Vini d’Italia bezeichnet die Kapelle als «phantasmagorisch». Was so viel bedeutet wie bizarr, gespenstisch, traumhaft. Und das alles zusammen…

Berühmt wurde das Gut, das seit dem Tod von Valentino 2007 im Alter von erst 67 Jahren von dessen Sohn Rodolfo geleitet wird, mit seinen Baroli. Logisch in Monforte. Doch mittlerweile haben es die Schaumweine auf dieselbe Stufe gebracht. Der Valentino Brut Zero Riserva wird mittlerweile mit gleicher Regelmässigkeit mit drei Gläsern bedacht wie die diversen Baroli.

Es schlummert: Der Valentino Brut Zero Riserva 2005, wie alle Schaumweine auf Rocche dei Manzoni ein Jahrgangswein.
Foto: Alain Kunz

Die Trauben werden alle handgelesen und in der Nacht auf zehn, elf Grad runtergekühlt. «Wir pressen sie erst am anderen Morgen», erklärt Beppe, weshalb die Bollicine so frisch daherkommen. Und: Es sind ausschliesslich Jahrgangsweine! Speziell ist auch: Nur einem einzigen Wein wird Dosage von sechs bis sieben Gramm zugesetzt. Alle anderen sind Zero-Dosage-Weine. Das Vorbild ist ganz klar die Champagne. Mittlerweile werden 70 000 blubbernde Flaschen produziert, Tendenz steigend.

Barolo in den Venen – und wir zapfen diesen Lebenssaft höchstgerne an.
Foto: Alain Kunz

Und auch da gibt es eine ganz spezielle Story dazu. Albertino erzählt sie: «Jede Nacht läuft im Keller, in welchem der Valentino Brut lagert, vier Stunden die ‘Sinfonia per il vino’ von Ezio Bosso. Musik sendet Wellen aus. Studien haben gezeigt, dass mit und ohne Musik vinifizierte Weine verschieden sind. Seit zwölf Jahren arbeiten wir an diesem Konzept. 2016 haben wir es vorgestellt.» Zumindest die Drei-Gläser-Nennungen sprechen nicht gegen die musikalische Berieselung.

DIE WEINE VON ROCCHE DEI MANZONI

Einige Weine werden im Detail vorgestellt. Einige nur mit der Punktzahl. Beginnen wir mit den Schaumweinen:

  • Valentino Brut Rosé Zero 2011: Fruchtig, Rosen, leichte Hefe, feine Perlage, knackige Säure, trinkig, Zitrone, mittleres Finish. Score: 17/20 (CHF 48.--)
  • Valentino Brut Zero Riserva 2005. Score: 16,5/20 (CHF 44.80)
  • Valentino Brut Riserva Elena 2011 (Foto, 6 bis 7 g Zucker): Dezente Nase, Würze, Säure, Limetten, Grapefruit, frisch, knackig, Fülle, enorm süffig, wunderbar! Score: 17,5/20 (CHF 29.60).

 

Die Roten von Rocche dei Manzoni:

  • Barbera d’Alba La Cresta 2014. Score: 16,5/20 (CHF 24.50 statt 27.30 für Jahrgang 2015)
  • Barbera d’Alba Superiore Sorito Mosconi 2010: Rosennase, etwas Parfüm, Chriesi, sehr Frisch, expressiv, Kräuter, etwas Äthanol, Piemont-Typizität, frisches, recht langes Finale. Giuseppe sagt: «Die Lebensdauer dieses Weines beträgt problemlos 20 Jahre». Erstaunlich für Barbera! Score: 17/20 (CHF 33.10 für Jahrgang 2012)
  • Langhe Nebbiolo 2014. Score: 16,5/20 (CHF 27.70 für Jahrgang 2015)
  • Bricco Manzoni 2011 (80% Nebbiolo, 20% Barbera): Ausladende, typische Rosennoten, viel Kirschen, Mineralität, Fruchtsüsse, süffig, etwas Parfüm, rechte Tannine, lang. Score: 17/20 (CHF 34.80)
  • Quatr Nas 2010 (Foto, 50% Nebbiolo, je ein Drittel Cabernet Sauvignon, Merlot und Pinot Noir): Wunderschöne Nase, Rosen, Nüsse, Würze, leichtes Parfüm, trinkig, elegant-feingliedrig, minime Tannine, Fülle, mittlerer Abgang, sehr frisch. Score: 17,5/20 (CHF 43.60 für Jahrgang 2011)

 

  • Barolo 2012: Rosen, Rauch, mineralisch, elegant, leichtfüssig, Schmelz, trinkig, reife feinkörnige Tannine, Power, Würze, langes Finale. Score: 18/20 (CHF 49.20 für Jahrgang 2013)
  • Barolo Big’d Big 2009. Score: 18/20 (in der Schweiz nicht erhältlich)
  • Barolo Villa Capella di Santo Stefano 2012: Tolle, ausladende Nase, Rosenblüten, Chriesi, reife Tannine, typisch, Kräuter, Frische, Länge. Score: 18/20 (CHF 79.90 für Jahrgang 2011)
  • Barolo Vigna Madonna Assunta La Villa 2007 (Foto): Wunderschön rauchig-mineralische Nase, Rosen, Parfüm, weiche Tannine, die immer spürbarer werden, Druck, Power, Frische, nussig, unglaubliche Fülle, die einen total einnimmt, ja einlullt, und nicht mehr loslässt, fantastisch, grandios, wahnsinnig lang. An der Grenze zur Perfektion! Score: 19,5/20 (CHF 176.--)

Und einer vom Zweitgut Pianpolvere:

  • Barolo Pianpolvere Soprano Bussia Riserva 2008: Komplexe Nase, Rosen, Parfüm, Kirschen, voll auf Understatement gemacht, perfekte Harmonie, reife, feine Tannine, Schmelz, Eleganz, aristokratisch mit einem Anflug Fruchtsüsse, Superlänge! Sensationeller Wein! Score: 19/20 (CHF 148.50).

(Die Weine von Rocche dei Manzoni gibts bei www.wyhusbelp.ch oder www.steinfelswine.ch)

 

 

 

 

 

 

 

WEIN DER WOCHE: ALBAROSSA VON BANFI

Banfi-Hospitality-Direktorin Elisabeth König zeigt voller Stolz den Albarossa.
Foto: Alain Kunz

Das Renommiergut Banfi aus der Toskana hat im Piemont seit 1979 eine kleine Dependance. Unter anderem produzieren sie dort einen Piemonte-DOC namens La Lus, das Licht. Das Spezielle daran: Er wird aus der seltenen Rebsorte Albarossa 2015 (Foto) gewonnen, einer Kreuzung aus den 30er-Jahren zwischen den piemontesischen Hauptsorten Nebbiolo und Barbera. Merkmale: Runde Tannine und lange Lagerungsfähigkeit. Das Resultat: eine schöne Fruchtnase, würzig, spannend, etwas Fruchtsüsse, genau getimte Säure, viel Schmelz, hochgradig trinkig, gebietstypisch, wunderbare Tannine, tolle Länge. Sehr viel Wein für nicht so viel Geld! Score: 17,5/20 (CHF 19.50. www.bindella.ch).

WINZER DER WOCHE: CASTELLO DI NEIVE

Das Castello di Neive ist integrierender Bestandteil des gleichnamigen Barbaresco-Dörfchens.
Foto: ZVG

Da trifft man jahrelang kaum je auf Albarossa – und nun gleich doppelt. Denn auch das Castello di Neive, ein Produktionsbetrieb inmitten des malerischen Barbaresco-Dörfchens Neive, keltert einen solchen. 1964 erwarb die Familie Stupino das in Trümmern liegende Schloss aus dem 18. Jahrhundert, renovierte und begann herausragende Weine zu produzieren. Mittlerweile wird in einer hochmodernen Kellerei am Ortsrand von Neive gekeltert. Gelagert werden die Weine indes immer noch im altehrwürdigen Schloss. Schauen wir uns die Weine im Detail an, wobei die drei Basisprodukte solid sind, aber nicht herausragend. Der Barbera Santo Stefano (darüber gibt es noch eine Riserva) macht schon ordentlich Trinkspass, der Albarossa macht enormen Spass und der Barbaresco ist herausragend!

  • Langhe Arneis Montebertotto 2016. Score 16/20 (CHF 19.90)
  • Dolcetto d’Alba Basarin 2013. Score 16/20 (CHF 26.20)
  • Barbera d’Alba 2016. Score: 16/20 (CHF 19.90)
  • Barbera d’Alba Santo Stefano 2015: Kräuterig-minzige Nase, Frisch, zältlig, leichtes CO2, Power, medizinal, trinkig, mineralisch, feingliedrig, lang. Score: 16,5/20 (CHF 27.50)
  • Piemonte Albarossa 2015: Fruchtnase, floral, chriesig, Schmelz, nur dezente Säure, wild und ursprünglich, Tannine, frisch, füllig, spannend, rechtes Finale. Score: 17/20 (CHF 32.50)
  • Barbaresco Santo Stefano 2012 (Foto): Eher dezente, floral-kräuterige Nase, Schmelz, Power, reife Tannine, feingliedrig, frisch, trinkig, tolle Länge, macht rundum Spass. Score: 18/20 (CHF 55.--)

(Die Weine des Castello die Neive gibts bei www.zweifelvinarium.ch)

BUCHTIPP: OSTERIE D’ITALIA

Das Ostu di Djun: wild, einzigartig, legendär – wie Gastgeber Luciano Marsaglia.
Foto: Alain Kunz
Luciano and I.
Foto: Alain Kunz


 

Die ersten Italien-Reise mit der neuen Ausgabe meines Lieblings-Restaurantführers steht an: Vier Tage Piemont. Im Gepäck: Osterie d’Italia 2018/19 von Slow Food. Neu drin in meiner Destination: Die Osteria Veglio in La Morra. Ein wohl traditionsreiches Haus, das ein wenig angestaubt war. Die junge Generation hat ihm 2015 neues Leben eingehaucht. Grandios: Die Terrasse respektive der Ausblick von ebendieser.

Immer drin: Meine absolute Lieblings-Osteria in der Region Alba: Das Ostu di Djun in Castagnito. Erstens: Es gibt nur Magnums. Zweitens: Der Chef ist ein Typ, den die Spanier als Loco bezeichnen würden: Die Einnahmen hortet er unter dem Kopfkissen; er ist ein Torino-Aficionado (es geht um Fussball); er lässt seine Mitarbeiter Visitenkarten malen. Drittens: Er macht den Kaffee für den Corretto auch schon mal mit ausschliesslich Grappa statt Wasser. Viertens. Die Küche von Mamma Francesca ist herausragend.

Und weshalb ist dieses Buch so toll? Weil die vorgestellten Betriebe vor allem eines sein müssen: authentisch! Eine gewisse Tradition muss dahinterstecken und die Küche muss regionaltypisch sein, das Terroir wiederspiegelnd. Kein Schischi, kein Glamour. Echte, unverfälschte Italianità. Und es gilt eine Preisobergrenze von 50 Euro für das (mindestens dreigängige) Menü. Also keine überteuerten Sterne-Schuppen. Suchen wir nicht alle genau diese Lokale?

(Osterie d’Italia 2018/2019. Über 1700 Adressen. Slow Food Editore. Hallwag-Verlag. 880 Seiten. ISBN  978-3-8338-6406-3. CHF 34.--. www.exlibris.ch)

PROVINS GOES ZÜRICH

Provins-Deutschschweiz-Chef Roman Jurt und Marktmanager Mathias Gallo.
Foto: ZVG

Der grösste Schweizer Weinproduzent, die Genossenschaft Provins aus Sion, die zehn Prozent (!) der Gesamtproduktion der Schweiz in Flaschen bringt, erobert die Deutschschweiz! 88 Jahre nach der Gründung eröffnet sie die erste Filiale ausserhalb des Wallis. Unter der Leitung von Roman Jurt trifft man Provins nun in Zürich-Altstetten an, wo ein Showroom und Räume für Events und Degustationen untergebracht sind. Doch das ist erst der Anfang. 2010 soll in der Nähe des Hauptbahnhofs Zürich ein Concept Store eröffnet werden. Es wird der fünfte sein nach denjenigen in Sion, Sierre, Leytron und Martigny. Noch dieses Jahr werden Läden in Susten und Brig eröffnet. «Ohne die deutsche Schweiz werden wir nicht gewinnen», sagt Provins-CEO Raphaël Garcia. «Es wird Zeit, dass auch die Deutschschweiz uns besser kennenlernt.»

Provins-CEO Raphaël Garcia freut sich, am 6. Juni wieder Gastgeber eines Wine & Dine zu sein.
Foto: Alain Kunz

Übrigens:  Kurz vor der Abstimmung am 10. Juni versucht Provins nochmals mobil zu machen für Sion 2026. Mit einem Dîner Olympique, einem Wine & Dine im Savoy Hotel Baur en Ville in Zürich. Am 6. Juni startet dieser öno-gastronomische Halbmarathon mit Provins-Topweinen mit einer Rarität als Apéro, einem Fendant Pierrafeu 1993. Romaine Jean, Kommunikationsdirektorin Sion 2026, und Ständerat Hans Stöckli, OK-Vizepräsident, werden über das Projekt informieren.

Es gibt fünf Gänge mit passenden Topweinen, so auch die Renommier-Assemblagen Eclat (weiss) und Electus (rot) sowie der Spitzen-Süsswein Domaine de Tourbillon. Das W&D kostet CHF 150. —pro Nase. Anmeldung so schnell als möglich unter bankett@savoy-zuerich.ch.

Der Weintipp dazu: Einer der Weine, die an diesem Wine & Dine ausgeschenkt werden, ist der Eclat 2015, eine Assemblage aus Petite Arvine und Heida. Ausladende Nase, voller Frucht, Ananas, Pfirsich, Zitrone, leichter Vanilletouch, Banane, ruht in sich, Power, im Gaumen Opulenz, dann knackig, wieder Agrumen, trinkig, gross! Score: 18/20 (CHF 75.--. www.provins.ch)

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