Bürgerliche Pensionskassen-Reform
Mehrheit geht beim Renten-Zuschlag leer aus

Diese Woche kommt es zum Showdown um die Pensionskassen-Reform. Ein interner Bericht zeigt nun: Beim bürgerlichen Alternativmodell erhalten nur «35 bis 40 Prozent» der Neurentner einen Rentenzuschlag. Das birgt Zündstoff.
Publiziert: 26.10.2021 um 08:49 Uhr
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Bei der Pensionkassen-Reform ist die Frage eines Rentenzuschlags heiss umstritten. Bis zu 200 Franken monatlich stehen zur Debatte.
Foto: Keystone
Ruedi Studer

Bei der Pensionskassen-Reform kommt es diese Woche zum Showdown in der nationalrätlichen Sozial- und Gesundheitskommission. Die Player sind mächtig, das Hickhack ist riesig, die Ausgangslage spannend. Die Kernfrage: Wie wird die Senkung des Umwandlungssatzes von 6,8 auf 6 Prozent in der beruflichen Vorsorge (BVG) kompensiert?

Vor den Sommerferien setzte sich der von Arbeitgeberverband und Gewerkschaften geschmiedete Sozialpartner-Kompromiss durch, den auch der Bundesrat übernommen hat. Herzstück dabei ist ein Rentenzuschlag von 100 bis 200 Franken monatlich für Neurentner. Dieser wird über einen Lohnzuschlag von 0,5 Prozent auf Einkommen bis 860'000 Franken finanziert. Damit geht auch eine gewisse Umverteilung von Top- zu Kleinverdienern einher. Unter dem Strich geht es um jährlich 1,7 Milliarden Franken.

Doch nach den Sommerferien und intensivem Lobbying der Versicherungsbranche folgte die Kehrtwende: Nun sprach sich die bürgerliche Mehrheit mit 14 zu 10 Stimmen für ein Alternativmodell aus, welches SVP-Nationalrat Thomas de Courten (55, BL) eingebracht hatte. Der Vorschlag sieht ebenfalls Rentenzuschläge vom 100 bis 200 Franken monatlich vor. Allerdings nicht für alle. In den Genuss des Zuschlags sollen nur jene kommen, die im oder nahe am BVG-Minimum versichert sind. Das Nachsehen haben jene, die – im sogenannten Überobligatorium –besser versichert sind, als das gesetzliche Minimum vorschreibt. Der Zuschlag würde damit jährlich nur 800 Millionen Franken kosten. Finanziert mit 0,4 Lohnprozenten auf den koordinierten Lohn von maximal rund 86'000 Franken oder über Rückstellungen der Vorsorgeeinrichtungen. Zudem wäre der Zuschlag auf 15 Jahrgänge befristet.

Nur 35 bis 40 Prozent bekommen Zuschlag

Wie sich das De-Courten-Modell konkret auswirkt, war bisher unklar. Deshalb beliess es die Kommission im August bei einem provisorischen Beschluss. Doch nun liegt ein neuer Bericht des Bundesamts für Sozialversicherungen vor, der die Rentenzuschlagsmodelle beurteilt. Das ernüchternde Fazit: Mit dem De-Courten-Modell können nur «schätzungsweise 35 bis 40 Prozent der Neurentnerinnen und Neurentner der Übergangsgeneration» mit einem Rentenzuschlag rechnen. Kommt hinzu, dass selbst bei diesen die reglementarischen Altersrenten «nicht um den vollen Rentenzuschlag erhöht» würden. «Dies, weil allfällige überobligatorische Anteile angerechnet werden.»

Auch die Tieflöhner können nicht einfach auf eine Aufbesserung hoffen: Bei den Neurentnern mit weniger als 86'000 Franken Lohn hätten gemäss BSV nur gut «45 bis 50 Prozent» Anspruch auf einen Rentenzuschlag.

Bundesratsmodell «am vorteilhaftesten»

Im Spiel ist zudem eine dritte Variante von GLP-Nationalrätin Melanie Mettler (43, BE). Sie schlägt einen jährlich sinkenden Rentenzuschlag für 20 Jahrgänge vor. Allerdings nur bis zu einem Altersguthaben von rund 516'000 Franken. Wer mehr hat, geht leer aus. Dieses Modell würde rund 70 Prozent der Neurentnerinnen abdecken.

Der Bericht kommt zum Schluss, dass das in der ersten Lesung beschlossene Modell – welches weitgehend dem Bundesratsvorschlag entspricht – «das vorteilhafteste ist, insbesondere für die tiefsten Einkommen». Gerade bei Frauen werde damit die Vorsorge stärker verbessert. Zudem sei auch das auf dem Solidaritätsgedanken beruhende Finanzierungsprinzip für Versicherte mit tieferen Einkommen «eindeutig vorteilhafter».

Showdown in der Kommission

Ab Donnerstag geht es in der Kommission um die Wurst. SVP-Mann de Courten ist von seinem Vorschlag weiterhin überzeugt. «Statt mit der Giesskanne Geld zu verteilen, erhalten nur jene einen Zuschlag, welche es nötig haben», sagt er. Er geht davon aus, dass am Modell «Präzisierungen vorgenommen werden, die Stossrichtung sich aber nicht ändert».

Auch FDP-Nationalrat Marcel Dobler (41, SG) will die bisherige Linie ohne Finanzierung über Lohnprozente halten. «Ein solch systemwidriger Umverteilungsmechanismus kommt für mich nicht infrage», macht er klar. «Wir müssen aber einen mehrheitsfähigen Vorschlag hinbringen, hinter welchen sich möglichst alle Bürgerlichen scharen können.»

Klar ist, dass das links-grüne Lager für den Sozialpartner-Kompromiss kämpfen wird. Das De-Courten-Modell kommt für die Linke nicht in die Tüte. «Für die niedrigsten Einkommen würden die Ausgaben steigen und die künftigen Renten sinken», sagt SP-Nationalrätin Barbara Gysi (57, SG). «Der Vorschlag ist inakzeptabel und muss rasch korrigiert werden.»

Mettler hingegen hofft, dass sich die beiden Lager auf Basis ihres Vorschlages finden werden: «Die Reform muss nicht nur im Parlament, sondern auch vor dem Volk mehrheitsfähig sein.»

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