Schulhaus Banegg im aargauischen Waltenschwil. «Guten Morgen, Herr Winsauer», posaunen die Kinder der 5. Klasse im Chor. «Servus, meine lieben Kinder», sagt der Herr Winsauer und lächelt in die Runde. Das «Servus» verrät den Tiroler augenblicklich.
Michael Winsauer ist Lehrer. Und nebenbei der Trainer des FC Baden. Vom Klub, der im Frühling 2022 den Aufstieg in die Promotion League schafft. Im Sommer nach dem Aufstieg verpflichten die Badener ihren neuen Trainer vom regionalen Zweitligisten FC Sarmenstorf. Und sein Auftrag in Baden ist klar: Mit dem Abstieg nichts zu tun haben!
Es kommt anders, ganz anders. Winsauer führt den FC Baden sensationell in die Challenge League und damit in den Profifussball. Wobei die Formulierung «Profifussball» dem Jungtrainer nur ein Lächeln entlocken kann. «Profi ist bei uns auch in der Challenge kein einziger», sagt er.
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Auch der Trainer nicht. Der unterrichtet weiter als Klassenlehrer an der Dorfschule. Das Motto seiner Lehrertätigkeit steht auf einem gebastelten Plakat an der Tür zum Klassenzimmer. «Jeder von uns ist einzigartig. Aber zusammen sind wir ein Meisterwerk.» Ein Gedanke, der für ihn im Klassenzimmer wie auch auf dem Fussballplatz Gültigkeit besitzt. «Jeder, der sich wohl- und verstanden fühlt, kann das Optimum aus sich herausholen. Es ist für mich als Sportler eine Herausforderung, dies im Klassenzimmer und auf dem Fussballplatz zu beweisen.»
Winsauer ist also im Sinne des Wortes ein Fussball-Lehrer. Und seine Geschichte ist spannend. Der aus der Region Kitzbühel stammende einstige Abwehrspieler ist lange Profi in Österreich. Wechselt dann als erster Österreicher in die neuseeländische Liga zu Wellington. Dann verschlägt es ihn in die Schweiz. Nach einer Trainingswoche bei Murat Yakin in Thun gibt es keinen Vertrag. Er geht zum Challenge-League-Klub Wohlen. Dort ist er bald Captain. Und verliebt sich in Sandra, die Schwester von Ciriaco Sforza. Der mittlerweile zweifache Familienvater Winsauer wird sesshaft.
Wie will er jetzt mit seinen Amateuren im Profifussball bestehen? «Wir müssen tolle Rahmenbedingungen schaffen und einen aussergewöhnlichen Teamgeist entwickeln. Dann können wir auch in der Challenge League mithalten», ist er überzeugt. Aufgrund der sehr beschränkten finanziellen Möglichkeiten ist Kreativität gefragt. Winsauer setzt dabei auch auf den Pioniergeist im Team. «Es gibt Spieler, die reduzieren ihr Arbeitspensum von 100 auf 80 Prozent, ohne dass wir ihnen diesen Lohnausfall zusätzlich entschädigen können», sagt er.
In der neuen Saison wird also ein Amateurteam Teil der Swiss Football League sein. Bekannte Namen gibt es keine. Die gibt es nur in der Klubhistorie des FC Baden. Dort tauchen Namen auf wie Diego Benaglio, Jörg Stiel, Raimondo Ponte, Mladen Petric, Vedad Ibisevic, David Sesa oder Daniel Gygax.
Solche Kaliber findet man heute nicht. Dafür hat man mit dem Fussball-Lehrer Winsauer einen der spannendsten Trainer im Schweizer Fussball. «Ich war lange Profifussballer. Mir war oft langweilig. Vielleicht ist es gar nicht schlecht, wenn die Spieler arbeiten und eine Struktur und einen Tagesrhythmus haben», sagt er.