Blick: Sie wollten als Junge Fussballprofi werden. Auf welcher Position wären Sie in Ihrem Traum aufgelaufen?
Sergio Ermotti: Als Stürmer! Ich startete als Stürmer. Später war ich auch im Mittelfeld im Einsatz.
Sie haben sich selber mal als «Unruhestifter» bezeichnet, auf dem Fussballplatz. Wie waren Sie als Spieler?
Ich habe die Gegner nie provoziert. Hingegen war es immer ein Fehler meiner Gegner, mich zu provozieren. In diesen Momenten bin ich zur Bestform aufgelaufen. Ich war nicht immer ein Gentleman auf dem Spielfeld (schmunzelt).
Provokationen konnten Sie also in Motivation umwandeln?
Ja! Das gilt für mich noch heute im Geschäftsleben.
Sergio Ermotti (63) ist Tessiner – und Vollblutbanker. Nach einer Banklehre in Lugano TI kam er zur Citibank in Zürich. Zwischen 1987 und 2005 arbeitete er für Merrill Lynch in London und New York. Über die italienische Unicredit gelangte er zur UBS, wo er seit 2011 als CEO amtete. Ende Oktober trat er zurück und wurde 2021 Präsident von Swiss Re. Infolge der Übernahme der Credit Suisse durch die UBS hat am 5. April 2023 wieder Ermotti die Leitung bei der UBS übernommen. Bei der Swiss Re trat er zurück. Ermotti ist verheiratet und Vater von zwei Söhnen.
Sergio Ermotti (63) ist Tessiner – und Vollblutbanker. Nach einer Banklehre in Lugano TI kam er zur Citibank in Zürich. Zwischen 1987 und 2005 arbeitete er für Merrill Lynch in London und New York. Über die italienische Unicredit gelangte er zur UBS, wo er seit 2011 als CEO amtete. Ende Oktober trat er zurück und wurde 2021 Präsident von Swiss Re. Infolge der Übernahme der Credit Suisse durch die UBS hat am 5. April 2023 wieder Ermotti die Leitung bei der UBS übernommen. Bei der Swiss Re trat er zurück. Ermotti ist verheiratet und Vater von zwei Söhnen.
Wer war Ihr sportliches Vorbild?
Johan Cruyff! (Anmerkung der Redaktion: holländischer Fussballspieler, 1947–2016)
Cruyff? Das ist überraschend.
Holland spielte im WM-Final 1974 in München einen ganz neuen Fussball. Ich habe mich sehr mit dieser neuen Fussballergeneration identifiziert. Auch wegen der fussballerischen Qualität und der neuen Leichtigkeit des «Easy Life». Mich faszinierte, dass ein so kleines Land wie Holland in den Final einziehen konnte. Als leidenschaftlicher Fan versuchte ich damals, holländische Zeitungen zu lesen, die ich mir extra gekauft habe. Selbstverständlich ohne etwas zu verstehen (lacht).
Die Schweiz fehlte damals oft an den EM- und WM-Endrundenturnieren.
Ja, das waren andere Zeiten: Im Jahr 1970 war Pier Boffi ein Tessiner Verteidiger, der damals für die Schweizer Nati und den FC Lugano spielte. Tagsüber war er der Pöstler, der uns zu Hause die Post brachte, am Abend rannte er dem Ball hinterher. Das ist heute unvorstellbar!
Die UBS und ihr Sportsponsoring
Die Zeiten haben sich geändert. Klar ist: Jetzt sind Sie als UBS-Chef zum «Schweiz-Fantum» verpflichtet: Die UBS wird neue Hauptpartnerin des Schweizerischen Fussballverbandes (SFV). Für Sie eine Herzensangelegenheit?
Ja! Es ist für uns eine Möglichkeit, das Sponsoring emotionaler aufzustellen. Andere Bereiche, die wir sehr fokussiert sponsern, sind Bildung und Kultur. Die Art Basel mit ihrer Gegenwartskunst ist ein Beispiel. Das ist ein sehr geschäftsorientiertes Sponsoring. Das steht im Fussball nicht im Vordergrund. Hier geht es darum, ein emotionales Erlebnis für die breitere Öffentlichkeit zu schaffen. Der Fussball und unsere Bank haben einige Parallelen.
Welche?
Neun Millionen Schweizerinnen und Schweizer möchten SFV-Präsident Dominique Blanc oder Nati-Trainer Murat Yakin sagen, wie sie ihren Job machen sollen. Das ist bei uns genauso: Alle haben eine Meinung, wie wir die UBS führen sollen.
Wenn Sie es hätten entscheiden müssen: Wären Sie mit Murat Yakin zur EM gefahren?
Das kann ich nicht beurteilen. Ich glaube aber, dass die Verantwortlichen die beste Lösung für die Mannschaft gesucht haben und der Entscheid gut durchdacht ist.
Eine sehr diplomatische Antwort. Sie führen mit dem künftigen Engagement die 30-jährige Geschichte der Credit Suisse weiter. War ein Ausstieg der UBS überhaupt eine Option?
Nein. Nicht für eine Sekunde.
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Gab es einen Inflationszuschlag? Oder ist der Preis Ihres Engagements gleich geblieben wie zu CS-Zeiten?
Wir geben keine Zahlen bekannt. Ich denke, beide Seiten sind mit der Partnerschaft zufrieden.
Wie werden Sie die Zusammenführung der Sponsoring-Portfolios von CS und UBS angehen?
Das ist eine schwierige Aufgabe, die Zeit braucht. Darum haben wir entschieden, alle Sponsoring-Verpflichtungen bis mindestens Ende 2025 weiterzuführen. Wir wollen unsere Verbundenheit zur Schweiz zeigen. Gleichzeitig wollen wir nicht omnipräsent sein.
Wie meinen Sie das?
Viele sagen, unsere Bank sei zu gross für die Schweiz, was nicht stimmt. Interessanterweise wird uns das im Sponsoring nicht vorgeworfen. Wir wollen sicher keine Dominanz. Auch andere Akteure sollen sich profilieren können.
Das heisst indirekt, dass es eine Bereinigung geben wird. Da ist zum Beispiel die Leichtathletik, die von der UBS seit Jahrzehnten unterstützt wird. Müssen die zittern?
Nein, unsere Partner müssen nie zittern.
Ist das SFV-Sponsoring eine Vorentscheidung, auch die Super League zu sponsern?
Nein, diese Frage ist davon unabhängig. Das werden wir prüfen. Warten wir ab!
Wie misst man Erfolg beim Sponsoring?
Wir unterscheiden zwei Arten: Eine Form von Sponsoring trägt direkt zu unserem Business bei. Dort können wir die Rentabilität messen. Zum Beispiel, ob nach einem Sponsoring ein Konto eröffnet wird. Und dann gibt es das Sponsoring, bei dem wir einen Beitrag zur Gesellschaft leisten. Dort haben wir keine finanziellen Erwartungen. Unser Engagement bei der Nati gehört in diese Kategorie. Wenn wir Kinderfussball fördern, wollen wir Talente aufbauen. Es wäre natürlich schön, wenn sich manche Kinder eines Tages an die UBS erinnerten und zu Kunden würden.
Keine Karriere auf dem Fussball-, dafür auf dem Finanzplatz: Bloomberg bezeichnete Sie jüngst als «einen der talentiertesten Banker seiner Generation». Auf dem Fussballfeld schafft man mit Talent eine gute Basis, mehr nicht. Wie ist es als Manager?
Das ist im Banking sehr ähnlich. Talent ohne harte Arbeit und ohne Weiterentwicklung bringt einen nicht weit.
Im Fussball sagt man, Instinkt sei sehr wichtig.
Das stimmt auch fürs Management. Insbesondere bei der Einschätzung von Menschen.
Verstehen Sie die Kritik an den Banker-Boni, während sich fast kein Fan über die hohen Gagen der Fussballer aufregt?
Ach, die Kritik an den Boni kommt jeden Frühling! Immer dann, wenn die Geschäftsberichte veröffentlicht werden. Interessanterweise fragt nie jemand, wer die Löhne bezahlt. In der Privatwirtschaft sind es die Aktionäre. Diese entscheiden über die Vergütung.
Sie sind seit April dieses Jahres wieder CEO der UBS. Wie bei einem Fussballtrainer ist die Rückkehr an die alte Wirkungsstätte oft gar nicht so einfach. In Ihrem Fall hat sich die Ausgangslage extrem verändert.
Ich war zwei Jahre und vier Monate weg. In dieser Zeit hat sich nicht viel verändert. Das half mir, mich schnell wieder einzuleben und mich voll auf die Integration der CS zu konzentrieren.
Um in der Fussballsprache zu bleiben: Sie kannten die Mannschaft, mussten aber die Aufstellung anpassen?
Genau. Oder man kann es auch so sehen: Ich bin vom Club-Trainer zum Nati-Trainer aufgestiegen.
So fühlt es sich an?
Ja, der Nationaltrainer muss die besten Leute zusammenbringen, eine langfristige Strategie entwickeln und die beste Taktik anwenden.
Sie erwähnten den Nati-Spieler, der Pöstler war. Heute reden wir von Millionensalären. Hat der Fussball etwas von seiner Romantik verloren?
Der Weltfussball ist eine riesige Maschine. Ich habe kein Problem, wenn Profis viel leisten müssen. Aber ich bedaure, wenn bereits auf Kinder viel Druck ausgeübt wird. So gehen Talente verloren. Da sind auch überehrgeizige Eltern mitschuldig.
Sie sind selber auch Vater. Waren Sie nie versucht, an der Seitenlinie zu stehen und Tipps auf den Platz zu rufen?
Doch, doch, das habe ich auch gemacht. Aber nie mit dem Gedanken, dass meine Söhne Profis werden sollen. Und schon gar nicht, um meine Träume zu verwirklichen oder reich zu werden.
Klar, Sie sind schliesslich selber reich geworden. Haben Sie schon jemals überlegt, in grossem Stil Geld in einen Fussballklub zu investieren?
Sport ist immer ein emotionales Investment. Wer das macht, muss sehr reich sein und sich Verluste leisten können. Ja, ich bin vermögend. Aber nicht genug, um einen Top-Fussballklub finanzieren zu können.