Schriftsteller Thomas Meyer nimmt Stellung zu Lebensfragen
«Sie machen damit eine Aussage über sich selbst»

Mein jüdischer Arbeitskollege nimmt es sehr genau mit dem Geld. Kürzlich sagte ich, das sei typisch jüdisch. Seither ist er völlig eingeschnappt. Ist das nicht übertrieben?
Publiziert: 05.02.2016 um 09:18 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2018 um 11:03 Uhr
Thomas Meyer

Nein. Es ist lediglich die Reaktion eines Menschen, der sich seit seiner Kindheit Unsinn über »die Juden« anhören muss und dem nicht zugestanden wird, sich darüber ärgern zu dürfen, weil es angeblich »nicht so gemeint« ist. Dabei ist es genau so gemeint. Aber beginnen wir von vorn.

Geiz und Geldgier sind Charaktereigenschaften, denen man überall begegnet. Findet man sie aber in einem Juden vor, so glaubt man, damit einen ursächlichen Zusammenhang aufgedeckt zu haben: Der Geiz wird nun plötzlich als logisch zwingende Konsequenz der Tatsache empfunden, dass jemand als Jude zur Welt gekommen ist.

Dabei hat das nichts miteinander zu tun: Viele Juden sind ausgesprochen grosszügig, und unter all den Geizhälsen dieser Welt finden sich schon aus rein mathematischen Gründen nur wenige Juden. Doch Vorurteile richten sich nicht nach Tatsachen, denn das wäre ihr sofortiges Ende. Sie können nur bestehen, solange wir die Realität unseren Ideen unterordnen. Was übrigens so ziemlich exakt die Definition einer Psychose ist, aber das nur am Rande.

Ihr Arbeitskollege mag knausrig sein - mit seinem Judentum besteht aber keinerlei Zusammenhang, denn sonst wären alle Juden geizig und alle Geizigen wären jüdisch. Wenn Sie dennoch an Ihrem Klischee festhalten und es zu allem Übel auch noch verteidigen, dann mangelt es Ihnen nicht nur an Bildung und Intelligenz, sondern auch grundsätzlich am Respekt vor Ihren Mitmenschen. Was aber meistens einhergeht.

Es steht Ihnen frei, die Welt und ihre Bewohner so zu sehen, wie es Ihnen beliebt. Sie machen damit aber in erster Linie eine Aussage über sich selbst, und jeder Betroffene hat das Recht, beleidigt zu sein, wenn Sie rassistischen Quatsch über ihn erzählen. Und dass Sie das getan haben, wissen Sie ganz genau.

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