An den Menschen ist eigentlich nur überraschend, wie sehr wir immer wieder Überraschungen von ihnen erwarten. Wir hoffen, dass die Mürrischen fröhlich werden, die Jähzornigen sanftmütig und die Verschlossenen offenherzig. Denn wir leiden unter ihnen. Vor allem, wenn wir das Pech haben, mit einem von ihnen verheiratet zu sein oder ihn gar als Elternteil zu haben. Am übelsten ist es vermutlich, wenn das eigene Kind einen fragwürdigen Charakter hat. Hier dürfte der Wunsch nach dem Auswachsen wohl am grössten sein.
Die Hoffnung ist jedoch ein vollkommen untaugliches Instrument, um den Alltag zu bestreiten. Sie ändert nichts an den Zuständen, sondern lindert bloss unseren Schmerz, indem sie uns einredet, dass bald alles gut werde. Aber das versprochene Wunder geschieht nie. Die Mühsamen bleiben mühsam. Es gibt ein hübsches jiddisches Sprichwort dazu: «As a mentsch is mit sibn, er is mit sibzik.»
Und doch ist die Hoffnung in Ihrem Fall durchaus berechtigt. Zwar ändern sich die Menschen nicht. Niemals. Aber sie können sich entwickeln. Und gerade bei einem 26-Jährigen ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass er Erfahrungen machen wird, die ihn von seinem Hochmut heilen, zumal Arroganz oft nur Unsicherheit kaschieren will. Genau genommen ist es für einen Mann Mitte zwanzig ziemlich normal, sich für den Grössten zu halten. Bald wird ihm eine hübsche junge Dame das Herz brechen, und dann wird er sein Haupt nicht mehr so hoch tragen.
Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit, dass Ihr Sohn ein arroganter Schnösel bleibt, auch nicht eben gering. Vor allem, wenn er schon «mit sibn» einer war. Das wäre betrüblich, aber nicht zu ändern und auch nicht Ihr Fehler. Und wer weiss, vielleicht kommt ja mal noch eine hübsche junge Dame.