Mitte-Ständerat Beat Rieder (58) mit linkem Rezept
Börseler sollen die AHV retten

Die AHV braucht in den nächsten Jahren Geld – viel Geld. Statt einfach das Rentenalter oder die Mehrwehrtsteuer ständig zu erhöhen, greift Mitte-Ständerat Beat Rieder auf ein linkes Rezept zurück. Aber nur für die AHV.
Publiziert: 31.03.2021 um 06:40 Uhr
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Die AHV braucht in den nächsten Jahren viel Geld.
Foto: Keystone
Ruedi Studer

Das Rentenalter für Frauen soll auf 65 Jahre steigen, was jährlich 1,4 Milliarden Franken spart. Für die Abfederungsmassnahmen für neun Frauenjahrgänge der Übergangsgeneration sind maximal 420 Millionen jährlich vorgesehen. Und dank einer Mehrwertsteuererhöhung um 0,3 Prozent fliesst gut eine Milliarden Franken zusätzlich in die AHV-Kasse.

Dies die Eckpunkte der vom Ständerat beschlossenen AHV-Reform. Eine «Mini-Reform» zur Stabilisierung der AHV, auf die bald schon die nächste Revision folgen müsse, wie mehrere bürgerliche Ständeräte betonten. Sonst droht der AHV ein Milliardenloch. Selbst mit der jetzigen Reform gibt es ab 2030 jährlich ein Milliarden-Defizit.

Neue Steuer exklusiv für die AHV

Genau hier setzt Mitte-Ständerat Beat Rieder (58) an. «Die AHV braucht weitere Einnahmen. Wir können aber nicht einfach ständig das Rentenalter und die unsoziale Mehrwertsteuer erhöhen», sagt der Walliser. Da mache das Volk kaum mit. Gegenüber Radio SRF hat er deshalb die Idee einer Finanzmarkttransaktionssteuer – also eine Börsensteuer – ins Spiel gebracht. Dabei würde auf jede Transaktion ein Minibetrag erhoben – in der Regel 0,1 Prozent oder weniger des Handelswerts.

Rieder hat nun auch ein Postulat dazu eingereicht. Der Bundesrat soll aufzeigen, «wie eine Finanzmarkttransaktionssteuer in der Schweiz aufgebaut sein müsste, um die AHV mittel- und langfristig zu finanzieren», so die Forderung. Dabei denkt Rieder an einen Zeithorizont über das Jahr 2040 hinaus.

Was erstaunt: Ausgerechnet der rechtskonservative Rieder liebäugelt mit einem bei der Linken beliebten Finanzierungsinstrument. Doch der Walliser kennt da keine Hemmungen. «Es geht mir einzig und allein um die AHV. Als das wichtigste Sozialwerk ist sie ein Fundament für die Stabilität in unserer Gesellschaft», so Rieder. «Dafür nehme ich eine gewisse soziale Umverteilung in Kauf.» Die neue Steuer müsse aber exklusiv der AHV zugutekommen – und dürfe keinesfalls für sonstige Finanzierungswünsche zur Verfügung stehen.

Rieder betont zudem, dass die Steuer so ausgestaltet werden müsse, dass sie dem Schweizer Finanzplatz nicht schade. «Ein paar Milliarden muss sie jährlich aber schon abwerfen», sagt er. Der Bundesrat soll nun eine Auslegeordnung machen.

Offene Türen bei Linken

Bei den Linken rennt Rieder offene Türen ein. SP-Ständerätin Eva Herzog (59, BS) war sofort bereit, den Vorstoss mitzuunterzeichnen. «Ich war erstaunt, dass ein Vertreter einer bürgerlichen Partei diese Idee ins Spiel bringt», sagt sie. Ihr gefalle daran, dass nicht einfach über einen weiteren Leistungsabbau bei der AHV diskutiert werde, sondern neue Finanzierungsmöglichkeiten gesucht würden. «Es wird ganz anders wahrgenommen, als wenn es nur aus der linken Ecke kommt – damit steigen auch die Chancen.»

«Dass es zusätzliche Finanzierungsquellen für die AHV braucht, ist unbestritten», sagt SP-Co-Chefin Mattea Meyer (33). Über Rieders Vorschlag zeigt sie sich erfreut. «Ich begrüsse es sehr, wenn die Mitte zu einer solidarischen Finanzierung der AHV Hand bietet.» Sie fragt sich bloss, weshalb Rieder damit zuwarten will. «Wenn er den Vorschlag ernst meint, soll er ihn schon in die jetzige Reform einbringen.»

Auch in der eigenen Partei stösst die Idee auf Interesse. «Zur nachhaltigen Stabilisierung unserer Sozialwerke müssen wir neue Felder öffnen und kreativ sein», sagt Mitte-Nationalrat Christian Lohr (58, TG). «Bei Transaktionsgewinnen geht es oft auch um spekulative Gelder, weshalb eine Besteuerung durchaus Sinn machen könnte.»

Selbst FDP-Ständerat Damian Müller (36, LU) will die Tür nicht gleich zuschlagen. Mit der jetzigen Reform würden die Renten nur für wenige Jahre gesichert, sagt er. Noch nicht einmal diese sei in trockenen Tüchern. Es sei aber ein Fakt, dass selbst nach der aktuellen Revision nochmals Milliarden fehlen würden. «Um eine strukturelle Diskussion werden wir nicht herumkommen», sagt Müller. Diese werde auch einen politischen Ideenwettbewerb umfassen. «Diskutieren kann man dann alles.»

SVP-Aeschi zeigt sich «schockiert»

Auf Widerstand stösst Rieders Idee hingegen bei SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi (42). «Ich bin nicht nur schockiert, dass ein bürgerlicher Ständerat nun auch noch eine neue Steuer auf Geldtransaktionen fordert», sagt er, «sondern erst recht, weil er mit einer Finanzmarkttransaktionssteuer den Schweizer Finanzplatz massiv schwächen würde.»

Das globale Kapital sei sehr beweglich, da wirke sich bereits eine Steuer im Promillebereich negativ aus. Den gleichen Fehler habe man schon mit der Stempelsteuer gemacht, welche die Bürgerlichen nun wieder aufheben wollten.

«Finanzplätze wie New York, London oder Singapur würden sich ins Fäustchen lachen, weil die Transaktionen zu ihnen abwandern würden.» Aeschi will sich lieber auf die laufende AHV-Reform konzentrieren. «Der Ständerat hat eine solide Vorlage erarbeitet, an der sich der Nationalrat orientieren sollte.»

Rieder ist optimistisch

Rieder bleibt zuversichtlich. «Ich habe schon andere Vorstösse mit Sprengkraft eingereicht, die zu Beginn für einen Aufschrei gesorgt haben – und dann doch angenommen wurden.» Für ihn ist klar: «Wir müssen die Idee ohne politische Scheuklappen anschauen, denn wir brauchen einen Finanzierungsdurchbruch für die AHV.»

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