Schriftsteller Thomas Meyer nimmt Stellung zu Lebensfragen
Zuneigung kann zur Last werden

Mein Lover glaubt, wir seien ein Paar. Irgendwie habe ich (w) den richtigen Zeitpunkt verpasst, die Dinge klarzustellen.
Publiziert: 03.01.2016 um 10:47 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 22:04 Uhr

Erotische Anziehung ist sehr häufig, echte partnerschaftliche Kompatibilität hingegen ausgesprochen rar. Trotzdem gehen wir oft Bindungen ein, die sich gerade anbieten; weil wir naiv hoffen, es würde sich doch noch Kompatibilität einstellen, weil wir schon länger allein sind. Oder weil wir uns derart minderwertig fühlen, dass wir von sexueller Bestätigung abhängig sind. Viele Frauen berichten auch von ihrer Ablösungsbeziehung, die dazu diene, sich mit einem neuen Partner vom bisherigen zu distanzieren. Unsere Motive sind vielfältig. Grossartig sind sie selten.

All die Beziehungen, die geführt werden, obwohl sie besser nicht geführt werden sollten, entwickeln entsprechende Problemstellungen. Es entstehen logischerweise Intimität und Zuneigung, was aber nicht vorgesehen war und in der Folge auch nicht gebührend gewürdigt, sondern vielmehr als lästig empfunden und demzufolge ignoriert wird. Zudem herrscht oft ein Ungleichgewicht, da der eine mehr will als der andere (oder es zumindest glaubt). Am Ende steht meist das, was Sie beschreiben: nackte Hilflosigkeit.

Es ist nichts gegen Affären einzuwenden – bloss gegen Unaufrichtigkeit. Man weiss ja interessanterweise immer sofort, wie weit es mit einem Menschen gehen wird. Wir werden uns nie in die Menschen verlieben, die uns nicht von Anfang an verzaubern, auch wenn wir hundert Jahre lang mit ihnen schlafen. Es ist nicht nur unfair, ihnen und uns selbst etwas anderes vorzumachen, sondern auch fahrlässig.

Schaffen Sie darum jetzt die Klarheit, die sich offenbar schon seit längerem aufdrängt. Verzichten Sie aber besser darauf, zu erwähnen, dass Sie nie interessiert waren – bleiben Sie im Jetzt und sagen Sie, dass es für Sie nicht mehr weitergeht. Und dann hören Sie um Himmels willen auch auf.

Der Zürcher Schriftsteller Thomas Meyer beobachtet seine Mitmenschen seit nunmehr 41 Jahren. Das ist denen nicht immer recht.

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