Es gibt verschiedene Ansichten zur Streitkultur. Die einen finden, zu streiten liege in unserer Natur, und es auszutragen, sei wichtig und gesund. Die anderen erkennen darin eher einen hilflosen Umgang mit unbewältigten Konflikten. Grundsätzlich ist es erfreulich, dass Sie und Ihre Freundin noch zusammen sind. Es zeigt, dass Sie sich füreinander engagieren und an einer Verbesserung der Situation interessiert sind. Sie hätten beide auch längst davonlaufen können.
Oder auch eben gerade nicht – Ihre Auseinandersetzungen können nämlich genauso gut bedeuten, dass Sie im Schmerz, den der Streit nun einmal gebiert, einen lustvollen Gewinn finden. Die Frage ist aber weniger, warum Sie sich streiten, sondern ob Sie gut zusammenpassen und miteinander das Leben verbringen wollen. Falls Sie beides bejahen können, jeder von Ihnen, sollten Sie einen geeigneten Paartherapeuten aufsuchen (es sind beileibe nicht alle geeignet), um einen neutralen Raum zu etablieren, der von einem Schiedsrichter überwacht wird. Denn wir haben mit dem, was wir an unserem Partner kritisieren, oft schlicht recht, und es ist hilfreich, das zu hören. Und zwar für beide.
Umgekehrt gilt das Gleiche: Manchmal liegen wir fürchterlich daneben und sollten uns besser unserem verletzten Stolz und unseren Kindheitstraumata zuwenden, statt unseren Partner anzugreifen. Ausserdem steht nirgends geschrieben, dass jede Diskussion auch geführt werden muss. Diskutieren zermürbt; wir ertragen bei weitem nicht so viel davon, wie wir glauben. Und von zehn Debatten ist ohnehin nur eine sinnvoll. Entscheiden Sie künftig, welche Art vorliegt, und verzichten Sie gegebenenfalls auf den Austausch. Sagen Sie einander stattdessen lieber, was Sie am anderen schätzen. Wertschätzung ist der Erzfeind des Streits.
PS: Eine Trennung ist immer einen Gedanken wert.