«Don’t Forget My Name» heisst ein Lied, das Jan Hiermeyer 1989 veröffentlichte. Heute kann man getrost sagen: Die (älteren) Schweizer Sport-Fans haben den Namen des ehemaligen TV-Reporters, Moderators und Country-Sängers nicht vergessen.
Hiermeyer war vieles. Während fast 20 Jahren führte er durch die Sendung «Spiel ohne Grenzen». Er war Sportpanorama-Moderator. Er war Dauergast an Olympischen Spielen. Er kommentierte Fussballspiele, Eishockey-Matches, Eiskunstlaufen und noch unzähliges mehr.
Der Start in sein Leben? Er war herausfordernd. Als 13-Jähriger erfuhr der Schaffhauser per Zufall, dass seine vermeintlichen Eltern gar nicht die leiblichen waren. Da seine Mutter zehn Tage nach seiner Geburt gestorben war und sein biologischer, französischer Vater ein unstetes Leben als Künstler führte, wurde er von der Schwester seiner verstorbenen Mutter adoptiert.
Nie mehr Drogen!
Schon früh faszinierte ihn der Sport. Als Torhüter schaffte er es bei den Young Fellows Zürich bis in die Nationalliga A. Eine Verletzung liess den Traum vom Profisportler aber jäh platzen. Als er 1954 zum eben erst gegründeten Schweizer Fernsehen kam, gab es dort noch gar keine eigene Sportabteilung. Deshalb wurde er bald einmal zum ersten Sportchef ernannt.
«Es war eine verrückte Zeit», erzählte Hiermeyer Blick, als er 40 Jahre später beim Fernsehen verabschiedet und in Rente geschickt wurde, «alles musste selbst gemacht werden. Und alles war sehr pannenanfällig. Wir waren nach den Sendungen jeweils fix und fertig.»
Das erste Mal selbst vor der Kamera stand Hiermeyer 1956. Als 27-jähriger Grünschnabel präsentierte er «Hopp Schwiiz», eine Sendung über den Schweizer Fussball. Später verriet er, dass er sein Debüt im Drogenrausch bestritten hatte. Weil er damals vor seiner Premiere extrem nervös war, verabreichten ihm die TV-Verantwortlichen Stuka-Tabletten.
Was Hiermeyer nicht wusste: Die Tabletten waren von deutschen Sturzkampfflugzeug-Piloten (sogenannte Stukas) im Zweiten Weltkrieg als Aufputschmittel benutzt worden. Hiermeyer über die ungewollten Folgen des Drogenkonsums: «Eine unglaubliche Hitze stieg in mir hoch. Ich hätte am liebsten den Eichentisch, an dem ich sass, hochgestemmt und in die Kamera geschmissen. Das war das erste und letzte Mal in meinem Leben, dass ich eine Droge geschluckt habe.»
Plötzlich war er in der DDR
Heiss wurde es ihm in jener Zeit auch während einer Begegnung mit der aktuellen Miss World. Mangels Umkleidekabinen montierte man damals in einer Ecke einen Vorhang. «Ein Arbeitskollege sagte mir, dass unter dem Vorhang ein Mikrofon am Boden liege. Ich solle besser aufpassen, denn die Dinger seien heikel und teuer.» Deshalb ging Hiermeyer zum Vorhang und riss ihn auf, um das Mikrofon aufzuheben. «Da steht die Miss World vor mir, so wie der Herrgott sie erschaffen hat …» Sehr zur (Schaden-)Freude seiner Kollegen, die ihn absichtlich hinter den Vorhang geschickt hatten.
Ähnlich legendär war auch eine Anekdote aus dem Jahr 1961. Im Entscheidungsspiel für die WM 1962 traf die Schweiz in Berlin auf Schweden. Weil Hiermeyer nach dem Spiel nicht schlafen konnte, verliess er frühmorgens das Hotel und schlüpfte durch einen Bretterverschlag. Erst wenige Wochen zuvor hatte die DDR mit dem Bau der Mauer begonnen. Auf einmal stand er vor einem Plakat mit der Aufschrift: «Achtung, Sie verlassen die DDR.»
Hiermeyer: «Plötzlich tauchte hinter einem Baum ein Mann auf. Total verängstigt, total zerlumpt. Er schrie mit hocherhobenen Händen: ‹Tun Sie mir nichts!›» Der Ostdeutsche glaubte, vor einem Geheimpolizisten zu stehen, und gestand, dass er flüchten wollte. «Ich beruhigte ihn, nahm ihn an der Hand und lief mit ihm über die Grenze. Drüben angelangt, kniete er auf den Boden und küsste den Asphalt.»
Einmal kam Hiermeyer selbst in eine brenzlige Situation. An den Olympischen Winterspielen in Innsbruck stand er als einziger Reporter des Schweizer Fernsehens im Einsatz. Deshalb durfte er auf gar keinen Fall krank werden und kommentierte trotz einer Hirnhaut-Entzündung einfach weiter. «Der Arzt sass mit der Spritze neben mir. Kaum war die Sendung vorbei, klappte ich zusammen und musste als Notfall ins Spital. Mein Leben hing an einem seidenen Faden.»
Als der Pfosten ein Tor schoss
Was Sportkommentatoren schon damals blühte: Kritik vom TV-Publikum und den Medien. Als die TV-Zeitschrift «Tele» über 200 Nationalliga-A-Fussballer fragte, wer der schlechteste Fussball-Reporter sei, «siegte» Hiermeyer mit grossem Vorsprung. Sein grösster Fauxpas? Geschehen beim Spiel zweier italienischer Mannschaften. Dort machte er aus einem Pfostenschuss ein Tor, erzielt von einem gewissen Palo. Dumm nur, dass es einen Palo gar nicht gab, denn Palo ist das italienische Wort für Pfosten. Hiermeyer hatte sich offenbar vom Palo-Schrei eines italienischen Reporter-Kollegen in die Irre führen lassen.
Nach seiner Pensionierung beim Schweizer Fernsehen widmete er sich vorwiegend seiner Karriere als Country-Sänger. Das letzte Lied auf seiner letzten CD hiess «I’m Movin On». Seit 2014 macht er hoffentlich im Himmel weiter. Damals starb er im Alter von 85 Jahren.