Es ist vermutlich nicht dramatisiert, wenn man sagt, dass ein ganzes Land unter Schock steht. Wir wissen nun, wer der Täter ist: Einer von uns, mitten unter uns; derart gestört, dass er kein Problem damit hatte, regelmässig an dem Ort vorbeizuspazieren, wo er Menschen misshandelt, ermordet und verbrannt hat. Es ist nachvollziehbar, dass wir von einer Bestie sprechen; von einem Tier also, das nichts Menschliches mehr an sich hat.
Doch der Vergleich ist sachlich und moralisch falsch. Obwohl Tiere einander zielgerichtet und mitleidlos töten, tun sie dies nicht aus Lust oder Boshaftigkeit, sondern zum Zweck der Selbsterhaltung. Thomas N. hingegen hat einzig getötet, um zu töten. Wenn man von einem Menschen das Menschliche subtrahiert, wie es im vorliegenden Fall durchaus angebracht ist, bleibt kein Tier übrig, sondern eine einsame, eiskalte, seelenlose Kreatur. Also eigentlich gar nichts. Das ist enorm gespenstisch.
Allerdings sind wir, die anderen, davon nicht so weit entfernt, wie wir gern hätten. Woche für Woche töten wir auf der ganzen Welt über eine Milliarde Tiere auf hochindustrialisierte Weise. Männliche Küken werden, da unrentabel, am Tag ihrer Geburt geschreddert oder vergast, Pelztiere lebendig gehäutet, Kühe zur pausenlosen Milchabgabe genötigt und ihre Kälber zu Schnitzel verarbeitet. Damit haben wir kein Problem, ja wir nennen die Ergebnisse sogar Genuss, Kultur und Stil. Aber es ist genau der gleiche Mangel an Respekt vor dem Leben, wie ihn uns Thomas N. vorgeführt hat.
Der Täter gehört nicht umgebracht, aber für immer weggesperrt. Nicht seine allfällige Untherapierbarkeit sollte dafür das Entscheidungskriterium sein, sondern das Ausmass seiner Tat. Diese aber sollte uns dazu auffordern, uns zu fragen, wie wir es mit dem skrupellosen Abschlachten von Lebewesen halten.