Es gibt eine erfreuliche menschliche Eigenschaft, die uns jederzeit nachempfinden lässt, was andere empfinden: Mitgefühl. Für jemanden, der wirtschaftliche oder politische Ambitionen hegt, ist dieses zwar eher ein Hindernis, und auch im normalen Volk gibt es nicht wenige, die ganz gut darauf verzichten können. Doch die meisten Menschen bleiben von den traurigen Schicksalen um sie herum alles andere als unberührt – und fragen sich, was sie zu deren Linderung beitragen können.
Wir begehen dabei allerdings den Fehler, vorschnell zu urteilen – da wir dem Glauben unterliegen, von vornherein besser zu wissen, was für andere gut sei. Ausserdem überschätzen wir unseren Einfluss auf diese masslos, zumal sie uns höchst selten um Rat bitten, geschweige denn um Hilfe. Gepaart mit unserem allmächtigen Ego verkommt das Mitgefühl so leider oft zur schieren, selbstgefälligen Einmischung: Seht her, was für ein teilnahmsvoller und weiser Mensch ich bin!
Dennoch gibts so etwas wie die konkrete Verantwortung gegenüber dem Mitmenschen – und faszinierenderweise nehmen wir diese weitaus weniger gern wahr als die Gelegenheit, uns als noble Charaktere aufzuspielen. Lieber lästern wir über unseren alkoholsüchtigen Freund, nachdem dieser in Schlangenlinien davongefahren ist, als ihm vorher zu sagen, dass sein Zustand uns traurig mache, wir uns ernsthaft um ihn sorgten und uns wünschten, er würde besser auf sich aufpassen. Und dass er bitte ein Taxi nehmen solle, da er andere Verkehrsteilnehmer gefährde.
Das ist vermutlich der richtige Umgang mit Mitgefühl: indem wir dem Betroffenen mutig, ehrlich und eben mitfühlend sagen, was wir empfinden. Mehr können wir nicht tun. Im übrigen steht es jedem frei, sich zugrundezurichten. Auch das ist zu respektieren.