Bei der AHV-Reform sind die Fronten klar: Die Bürgerlichen kämpfen geschlossen für eine Erhöhung des Frauenrentenalters, das links-grüne Lager ebenso vehement dagegen.
Das Szenario «Bürgerliche vs. Linke» wiederholt sich nun bei der Reform der beruflichen Vorsorge (BVG). Im Nationalrat haben sich die Bürgerlichen mit einer harten Linie durchgesetzt. Der Umwandlungssatz soll im BVG-Obligatorium von 6,8 auf 6 Prozent sinken. Für eine Übergangsgeneration von 15 Jahrgängen gibt es zwar einen abgestuften Rentenzuschlag. Den erhält aber nur eine Minderheit. Rund zwei Drittel der Versicherten gehen leer aus. Den vom Bundesrat unterstützten Sozialpartner-Kompromiss mit einem breiten Umverteilungsmechanismus haben die Bürgerlichen vom Tisch gefegt.
Ständerat auf Konfrontationskurs
In welche Richtung der Reformdampfer definitiv steuert, entscheidet sich nun im Ständerat. Am Donnerstag werden in der ständerätlichen Sozialkommission Vertreterinnen und Vertreter von Gewerkschaften, Wirtschaftsverbänden sowie der Pensionskassen- und Versicherungslobby angehört. Mehr pro forma, denn der eigentliche Kurs ist klar: Eine Konfrontation zwischen Rechts und Links ist angesagt.
Dabei spielt auch der AHV-Knatsch eine Rolle. Die linke Frontalopposition gegen das höhere Frauenrentenalter ärgert die Bürgerlichen. Da SP und Grüne schon da kein Entgegenkommen gezeigt hätten, könne man es auch bei der BVG-Reform gleich sein lassen, so der Tenor.
Mitte zieht nach rechts
Gerade bei Mitte-Politikern ist die Lust derzeit klein, mit der Linken ein BVG-Paket zu zimmern. Die Niederlage 2017 bei der Altersvorsorge 2020 steckt der Mitte noch tief in den Knochen. Deshalb zeichnet sich für die BVG-Reform eine Mitte-Rechts-Allianz ab.
«Das jetzige Vorgehen ist eine Konsequenz aus der Niederlage bei der Vorsorge 2020, wo linke Splittergruppen zusammen mit bürgerlichen Kreisen die Vorlage zu Fall brachten», sagt Mitte-Ständerat Erich Ettlin (59, OW) zu Blick. «Realpolitisch haben wir keine andere Wahl.»
Kommt hinzu, dass sich die Bürgerlichen in einem wesentlichen Punkt einig sind: Die im Sozialpartner-Kompromiss vorgesehene «Mini-AHV» ist ihnen ein Dorn im Auge. Sie sehen damit den Grundsatz verletzt, dass in der zweiten Säule jeder für sich selber spart.
Mehr zu den Renten-Reformen
Ettlin geht daher davon aus, dass der Ständerat die Nationalratslösung als Basis für die Weiterarbeit nehmen wird. «Der Sozialpartner-Kompromiss ist zu breit ausgelegt, wir müssen auf die von Einbussen wirklich Betroffenen fokussieren.» Wobei man da nochmals genauer hinschauen müsse, wer einen Rentenzuschlag erhalten soll.
Tatsächlich dürfte der Ständerat das Feld etwas weiter öffnen, um die Vorlage an der Urne mehrheitsfähiger zu machen. Eine weitere Stellschraube ist die Eintrittsschwelle, welche der Ständerat statt auf 20 wieder etwas höher ansetzen könnte, so dass Junge erst später einzahlen müssen. Auch beim Koordinationsabzug sind Anpassungen denkbar. «Für Frauen und Wenigverdiener braucht es sicher noch Verbesserungen», sagt FDP-Ständerat Josef Dittli (64, UR).
SVP will noch härtere Variante
SVP-Ständerat Hannes Germann (65, SH) wiederum ist eigentlich schon die Nationalratslösung zu lasch. Anstelle eines Rentenzuschlags wäre ihm «eine gestaffelte Senkung des Umwandlungssatzes über beispielsweise 12 Jahre» lieber. Eine entsprechende Lösung möchte er von der Verwaltung als Variante ausarbeiten lassen.
Ebenso will er abgeklärt haben, wie sich ein Einheitssatz von 10 bis 12 Prozent für alle bei den Altersbeiträgen umsetzen liesse – heute betragen diese je nach Alter zwischen 7 und 18 Prozent. «Das wäre auch ein Schutz für ältere Arbeitnehmer», meint Germann zum Einheitssatz.
Für ihn ist klar, dass es nun eine solide, bürgerliche Lösung braucht: «Wer den Leuten vorgaukelt, dass Rentenalter 64 noch geht, ist für mich unglaubwürdig. Links-Grün ist bei dieser Reform kein verlässlicher Partner.»
Links-Grün warnt vor Fiasko
Das links-grüne Lager wird sich nochmals für den Sozialpartner-Kompromiss in die Bresche werfen. «Marschieren die Bürgerlichen mit der Nationalratslösung durch, sage ich nur: Viel Vergnügen! Es wird für sie im Fiasko enden», meint SP-Ständerat Paul Rechsteiner (69, SG). «Wenn weitsichtige Bürgerliche nicht zu einer sozial tragfähigen Lösung Hand bieten, kann man die Reform gleich vergessen.»
Auch die grüne Ständerätin Maya Graf (59, BL) will den Fokus auf den Sozialpartner-Kompromiss richten. Und: «Die Problematik der tiefen Frauenrenten in der zweiten Säule muss sicher aufgenommen werden.» Sie warnt die Bürgerlichen vor einem Scherbenhaufen, wenn es beim «Rumgeflicke am Nationalratsvorschlag bleibt».
Für Renteneinbussen ist sie nicht zu haben. «Wollen die Bürgerlichen mehr Altersarmut?», fragt sie. Und fügt hinzu: «Es liegt im Interesse der Jungen, dass ihre Eltern und Grosseltern im Alter finanziell unabhängig sind und sie nicht wie früher für diese aufkommen müssen.»
Es steht einiges auf dem Spiel
Am Donnerstag geht es zwar erst ums Eintreten und allfällige Abklärungsaufträge an die Verwaltung. Die Stimmungslage ist aber klar. Bei der Detailberatung in vier Wochen dürften daher die Fetzen fliegen. Denn für beide Seiten steht einiges auf dem Spiel.
Eine harte BVG-Reform könnte für die Linke zum Steilpass bei der AHV-Abstimmung werden, indem das Nein-Lager zusätzlich mobilisiert wird. Bodigt sie die AHV-Reform an der Urne, bleibt der Grundsatz, dass sozialpolitische Reformen gegen die Linke nicht zu machen sind. Umgekehrt wollen die Bürgerlichen mit dieser vermeintlichen Gewissheit endlich brechen.