Gewerkschaften attackieren Versicherungen in der Rentenschlacht
«8 Milliarden Franken als Gewinn abgezweigt»

Bei der AHV soll das Frauenrentenalter steigen, in der beruflichen Vorsorge steht der Sozialpartner-Kompromiss auf der Kippe. Das ärgert die Gewerkschaften. Nun bringen sie neuen Zündstoff in die Debatte.
Publiziert: 14.09.2021 um 07:04 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2021 um 07:37 Uhr
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«In den letzten 15 Jahren sind die Pensionskassen-Renten um bis zu 20 Prozent gesunken», sagt Gabriela Medici vom Gewerkschaftsbund. «Im gleichen Zeitraum haben die Versicherungen kräftig Kasse gemacht und von den Renten über acht Milliarden Franken als Gewinn abgezweigt.»
Foto: YOSHIKO KUSANO
Ruedi Studer

Die Rentenschlacht um AHV und berufliche Vorsorge (BVG) ist in vollem Gange. Letzte Woche lancierte ein bürgerliches Komitee eine Volksinitiative, die die Kürzung der laufenden Pensionskassen-Renten aufs Tapet bringt. Am Dienstag beugt sich der Ständerat über die AHV-Reform, die eine Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65 vorsieht. Und am Samstag rufen die Gewerkschaften zur grossen Renten-Demo nach Bern.

Letztere bringen nun neuen Zündstoff in die Debatte. «In den letzten 15 Jahren sind die Pensionskassen-Renten um bis zu 20 Prozent gesunken», sagt Gabriela Medici (36) vom Gewerkschaftsbund zu Blick. «Im gleichen Zeitraum haben die Versicherungen kräftig Kasse gemacht und über acht Milliarden Franken von den Renten als Gewinn abgezweigt.»

Bis zu zehn Prozent abschöpfen

Sie verweist dabei auf die jährlichen Versicherungsberichte der Finanzmarktaufsicht (Finma), die jeweils die Ausschüttungsquote ausweist. So müssen mindestens 90 Prozent der erwirtschafteten Überschüsse aus Risiko- und Kostenprämien sowie Kapitalerträgen an die Vorsorgeeinrichtungen fliessen.

Umgekehrt dürfen die Versicherer bis zu zehn Prozent für sich und ihre Aktionäre einbehalten. In den letzten Jahren wurde diese Quote zwar nie ganz ausgeschöpft, trotzdem flossen 8,16 Milliarden Franken ab. «Die erzielten Gewinne stehen in keinem Verhältnis zu den Leistungskürzungen der Versicherten, im Gegenteil», ärgert sich Medici. «Angesichts der in der zweiten Säule dramatisch gesunkenen Renten sind sie stossend.» Im Rahmen der BVG-Reform sind von linker Seite denn auch Forderungen auf dem Tisch, die Mindestquote zugunsten der Versicherten zu erhöhen.

Fast 50 Milliarden Verwaltungskosten pro Jahr

Doch nicht nur die Gewinnabschöpfung durch die Versicherer ist den Gewerkschaften ein Dorn im Auge. Sie stören sich auch an den Kosten für Verwaltungsaufwand und Vermögensverwaltungskosten von Banken, Versicherern und Pensionskassen für die berufliche Vorsorge. «Diese belaufen sich mittlerweile auf jährlich über fünf Milliarden Franken», so Medici. «In den letzten 15 Jahren sind fast 50 Milliarden Franken im System versickert.»

Umso mehr ärgert sie, dass eine bürgerliche Mehrheit in der nationalrätlichen Sozialkommission den sogenannten Sozialpartner-Kompromiss in der zweiten Säule zu Fall bringen will und Rentenkürzungen auf breiter Front in Kauf nimmt. «Wir werden den Rentenklau bei AHV und Pensionskassen mit aller Kraft bekämpfen», macht Medici klar. Für die Renten-Demo erwartet sie mehrere Tausend Teilnehmende.

De Courten: «Halbe Wahrheit»

SVP-Nationalrat Thomas de Courten (55, BL) hingegen, der für harte Massnahmen bei den beiden Rentenreformen plädiert, will an der umstrittenen Mindestquote nicht rütteln: «Wir brauchen Stabilität im System. Wenn die Versicherer die Gelder gut bewirtschaften und Gewinne erzielen, kommt dies auch den Versicherten zugute.» So könnten auch Börsenverluste aus den Eigenmitteln der Versicherer ausgeglichen werden.

Und dass für die Verwaltung Kosten entstehen, «ist bei jedem Unternehmen normal». Von den Berechnungen der Gewerkschaften lässt er sich jedenfalls nicht beirren: «Sie zeigen höchstens die halbe Wahrheit. Isoliert betrachtet können sie nicht für bare Münze genommen werden.»

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