Der Kampf um die AHV-Reform ist in vollem Gange, da platzen die Jungfreisinnigen mit einer brisanten Volksinitiative in die Debatte: Das Rentenalter soll künftig deutlich steigen! Jahr für Jahr um ein, zwei Monate. Das Volksbegehren kommt zustande, wie Jungfreisinnigen-Präsident Matthias Müller (28) und Initiativpräsident Patrick Eugster (31) gegenüber Blick bestätigen. «Wir haben bereits über 137'000 Unterschriften gesammelt!», sagt Müller. Am 16. Juli wird die Initiative bei der Bundeskanzlei eingereicht.
Das Resultat ist für Müller ein klares Signal: «Es ist ein Aufstand der Jungen! Wir wollen die Gefährdung unseres Rentensystems nicht einfach so hinnehmen.»
Mit der Initiative machen die Jungfreisinnigen auch Druck auf das Parlament, bei der laufenden AHV-Reform vorwärtszumachen und das Frauenrentenalter auf 65 zu erhöhen. «Es gibt keinen sachlichen Grund, dass Männer länger arbeiten sollen als Frauen», sagt Müller. Es gebe aber gute Gründe, dass beide Geschlechter darüber hinaus arbeiten müssten. «Die Lebenserwartung steigt und steigt – jedes Jahr um 40 Tage.» Damit würden auch die Rentenausgaben stetig steigen.
Es fehlen Milliarden
Werde nichts unternommen, summiere sich der Fehlbetrag in der AHV in den nächsten 25 Jahren auf 200 Milliarden Franken, moniert Eugster. Auch mit der geplanten AHV-Reform bleibe ein Minus über 120 Milliarden. «Dieser Schuldenberg geht voll zulasten der jungen Generation.»
Mit ständigen Hauruck-Übungen werde die Finanzierungsproblematik nicht nachhaltig gelöst, sagt Eugster. Das wollen die Jungfreisinnigen ändern, indem das Rentenalter mit einem Automatismus an die Lebenserwartung angepasst wird. Für jeden Jahrgang würde diese neu berechnet und das Pensionsalter entsprechend korrigiert. «Mit unserer Rentenformel bieten wir eine langfristige Lösung», sagt Eugster. Nach Inkrafttreten würde das Rentenalter schrittweise steigen – auf 66 Jahre per 2032. Danach jedes Jahr etwa um einen Monat. 2050 würde es bei 67 Jahren und 7 Monaten liegen, so die aktuelle Prognose. 2070 bei 69 Jahren.
Das sei immer noch weniger als in anderen europäische Ländern, sagen die beiden Jungpolitiker. In den Niederlanden, Dänemark, Italien, Deutschland oder Frankreich steigt das Rentenalter in den nächsten Jahren auf 67 – teils sogar mehr.
«Demografische Sturmflut»
«Mit der Babyboomer-Generation kommt eine demografische Sturmflut auf die AHV zu, deshalb müssen wir diese nun sturmfest machen», so Müller. Doch reicht es nicht, die Babyboomer-Welle zu überstehen? Denn darauf folgen wieder geburtenschwache Jahrgänge, die weniger kosten. «Nein», sagt Eugster. «Die Babyboomer sind nur ein Effekt, die längere Lebenserwartung ist der zweite – die fällt auch danach ins Gewicht. Ohne Gegenmassnahmen droht der AHV der Ruin.»
Warum also nicht einfach mehr Geld in die Hand nehmen – über Mehrwertsteuer, Lohnprozente oder gar Nationalbank-Geld? Immerhin liegen über 100 Milliarden Franken auf dem Ausschüttungskonto der Nationalbank. Geld, das bereits für Bund und Kantone – und damit die Bevölkerung – reserviert ist. Und das die Gewerkschaften gerne für die AHV einsetzen möchten.
Hände weg von Nationalbank-Geld
Doch auch das hält Müller für keine gute Idee. «Hände weg vom Tresor der Nationalbank!», warnt er. Die Nationalbank dürfe nicht unter Druck gesetzt werden, jedes Jahr Gewinne für politische Zwecke schreiben zu müssen. «Sie muss doch nicht die AHV finanzieren, weil die Politik seit Jahren ihren Job nicht macht.» Lohnbeiträge und Mehrwertsteuer wiederum würden die Wirtschaft und die Jüngeren zusätzlich belasten. «Da würden jedes Jahr weit über 1000 Franken im Portemonnaie fehlen», so Eugster. Die Initiative hingegen packe das Problem an der Wurzel, indem das Rentenalter entpolitisiert werde.
Man wolle ja auch niemandem den dritten Lebensabschnitt streitig machen, betont Müller. «Wir leben länger, arbeiten ein bisschen länger – damit macht die Pensionszeit auch in Zukunft rund 20 Prozent unserer Lebenszeit aus. Da nehmen wir niemandem etwas weg, im Gegenteil: Wir sichern unsere Renten nachhaltig.» Im Vergleich zu andern Ländern sei die Erhöhung im Übrigen nur «ein Ameisenschritt».
Die beiden sehen gute Chancen für ihre Initiative. «Wer hätte gedacht, dass eine Jungpartei über 130'000 Unterschriften für ein höheres Rentenalter sammeln kann?», fragt Müller rhetorisch. Für ihn ist klar: «Die Jungen sorgen sich um ihre Rente – und viele sind gerne bereit, für eine sichere Rente länger zu arbeiten.»