Die Fronten im Nationalrat sind bei der AHV-Reform klar: Bürgerliche gegen Linke! Die Bürgerlichen haben sich zu einem Kompromiss zusammengefunden, lassen die Linke aussen vor und gehen auf tutti. Ihr Poker: Das Stimmvolk ist reif für eine Reform, die auch wehtut.
«Ich gehe davon aus, dass wir die Rentenalter-Erhöhung beim Stimmvolk durchbringen», zeigt sich Mitte-Nationalrätin Ruth Humbel (63, AG) gegenüber Blick TV zuversichtlich. Punkten will sie mit den «grosszügigen Ausgleichsmassnahmen» für die Frauen. Man müsse die Vorlage den Leuten einfach gut erklären. Die Linke betreibe bloss «billige Propaganda zulasten eines Sozialwerks».
Linkes Referendum
Für Gewerkschaften, SP und Grüne ist das Referendum bereits beschlossene Sache. Denn beim Herzstück der Vorlage kennen die Bürgerlichen keine Gnade. Frauen sollen künftig gleich lange arbeiten wie Männer – also bis 65. Der Nationalrat stimmte dieser Erhöhung des Frauenrentenalters mit 124 zu 69 Stimmen deutlich zu. Einzig drei Bürgerliche hielten mit der geschlossenen Linken dagegen. Die Erhöhung spart der AHV jährlich gut 1,4 Milliarden Franken.
Klar ist: Wenn nichts passiert, schmilzt der Geldberg im derzeit mit 48 Milliarden Franken dotierten AHV-Fonds wegen der Babyboomer-Generation nach und nach dahin. Die bürgerlichen Parteien warnten denn auch vor einem Loch in der AHV-Kasse. SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi (42) appellierte an das links-grüne Lager, seine «destruktive Blockadepolitik» aufzugeben. «Stimmen Sie diesem Kompromiss zu und sagen Sie nicht ein weiteres Mal Nein und gefährden damit die Renten von Hunderttausenden Rentnerinnen und Rentnern!»
SP-Meyer: «Jede vierte Frau hat nur AHV»
Das links-grüne Lager läuft hingegen Sturm gegen die Erhöhung. «Jede vierte Frau hat nur die AHV. Jede zehnte Frau muss direkt nach Erreichen des Pensionsalters Ergänzungsleistungen beziehen», mahnte SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer (33). Die Rentensituation von Hunderttausenden von Frauen in diesem Land sei absolut ungenügend. Erst recht, wenn man auch die zweite Säule betrachte. «Doch statt dass man die Situation endlich verbessert, diskutieren wir heute ernsthaft über einen Rentenabbau.»
Rund 600 Millionen Franken will die bürgerliche Ratsmehrheit jährlich für die Ausgleichsmassnahmen einsetzen. Eine soziale Komponente soll beim Stimmvolk punkten: Vorgesehen sind nach Einkommen abgestufte Rentenzuschläge für Frauen, die bis zum ordentlichen Rentenalter erwerbstätig bleiben. Bei einem durchschnittlichen Einkommen von bis zu 57'360 Franken soll es 150 Franken zusätzlich geben. Bei bis 71'700 Franken Einkommen sind es 100 und bei höheren Einkommen noch 50 Franken.
Allerdings gilt dieser Ausgleich nur für sechs Übergangsjahrgänge – es geht um jene Frauen, die nach dem Inkrafttreten der Reform zuerst pensioniert werden. Träte die Revision 2022 in Kraft, wären es die Jahrgänge zwischen 1959 und 1964. Allerdings wurde in der Debatte schon angetönt, dass der Ständerat bei der Übergangsgeneration allenfalls noch nachbessern und ein, zwei weitere Frauen-Jahrgänge einschliessen sollen.
AHV braucht mehr Geld
Immerhin in einem Punkt sind sich alle Parteien einig: Die AHV braucht mehr Geld. Der Finanzbedarf ist riesig, geht doch nun die Babyboomer-Generation in Pension. 2030 rechnet der Bund mit einem 4-Milliarden-Franken-Minus, wenn nichts unternommen wird.
Im Vordergrund steht eine Erhöhung der Mehrwertsteuer zugunsten der AHV. Der Bundesrat wollte den Normalsatz um 0,7 Prozent erhöhen, der Ständerat um 0,3 Prozent – der Nationalrat hat sich für eine Erhöhung um 0,4 Prozent entschieden. Das bringt über eine Milliarde Franken jährlich ein.
Zudem sollen auch die Nationalbank-Gewinne aus den Negativzinsen rückwirkend ab 2015 in die AHV-Kasse fliessen – gut 12 bis 15 Milliarden Franken. SVP und SP schnürten ein entsprechendes Paket und setzen sich mit 108 zu 80 Stimmen durch. Im Ständerat dürfte diese Negativzins-Allianz aber einen schweren Stand haben – eine analoge Forderung fiel am Mittwoch im Stöckli mit 27 zu 18 Stimmen durch.
Die AHV-Vorlage geht nun zurück an den Ständerat.