Influencer als Vorbilder
Schweizer Sportlerinnen schlagen aus Gesundheitswahn Profit

Die Schweiz lebt immer gesünder. Fussballerinnen und Skistars dienen dabei als Vorbilder. Das nutzen sie nun für Nebenverdienste.
Publiziert: 09.10.2023 um 20:07 Uhr
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Aktualisiert: 28.03.2024 um 09:26 Uhr
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Alisha Lehmann arbeitet mit der gleichen Firma zusammen wie Erling Haaland.
Foto: Getty Images
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Michael Hotz
Handelszeitung

Schon vor Social Media gab es Sportler, die zu Influencern avancierten. Ein hiesiges Beispiel dafür: Jakob «Jack» Günthard. In den 1970er-Jahren hielt der charismatische Zürcher Turner die Schweiz mit seiner TV-Sendung «Fit mit Jack» auf Trab. Seine grossen sportlichen Erfolge brachten dem mittlerweile verstorbenen «Vorturner der Nation» die nötige Glaubwürdigkeit ein, um als Vorbild in Sachen Fitness zu gelten. Eine Sportsperson muss körperlich fit sein, also weiss sie auch, wie ein gesunder Lebensstil geht.

Diese wohl etwas vereinfachte, aber durchaus auch Wahres beinhaltende Gleichung hat für viele Menschen weiterhin ihre Gültigkeit. Darum kauft sich die Managerin den gleichen Laufschuh wie die Marathonweltrekordhalterin Tigst Assefa. Darum fährt der HR-Chef die gleichen Ski wie das Skiass Marco Odermatt.

Aus dem Image des auf Gesundheit bedachten Sportstars lässt sich Profit machen. Das tun hiesige Athletinnen und Athleten auch. Und sie scheinen die sich im Trend befindende Sporternährung als neues Feld für ihr Portfolio an möglichen Werbepartnern erkannt zu haben – was durchaus einer gewissen Logik folgt, wie Dominik Schwizer, Sportökonom und Dozent für Sportmanagement an der FH Graubünden, konstatiert: «Es ergibt für Sportlerinnen und Sportler durchaus Sinn, wenig erklärungsbedürftige Werbung für Produkte wie Sportnahrung zu machen.»

Ein Holdener-Riegel und ein Protein-Drink der GC-Influencerin

Es lässt sich zumindest festhalten: In letzter Zeit sind verschiedene Schweizer Sportpersönlichkeiten Engagements mit Firmen aus der Sporternährungsbranche eingegangen. Seit diesem Sommer sitzen etwa die beiden Skifahrerinnen Wendy Holdener und Michelle Gisin im Boot der Schweizer Marke Nutriathletic, die Nahrungsergänzung für Sportlerinnen und Sportlerinnen vertreibt. Die zwei Olympiasiegerinnen sollen, so das Versprechen des Unternehmens aus Wollerau, ihre Praxiserfahrung als Athletinnen in den Entwicklungsprozess von neuen Produkten einbringen. Von Holdener, die auch Patin zweier Eiskaffe-Sorten ihres Hauptsponsors Emmi Caffé Latte ist, gibt es bereits einen «eigenen» Riegel zu kaufen.

Ein veganes Proteingetränk von der Fussballerin Ana Maria Marković ist seit letztem Frühling auf dem Markt. Die Spielerin des Grasshopper Clubs Zürich verletzte sich Anfang März 2023 schwer am Knie. Die Zwangspause von rund einem Jahr hat die kroatische Nationalspielerin genutzt, um eine eigene Firma zu gründen, mit der sie nun ein Protein-Wasser namens Reloadz vertreibt. «Um unsere Kunden und Kundinnen zu erreichen, setzen wir vor allem auf soziale Medien», sagte die Gründerin gegenüber der «Handelszeitung». Das tut ihr Unternehmen Positive Impactz (Switzerland) Aktiengesellschaft mit Sitz in Zug nicht ohne Grund: Marković gilt auch als Influencerin, hat sie doch auf Instagram rund drei Millionen Follower.

Die Insta-Queen der Nati und das fragwürdige Hype-Getränk

Social Media hat sich für Profisportlerinnen und -sportler zu einem zusätzlichen Asset entwickelt. Ihre digitale Fangemeinschaft ist für mögliche Sponsoren eine zusätzliche Werbekundschaft, die potenziell erreicht werden kann. Dies bietet nicht nur globalen Superstars wie dem fünffachen Weltfussballer Cristiano Ronaldo, der auf Instagram eine Followerschaft von über 600 Millionen hat, eine neu Werbeplattform, sondern auch einer kleineren Nummer wie Marković, die von ihrem Gehalt bei GC nicht leben kann. In der Schweizer Liga verdienen Fussballerinnen bei weitem nicht genug, um sich damit allein den Lebensunterhalt finanzieren zu können. Auch die Skifahrerinnen Holdener und Gisin haben trotz ihrer vielen Erfolgen finanziell wohl noch nicht bis zu ihrem Lebensende ausgesorgt. «Social Media sind ein Vermarktungskanal, über den sich Sportlerinnen und Sportler ein attraktives Standbein neben ihrer Haupttätigkeit aufbauen können», sagt Schwizer.

Der Schweizer Prototyp für diese Entwicklung ist wohl Alisha Lehmann. Die Nati-Stürmerin, die in England bei Aston Villa unter Vertrag steht, hat auf Instagram aktuell 15,4 Millionen Follower. Ein einziger Werbepost der 24-jährigen Bernerin soll einen Marketingwert von über 300’000 Dollar aufweisen, wie das britische Marktforschungsunternehmen Nielsen vor der diesjährigen Fussball-WM der Frauen in einem Report festgehalten hat.

Artikel aus der «Handelszeitung»

Dieser Artikel wurde erstmals im kostenpflichtigen Angebot von handelszeitung.ch veröffentlicht. Blick+-Nutzer haben exklusiv Zugriff im Rahmen ihres Abonnements. Weitere spannende Artikel findest du unter www.handelszeitung.ch.

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Auch Lehmann ist kürzlich auf den Zug der trendigen Sport-Wässerchen aufgesprungen. Anfang September verkündete sie auf ihrem Instagram-Profil die Kooperation mit der britischen Getränkemarke Prime. Seither ist die Influencer-Fussballerin das weibliche Werbegesicht des von den Youtube-Stars KSI und Logan Paul gegründeten Unternehmens. Ihr männlicher Gegenpart ist Erling Haaland, treffsicherer Stürmer bei Manchester City.

Prime ist bei der Social-Media-affinen Jugend gerade die Trend-Marke aller Sportgetränke. Wohl auch deshalb ist sie bei einigen Topvereinen des europäischen Fussballs die offizielle Partnerin für isotonische Getränke – etwa bei Bayern München, Arsenal und dem FC Barcelona. Dabei ist das hochpreisige Hype-Getränk nicht unbedingt das gesündeste, worauf verschiedene Fachpersonen aus dem Medizinbereich hingewiesen haben. So sind die Prime-Energy-Drinks in der Schweiz und weiteren Ländern gar nicht zugelassen, weil der Koffeingehalt die maximal erlaubte Menge der stimulierenden Substanz überschreitet. Die FDA, die Lebensmittelüberwachungs- und Arzneimittelbehörde der USA, lässt das Getränk derzeit untersuchen.

Unter diesem Aspekt ist die Werbepartnerschaft Lehmanns mit Prime durchaus kritisch zu betrachten. Schliesslich haben Sportstars wie sie eine Verpflichtung gegenüber ihren Fans, gerade weil sie solch bekannte Persönlichkeiten sind und viele Kinder zu ihnen aufschauen, wie auch Sportmarketingexperte Schwizer betont. «Aufgrund ihrer Rolle tragen Sportlerinnen und Sportler auch eine gesellschaftliche Verantwortung.» Das gelte auch für den Social-Media-Auftritt und Werbeaktionen, die gerne auf Instagram, Tiktok und Co. verbreitet würden.

Die Sport-Promis und das Wasser aus dem Berner Oberland

Die erwähnten Engagements der verschiedenen Schweizer Athletinnen und Athleten bei Herstellern von Sportnahrung oder Energydrinks eint, dass sie alle Profit schlagen wollen aus den Charakteristiken, für die ihre Botschafter stehen. «Eigenschaften wie Athletik, Leistungsfähigkeit und Wille, die Sportlerinnen und Sportlern gerne zugeschrieben werden, lassen sich in unserer kapitalistischen Gesellschaft gut verkaufen», sagt Schwizer.

Unterschiede bestehen jedoch in der Intensität der Partnerschaft. So stellt Lehmanns zeitlich befristete, klassische Sponsoring-Partnerschaft eine losere Bindung dar als eine Miteigentümerschaft mit finanziellem Risiko, wie sie die GC-Kickerin Marković mit Reloadz pflegt. Für ein Unternehmen kann es sich durchaus lohnen, einen Sportstar enger miteinzubeziehen. Denn: «Mit grösserer Beteiligung der Sportlerin oder des Sportlers steigt auch die Glaubwürdigkeit des Engagements», so Schwizer.

In diese Kategorie fällt das Investment einiger ranghoher Schweizer Sportgrössen, die den klassischen Getränkemarkt für sich entdeckt haben. NHL-Superstar Roman Josi, Stanley-Cup-Sieger Mark Streit, Fussball-Nati-Goalie Yann Sommer, Schwingerkönig Christian Stucki und Tenniscoach Severin Lüthi, der mit Roger Federer Erfolge feierte, übernahmen im vergangenen Juni gemeinsam mit Persönlichkeiten aus der Wirtschaft die Mineralquellen Adelboden. Mit dem Einstieg verhinderten sie den Verkauf der Getränkefirma ins Ausland. Und die Promi-Investorengruppe könnte künftig noch weitere Duftmarken im für Sporttreibende interessanten Getränkemarkt hinterlassen. Ihre neu geschaffene Beteiligungsfirma Aqva Holding hat sich zum Ziel gesetzt, eine starke Präsenz in der Getränkeindustrie aufzubauen und in der Schweiz einheimisches Wasser zu fördern.

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