Leser fragen, Schriftsteller Thomas Meyer antwortet
«Alle raten mir von der Umschulung ab»

Ich möchte Fotografin werden. Meine Eltern und Freunde aber sagen, ich soll bei meinem erlernten Coiffeurjob bleiben, das sei sicherer.
Publiziert: 16.11.2016 um 14:52 Uhr
|
Aktualisiert: 11.09.2018 um 16:48 Uhr
Thomas Meyer

Das ist, was man praktisch von allen zu hören bekommt, wenn man den Mut aufbringt, seinen Herzenswunsch zu äussern: Vergiss es, das wollen zu viele, die Chancen sind zu gering, und überhaupt gibt es einen klügeren, da sichereren Weg für dich, nämlich jenen, den du bereits beschritten hast. Die so reden, halten sich für unglaublich weise und besonnen, ­dabei sind sie nur etwas: Miesmacher. Die englische Sprache hat einen hübschen Namen für diese Sorte Mensch gefunden: Dream Dasher, Traumzerstörer.

Nun könnten Sie darüber verdriessen, dass Sie von Ihrem ­Umfeld keine Unterstützung bekommen, und hätten auch allen Grund dazu. Es ist betrüblich, wenn die Menschen, die man liebt und denen man vertraut, die Dinge, die einem wichtig sind, mit einer groben, knappen und meist völlig unqualifizierten Bemerkung beiseitewischen. Tatsächlich aber sind die Dream Dasher keine bösen Trolle, sondern im Gegenteil die von Ihnen selbst herbei­gerufenen Engel Ihres Schicksals, wenn man so will.

Wie wichtig ist es Ihnen, Fotografin zu werden? Vielleicht liebäugeln Sie ja nur damit, weil es sexy ist, kreativ zu sein. In diesem Fall bringen Sie die – in der Sache nicht falschen – Argumente Ihrer Mitmenschen rasch davon ab, entsprechende Versuche zu unternehmen. Ist die Fotografie aber Ihre wahre Berufung, stacheln Sie die Zweifler nur an, das zu beweisen – und damit ein Momentum in Ihnen zu erzeugen, das dafür sogar notwendig ist. Denn Kunst und Selbstverwirklichung sind letztlich dasselbe, und beides erfordert einen gewissen Leidensdruck.

Was Sie von Ihrer Umwelt zu hören bekommen, ist daher nichts anderes als die Frage: Willst du das wirklich, in deinem Herzen? Mehr als alles andere? Zu jedem Preis? Und nun dürfen Sie antworten.

Zur Person

Der Zürcher Schriftsteller Thomas Meyer beobachtet seine Mitmenschen seit nunmehr 41 Jahren. Das ist denen nicht immer recht. Haben auch Sie Fragen an ihn? magazin@sonntagsblick.ch, Betreff: «Meyer»

Der Zürcher Schriftsteller Thomas Meyer beobachtet seine Mitmenschen seit nunmehr 41 Jahren. Das ist denen nicht immer recht. Haben auch Sie Fragen an ihn? magazin@sonntagsblick.ch, Betreff: «Meyer»

Mehr zum Thema

Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.
Fehler gefunden? Jetzt melden

Was sagst du dazu?