Krimi um den Marco van Basten des FC Wil
Wie ein Blick-Reporter einst den Bankräuber und Fussballer Hans G. aufspürte

Beim FC Wil schoss er Tore. Bei seiner Bank klaute er 825'000 Franken. Das ist die unglaubliche Lebensgeschichte von Hans G. Warum er damals nach Thailand flüchtete. Und wie ihn ein Blick-Reporter dort aufspürte.
Publiziert: 14.11.2023 um 15:48 Uhr
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Aktualisiert: 14.11.2023 um 16:03 Uhr
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18. Dezember 1992: Blick berichtet, dass Wil-Fussballer Hans G. mit einer Million Franken geflüchtet ist.
Foto: Sven Thomann
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Daniel LeuStv. Sportchef

Wer sich das Linkedin-Profil von Hans G.* anschaut, der kann sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. «Auslandsaufenthalt» steht da in seinem Lebenslauf zwischen Dezember 1992 und Juli 1997 geschrieben. Dahinter verbirgt sich aber nicht etwa ein berufliches Abenteuer, sondern eine abenteuerliche Flucht, denn G. sorgte in der Zeit für einen der grössten Kriminalfälle der Schweizer Fussballgeschichte. Mittendrin damals Blick-Journalist Marcel Allemann.

Rückblende. Im Herbst 1992 ist der FC Wil noch ein unbedeutender NLB-Klub. Erst in der Saison zuvor war er überraschend in die zweithöchste Klasse aufgestiegen. Auch dank Stürmer Hans G., der einst vom Amateurverein FC Münchwilen verpflichtet worden war. Christian Gross, damals Jung-Trainer bei Wil, lobt in jenen Monaten G. in den höchsten Tönen: «Er ist der Marco van Basten der Ostschweiz. Ein mustergültiger Sportsmann, begeisterter wie fanatischer Fussballer.»

Doch am 14. Dezember 1992 ist plötzlich nichts mehr, wie es einmal war. G. bleibt unentschuldigt dem Training fern. Und in der Raiffeisenbank Münchwilen, in der der 30-Jährige als Chefkassier arbeitet, fehlt gegen eine Million Schweizer Franken. Kurze Zeit später verdichten sich die Gerüchte, dass G. mit dem Geld nach Thailand geflüchtet ist, denn am Flughafen Kloten wird sein Opel Calibra entdeckt, und G. soll im Badeort Patong auf der Insel Phuket in einer Bar gesehen worden sein.

Christian Gross fliegt nach Thailand

Für Christian Gross ist der Fall klar: Er will sofort nach Thailand fliegen, um seinen Schützling zu suchen. «Ich möchte einfach noch mal mit ihm reden. Ich bin fast überzeugt, dass eine Lösung gefunden werden kann, die verhindert, dass er mit dieser Sache den Rest seines Lebens ruiniert», sagt der Polizistensohn damals zu Blick. Am 24. Dezember steigen Gross und seine damalige Frau Mona tatsächlich ins Flugzeug Richtung Thailand. Doch die Suche endet erfolglos. G. bleibt verschwunden.

Und bleibt es auch während den nächsten fast dreieinhalb Jahren. Bis im Mai 1996 Blick-Reporter Marcel Allemann zusammen mit seiner damaligen Freundin auf Phuket Ferien macht. «Mich hat die Geschichte um G. schon immer interessiert», erinnert sich Allemann, «deshalb dachte ich mir, ich höre mich in den Schweizer Bars mal ein bisschen um. Einer erzählte mir dann, G. sei tatsächlich mal hier gewesen, er wisse aber nicht, wo er sich mittlerweile aufhalte.»

Wie dreieinhalb Jahre zuvor Gross will auch Allemann bald einmal die Suche aufgeben, «doch eines Abends gingen wir erneut in die Bar des Schweizers. Der war völlig aufgebracht und sagte: ‹Ich habe die Schnauze voll von ihm, diesem Geizhals. Jetzt lasse ich ihn auffliegen. Morgen zeige ich dir alles.›»

Auf einmal ist G. weg

Am nächsten Tag führt der Bar-Besitzer Allemann tatsächlich zu G.s Bungalow. Er zeigt ihm sein geliebtes blaues Mountainbike und den Ort am Strand von Patong, an dem er sich immer aufhält. Inmitten all der Touristen. Allemann erfährt, dass sich G. einen gefälschten Pass mit dem Namen «Peter Müller» zugelegt hat. Dass er sich nach der Flucht zuerst im Insel-Hauptort Phuket-Town versteckt haben soll. Dass er einer Freundin für 50'000 Franken ein Grundstück gekauft habe, bezahlt aus seiner Beute. Dass er ansonsten aber ein bescheidenes Leben führe.

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Allemann fotografiert in Patong alles. Nimmt Kontakt mit der Redaktion in Zürich auf. Schickt die Filme per Express nach Hause. Nun bleibt ihm nichts anderes mehr übrig, als zu warten, bis das ganze Material endlich in der Schweiz angekommen ist. Jeden Tag sucht Allemann in der Zwischenzeit den Bungalow und den Strand auf, um zu schauen, ob noch alles beim Alten ist. «Als ich einmal mit meiner Freundin essen ging, lief per Zufall G. an mir vorbei und schaute mich eindringlich an. Das war ein seltsames Gefühl.»

Am 28. Mai 1996 ist es schliesslich so weit, die Story wird veröffentlicht: «Blick spürte Bankräuber auf.» Am gleichen Tag meldet sich auch die Kantonspolizei Thurgau bei Allemann und will wissen, wo sich G. zurzeit aufhält. Einen Tag später erscheint die Blick-Ausgabe auch in Patong. Als Allemann am Abend nochmals zum Bungalow fährt, ist dieser plötzlich leer. Und auch das Mountainbike ist weg. Der Fall ist klar: G. hat die Story gesehen und ist getürmt. Für Allemann ist damit der Fall erledigt.

«Ich bin froh, dass alles vorbei ist»

Nicht aber für G. Seine Flucht endet am 20. Januar 1997. An jenem Tag wird er im Hotel President Inn in Pattaya verhaftet und später in die Schweiz ausgeliefert. «Ich bin froh, dass alles vorbei ist. Ich habe mich hier nicht mehr wohlgefühlt», sagt er damals zu Blick und verspricht: «Ich werde geradestehen für das, was ich gemacht habe.»

Die Gelegenheit dazu bekommt er später vor Gericht. Hier kommt aus, dass G. einst im Lotto Geld gewonnen hatte, es aber im Konstanzer Casino wieder verspielt hatte. Mit dem Geld der Bank – offiziell waren es 825'000 Franken – ging er danach wieder zocken. Als die Angst, dass die Bank die Fehlbeträge entdecken könnte, immer grösser wurde, entschied er sich zur Flucht. Doch als es in Thailand Probleme mit seinem Visum gab und ihm das Geld ausging, um die Behörden weiter zu schmieren, endete seine Flucht.

Das Thurgauer Obergericht kennt keine Gnade mit G. und verurteilt ihn im Oktober 1999 wegen mehrfacher Veruntreuung, Ausweis- und Urkundenfälschung zu 29 Monaten Gefängnis. 

Wie sein Leben heute aussieht? G. selbst will mit Blick nicht mehr darüber reden, ein Bekannter aber lässt ausrichten, dass es ihm gut gehe. Warum G. damals auf die schiefe Bahn geraten war, erklärte einst ein Schweizer Auswanderer Marcel Allemann: «G. sagte mir, er hätte einfach keine Lust mehr gehabt auf dieses Leben in der Schweiz. Von morgens bis abends auf der Bank krüppeln und abends auch noch Fussball spielen. Da sei ihm einfach zu viel gewesen.»

* Name der Redaktion bekannt

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