Tieferer Umwandlungssatz, höhere Beiträge, fixer Zuschlag
So will der Bundesrat die Renten sichern

Der Bundesrat will die Renten in der zweiten Säule sichern. Der Umwandlungssatz sinkt auf 6 Prozent. Im Gegenzug sollen höhere Lohnbeiträge und ein fixer Rentenzuschlag für einen Ausgleich sorgen. Jetzt ist das Parlament am Zug.
Publiziert: 25.11.2020 um 17:23 Uhr
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Aktualisiert: 25.11.2020 um 18:12 Uhr
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SP-Bundesrat Alain Berset hat den Renten-Kompromiss der Sozialpartner weitgehend übernommen.
Foto: KEYSTONE/PETER SCHNEIDER
Ruedi Studer

Im Sommer 2019 präsentierten der Arbeitgeberverband sowie die beiden Gewerkschaftsdachverbände Travailsuisse und Gewerkschaftsbund einen Überraschungscoup: Sie hatten sich auf einen «Sozialpartner-Kompromiss» für eine Reform der beruflichen Vorsorge (BVG) geeinigt. Ein Deal, bei welchem beide Seiten Kröten schlucken müssen.

Der Kompromiss wurde vom ersten Tag an unter Sperrfeuer genommen. Der Gewerbeverband scherte aus und präsentierte ein eigenes Modell, ebenso der Pensionskassenverband Asip. Auch die bürgerlichen Parteien attackierten den Deal. Ihre Jungparteien präsentierten zudem ein eigenes Modell.

Bundesrat bleibt standhaft

Doch trotz breiter Kritik: Der Bundesrat stellt sich hinter den Renten-Kompromiss. Schon letztes Jahr in der Vernehmlassung – und nun am Mittwoch in seiner Botschaft ans Parlament. Das sind die wichtigsten Punkte:

  • Tieferer Umwandlungssatz: Der Mindestumwandlungssatz wird von heute 6,8 Prozent auf 6,0 Prozent gesenkt. Das bedeutet: Auf 100'000 Franken angespartes Alterskapital gibt es nur noch 6000 statt 6800 Franken pro Jahr. Sobald die Vorlage in Kraft tritt, wird der Umwandlungssatz in einem Schritt gesenkt. Der damit verbundene Rentenverlust soll mit einem Rentenzuschlag ausgeglichen werden.
  • Rentenzuschlag: Künftig erhält jeder BVG-Rentenbezüger eine fixe Zusatzrente ausbezahlt. Für die ersten fünf Neurentner-Jahrgänge nach Inkrafttreten beträgt er 200 Franken, für die nächsten fünf Jahrgänge 150 Franken und für die übernächsten fünf Jahrgänge 100 Franken. Danach legt der Bundesrat die Höhe des Rentenzuschlags jedes Jahr je nach vorhandenen Mitteln fest. Der Zustupf wird über zusätzliche 0,5 Lohnprozent auf AHV-pflichtige Jahreseinkommen bis 853'200 Franken finanziert. Damit erfolgt eine Umverteilung von Reichen zu tieferen Einkommen. Ein Zückerli von 1,8 Milliarden Franken jährlich, auf das die Gewerkschaften gepocht haben.
  • Angepasste Altersgutschriften: Die Lohnbeiträge in die Pensionskasse – die sogenannten Altersgutschriften – werden angepasst. Neu gilt im Alter von 25 bis 44 Jahren eine Altersgutschrift von 9 Prozent (bisher 7 bzw. 10 Prozent) auf dem BVG-pflichtigen Lohn. Ab Alter 45 beträgt die Altersgutschrift 14 Prozent (bisher 15 bzw. 18 Prozent). Damit werden die Altersgutschriften gerade bei den älteren Arbeitskräften gesenkt. Das soll auch ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt verbessern.
  • Tieferer Koordinationsabzug: Der Koordinationsabzug, der den versicherten Lohn bestimmt, wird von heute 24'885 auf neu 12'443 Franken halbiert. Dadurch wird ein höherer Lohn versichert. Niedrigverdiener, darunter viele Teilzeitbeschäftigte und Frauen, erhalten eine bessere soziale Absicherung gegen Alter und Invalidität.

Rund 3 Milliarden Franken kostet die Rentenreform, mit der das Rentenniveau gesichert werden soll. Zieht das Parlament mit, könnte die Reform bestenfalls schon 2022 in Kraft treten.

Sozialpartner sind erfreut

Erfreut über die bundesrätliche Botschaft zeigen sich die drei beteiligten Sozialpartner – und zwar in einer gemeinsamen Medienmitteilung. «Die Vernehmlassung hat gezeigt, dass die drei Zielsetzungen der Vorlage – Leistungserhalt, Verbesserungen für Frauen und Modernisierung der zweiten Säule – mehrheitsfähig sind», heisst es darin. Das vom Bundesrat gewählte Modell erreiche diese Ziele durch eine Kombination von beitrags- und leistungsseitigen Massnahmen. Der Vorschlag sorge für ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis und sei damit auch für KMU attraktiv.

«Mit dem Kompromiss werden die grössten strukturellen Defizite in
der beruflichen Vorsorge korrigiert», so Arbeitgeber-Präsident Valentin Vogt (60). Gewerkschaftsbund-Präsident Pierre-Yves Maillard (52) hält fest: «Das gravierende Problem der seit über zehn Jahren sinkenden Pensionskassenrenten wird mit dieser Vorlage erstmals angegangen.»

Arbeitnehmern mit tiefen Einkommen und Teilzeitbeschäftigten werde zu spürbar besseren Renten verholfen, betont Travailsuisse-Präsident Adrian Wüthrich (40). «Das wird endlich auch die Rentensituation der Frauen verbessern.»

Rentenzuschlag stösst auf Widerstand

Im Parlament ist eine heisse Debatte programmiert. Zwar unterstützen die bürgerlichen Parteien die Stossrichtung der Reform. Der vorgeschlagene Rentenzuschlag hingegen stösst auf Widerstand.

Die CVP lehnt «eine solche Umverteilung» ab, wie sie in einer Mitteilung schreibt. Eine finanzielle Abfederung für eine Übergangsgeneration will sie über ausserordentliche, zweckgebundene Ausschüttungen der Nationalbank finanzieren – via Sicherheitsfonds sollen jene Pensionskassen unterstützt werden, die den Ausgleich nicht selbst stemmen könnten.

Und die FDP hält das Festhalten des Bundesrats am Rentenzuschlag für «schwer nachvollziehbar».

Der Gewerbeverband wiederum lehnt den Rentenzuschlag entschieden ab. Die daraus resultierenden Lohnprozenterhöhungen seien in der heutigen wirtschaftlichen Lage untragbar. schreibt er.

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