Leser fragen, Schriftsteller Thomas Meyer antwortet
«Wo liegt bei Scherzen die Grenze»

Mein Freund und ich fanden es immer lustig, einander im Scherz zu beleidigen. Nun wird der Ton aber schärfer. Wo liegt die Grenze?
Publiziert: 13.09.2016 um 16:00 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 17:00 Uhr

Es ist halt so eine Sache mit dem Humor. Worüber gelacht wird, ist noch lange nicht immer lustig. Das zeigt sich am Erfolg gewisser «Komiker», die glauben, es sei ausreichend amüsant, wenn sie Grimassen schneiden, schlechte Witze erzählen und Minderheiten verspotten. Und dafür in vollen Häusern bejubelt werden.

Zur Person

Der Zürcher Schriftsteller Thomas Meyer beobachtet seine Mitmenschen seit nunmehr 41 Jahren. Das ist denen nicht immer recht. Haben auch Sie Fragen an ihn? magazin@sonntagsblick.ch, Betreff: «Meyer»

Der Zürcher Schriftsteller Thomas Meyer beobachtet seine Mitmenschen seit nunmehr 41 Jahren. Das ist denen nicht immer recht. Haben auch Sie Fragen an ihn? magazin@sonntagsblick.ch, Betreff: «Meyer»

Das Gleiche gilt in Paarbeziehungen und in Freundschaften: Was als harmloses Witzchen serviert wird, ist in Wahrheit oft nur kränkend und respektlos. Weist der Empfänger dann darauf hin, versteckt sich der Absender gern hinter einem besonders profunden Humorbewusstsein – und behauptet, es mit einem Überempfindlichen zu tun zu haben. Dabei sind die Fälle, in denen ein tatsächlicher Scherz misslingt, ziemlich selten. Weit häufiger handelt es sich um ehrliche Seelenbekundungen, die nach Hilfe und Heilung rufen. Weil entweder etwas in der Beziehung im Argen liegt oder bei einem der beiden Mitwirkenden selbst.

Es trifft nicht zu, dass Sie «einander im Scherz beleidigen». Sie haben lediglich noch keinen anderen Weg gefunden, auf seelischer Ebene miteinander zu kommunizieren. Und gelangen nun glücklicherweise zur Einsicht, dass der bisherige problematisch ist und Schaden anrichtet. Setzen Sie sich miteinander hin, vielleicht sogar im Beisein eines guten Paartherapeuten (es sind nicht alle gut, und passen muss es auch), und sprechen Sie abwechslungsweise über Ihre Befindlichkeit und Ihre Bedürfnisse: Wie geht es Ihnen in dieser Partnerschaft? Was fehlt Ihnen? Was wünschen Sie sich? Wovor fürchten Sie sich? Was könnte ein möglicher Weg sein, miteinander in Kontakt zu treten, ohne sich dabei hinter Sarkasmus und Derbheit zu verstecken? Vielleicht beginnen Sie, sich Briefe zu schreiben? Sie beide haben hier die Chance, sich zu entwickeln, und sollten Sie nutzen.

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