Es ist eine Mammutvorlage – und es geht um viel Geld! Die Reform der beruflichen Vorsorge (BVG). Das Problem: Der heutige Umwandlungssatz von 6,8 Prozent im obligatorischen Bereich ist angesichts steigender Lebenserwartung und tiefer Zinsen zu hoch. Deshalb soll er auf 6 Prozent sinken.
Doch damit sinken auch die Pensionskassenrenten. Statt jährlich 6800 Franken pro 100'000 Franken Altersguthaben gibt es nur noch 6000 Franken. Nun streitet sich das Parlament darum, wie diese Lücke ausgeglichen werden soll.
In der nationalrätlichen Sozialkommission obsiegte in der ersten Runde knapp der vom Bundesrat unterstützte Sozialpartner-Kompromiss von Arbeitgeberverband und Gewerkschaften. Konkret: Mit 0,5 Lohnprozent zusätzlich wird ein Rentenzuschlag finanziert. Eine Übergangsgeneration erhält monatlich 100 bis 200 Franken als Ausgleich. Nach 15 Jahren wird der Zuschlag für die späteren Jahrgänge jeweils neu berechnet.
Das Nachsehen hatte das «Mittelweg»-Modell, das auf einem Vorschlag des Pensionskassenverbands Asip basiert. Mit einem einmaligen Zustupf aufs Altersguthaben – finanziert aus den Rückstellungen.
Nur jeder Siebte bekommt Zuschlag
Eine bürgerliche Gruppe um SVP-Nationalrat Thomas de Courten (55, BL) startet nun eine neue Attacke, um den Kompromiss vom Tisch zu fegen. Er bringt eine neue Variante ins Spiel.
Der Rentenzuschlag soll auf eine Übergangsgeneration von 15 Jahren begrenzt werden und wie beim Bundesrat 100 bis 200 Franken betragen. Dann aber folgt eine gewichtige Einschränkung: Die Kompensation soll nur erhalten, wer nur im obligatorischen Minimum oder leicht darüber versichert ist. Das betrifft insbesondere tiefere Einkommen. Gutverdienende werden vom Zuschlag ausgeschlossen. Gemäss den Berechnungen der bürgerlichen Kampftruppe würden nur gut 14 Prozent der Pensionkassenversicherten den Zuschlag erhalten. Die Kosten werden auf 800 Millionen Franken veranschlagt. Diese sollen die Kassen aus ihren Reserven finanzieren.
«Den Zuschlag sollen nur jene erhalten, die ihn auch nötig haben», sagt de Courten zu Blick. Bei Tieflöhnern werde die Rente damit aufgebessert. «Und wir verhindern das im Bundesratsmodell vorgesehene Giesskannen-Prinzip.» Auch den Umverteilungsmechanismus über Lohnprozente ist ihm ein Dorn im Auge. «Wir müssen eine Vermischung von erster und zweiter Säule verhindern», so de Courten. Er sieht gute Chancen für das neue Modell: «Der Bundesrat wird seine Linie diesmal nicht mehr verteidigen können.»
Bewegung bei Bürgerlichen
Tatsächlich steht das Bundesratsmodell auf der Kippe. FDP-Nationalrat Philippe Nantermod (37, VD), der vor der Sommerpause für den Kompromiss votiert hatte, zeigt sich offen für eine neue Lösung.
Mitte-Nationalrat Christian Lohr (59, TG), der sich der Stimme enthielt, erachtet den Vorschlag als «Schritt in die richtige Richtung». Er macht aber klar: «Zuerst brauchen wir verlässliche Zahlen, welche Auswirkungen das Modell auf die Renten hat.»
Ähnlich tönt es bei GLP-Nationalrätin Melanie Mettler (43, BE): «Wenn wir die Kompensationsmassnahmen ohne zusätzliche Lohnprozente finanzieren können, umso besser. Nur fehlen mir bisher die Belege, dass diese Rechnung tatsächlich aufgeht.» Entscheidend ist für sie, dass eine an der Urne mehrheitsfähige Vorlage resultiert.
Gewerkschaftsboss warnt
Für die Linke hingegen kommt ein tieferer Umwandlungssatz ohne solidarisch finanzierten Rentenzuschlag nicht infrage. «Die Sozialpartner haben einen fein austarierten Kompromiss vorgelegt», sagt SP-Nationalrat und Gewerkschaftsboss Pierre-Yves Maillard (53, VD). «Die Bürgerlichen wollen die Leistungen reduzieren. Wird am Kompromiss gerüttelt, ist unsere entschiedene Opposition garantiert.»
Ab Mittwoch beugt sich die nationalrätliche Sozialkommission erneut über die Reform. «Wir gehen die ganze Vorlage nochmals ganz durch, jeder Punkt steht zur Diskussion», sagt Mitte-Nationalrätin und Kommissionspräsidentin Ruth Humbel (64, AG). Programmiert ist eine harte Debatte mit offenem Ausgang. Humbel: «Ich rechne mit knappen Entscheiden.»