Übrigens – die Kolumne zur DFB-Krise
Der deutsche Fussball im tiefen Elend

Fussball-Deutschland steckt in einer tiefen Sinnkrise. Die Kolumne von Reporter Felix Bingesser.
Publiziert: 13.08.2023 um 18:59 Uhr
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Gary Linekers Spruch ist Kult: «Fussball ist ein einfaches Spiel. 22 Männer jagen 90 Minuten dem Ball hinterher und am Ende gewinnen die Deutschen.»
Foto: AFP
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Felix BingesserReporter Sport

Gary Lineker, einst ein Spieler von Weltklasseformat und nach der Karriere einer der pfiffigsten Fussballexperten, prägt 1990 den Spruch: «Fussball ist ein einfaches Spiel. 22 Männer jagen 90 Minuten dem Ball hinterher und am Ende gewinnen die Deutschen.»

Der deutsche Fussball steht damals in seiner Blüte. 1990 wird man Weltmeister. Ein Jahr zuvor fällt die Mauer. Und Trainer Franz Beckenbauer sagt: «Mit all den Talenten aus der ehemaligen DDR ist der deutsche Fussball auf Jahre hinaus unschlagbar.»

Und jetzt? Jetzt steckt der deutsche Fussball in der grössten Identitätskrise seiner Geschichte. Gary Lineker korrigiert nach dem frühen Ausscheiden der Deutschen bei der WM in Russland bereits 2018 seinen Spruch erstmals: «Fussball ist ein einfaches Spiel. 22 Männer jagen 90 Minuten dem Ball hinterher und am Ende gewinnen nicht mehr immer die Deutschen.»

Und weil Deutschland auch in Katar schon in der Gruppenphase die Segel streicht, bessert Lineker nochmals nach: «Wer auch immer gesagt hat, dass Fussball ein Spiel ist, in dem 22 Männer 90 Minuten dem Ball hinterherrennen und am Ende immer die Deutschen gewinnen, der hat keine Ahnung.»

Fussballdeutschland im Jammertal

Tatsächlich fällt der einst stolze Deutsche Fussball-Bund, der grösste Sportverband der Welt, immer tiefer. Der Sinkflug der Männer beginnt schon unter Joachim Löw und setzt sich jetzt mit Hansi Flick fort. Bei der U21 in diesem Jahr scheidet Deutschland als Gruppenletzter aus. Auch für die mit Titelambitionen gestarteten Frauen ist bei der WM in Australien und Neuseeland schon nach der Gruppenphase Schluss. Fussballdeutschland im Jammertal.

Es wird geklagt, nach Ursachen geforscht, gestritten. Man redet von neuen Ausbildungssystemen, davon, dass man die Entwicklung in allen Bereichen verschlafen hat. Man sucht Schuldige. Und findet sie nicht so richtig. Ratlosigkeit greift um sich.

Auch die 1963 aus der Taufe gehobene Bundesliga glänzt nicht mehr wie einst. Andere europäische Topligen, allen voran die Premier League, sind längst vorbeigezogen.

Trotzdem ist die Bundesliga eine Erfolgsstory – und der Rückblick des deutschen Fernsehens auf diese 60 Jahre beste Unterhaltung.

Vielleicht sollte man sich in der jetzigen Krise wieder auf alte Tugenden besinnen. Felix Magath beispielsweise erklärt in diesem Bundesliga-Rückblick, wie die taktischen Besprechungen von Erfolgstrainer Ernst Happel einst verlaufen sind: «Er hat sich die Brille zurechtgerückt, in sein Büchlein geschaut und gesagt: Heute spielen wir hin und her. Viel Glück.» Dafür hat Happel die Kinder der Spieler in der Kabine im Whirlpool baden lassen und einen tollen Teamgeist kreiert.

Vielleicht ist das Einfache das Mittel zum Erfolg. Und irgendwann wird es im deutschen Fussball auch wieder aufwärtsgehen. «Schau'n mer mal. Dann seh'n mer schon», hat Franz Beckenbauer schon früh erkannt.

Wenigstens sorgt der deutsche Fussball für den ersten Rekord der Saison. Trainer von Hertha Berlin ist Pal Dardai. Mit Palko (24), Marton (21) und dem 17-jährigen Bence Dardai stehen alle seine Söhne im Kader der Hertha. Eine solche Konstellation hat es im Profifussball noch nie gegeben.

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