Darum gehts
- Martin Pfister konnte auf viele SP-Stimmen zählen
- SP-Co-Chefin Mattea Meyer erwartet, dass er das «VBS-Chaos» aufräumt
- In der Europapolitik pocht sie auf Lohnschutz-Massnahmen
Ab 1. April amtet im Verteidigungsdepartement (VBS) ein neuer Bundesrat. Der Zuger Regierungsrat Martin Pfister (61) hat – vor allem dank zahlreicher SP-Stimmen – die Wahl in die Landesregierung geschafft. SP-Co-Chefin Mattea Meyer (37) erklärt im Blick-Interview, was sie vom neuen Bundesrat erwartet.
Blick: Frau Meyer, herzliche Gratulation!
Mattea Meyer: Wozu? Ich habe nicht Geburtstag.
Quasi zum dritten SP-Bundesrat. Sie haben Martin Pfister zum Sieg verholfen.
Oh, nein! Er ist ein Mitte-Bundesrat. Mit ihm rückt der Bundesrat definitiv nicht nach links. Das macht mir auch Sorgen. SVP und FDP sind im Bundesrat übervertreten und politisieren in vielen Fragen – etwa bei der 13. AHV-Rente, dem Autobahn-Ausbau oder der Miet-Abzocke – völlig an der Bevölkerung vorbei. Es braucht eine sozialere, ökologischere Schweiz. Ich hoffe, dass Bundesrat Pfister hier mehr auf die Bevölkerung hört.
Welche Versprechungen hat er Ihnen gemacht?
Keine. Pfister hat aus allen Lagern Stimmen erhalten. Das Parlament hat sich für den besonneneren und integrativeren Kandidaten entschieden. Und gegen jenen, der in Zeiten von Trump und Putin die Macht des Stärkeren verkörpert. Angesichts der weltpolitischen Lage erwarte ich von Pfister, dass er dazu beiträgt, dass der Bundesrat endlich Haltung zeigt, anstatt sich wegzuducken. Die Anbiederung gegenüber der Grossmacht USA, welche sich unter Trump gegen Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Freiheit stellt, muss ein Ende haben. Das ist komplett unschweizerisch. Die Schweiz ist keine Aktiengesellschaft, die sich dem Meistbietenden verkauft.
Dann hätte Seco-Chefin Helene Budliger Artieda (59) diese Woche nicht in die USA reisen sollen?
Die USA versuchen die Welt und Europa zu spalten. Die Schweiz darf hier nicht als US-Spaltpilz fungieren. Budligers Reise, nur um handelspolitische Wogen zu glätten, ist unnötig. Es gibt aktuell auch absolut keinen Grund für ein Freihandelsabkommen mit den USA.
Pfister übernimmt das VBS. Was erwarten Sie von ihm in dieser Funktion?
Er übernimmt ein Departement, in dem seit Jahrzehnten Misswirtschaft betrieben wurde. Dieses Chaos muss jetzt aufgeräumt werden. Dazu braucht es einen klaren Stopp, bei dem analysiert wird, was schiefgelaufen ist und wie diese Geldverschleuderung künftig verhindert wird. Seine Vorgängerin Viola Amherd (62) war zudem die Erste, die das Thema Sexismus in der Armee angesprochen hat. Hier erwarte ich von Pfister, dass er diesen Weg weitergeht. Zudem muss er dafür sorgen, dass wir eine Sicherheitspolitik haben, die der aktuellen Bedrohungslage entspricht.
Das heisst?
Kein Heavy-Metal-Kampfstil mit noch mehr Panzern. Stattdessen müssen wir mehr auf Cybersicherheit und Desinformation fokussieren.
Sie sagen, man muss das VBS-Chaos aufräumen. Markus Ritter galt im Parlament als Macher. Wäre er nicht doch die bessere Wahl gewesen für diese Aufgabe?
Das ist natürlich eine grosse Verantwortung. Es braucht jemanden, der sich getraut hinzuschauen, zuzuhören, zu entscheiden und dann auch zu handeln. Das traue ich Pfister durchaus zu.
Viele EU-Staaten erhöhen derzeit das Budget für die Verteidigung. Dabei gibt es auch kritische Stimmen, dass die Schweiz zu wenig in ihre Armee investiere.
Die Sicherheit Europas und damit der Schweiz entscheidet sich in der Ukraine. Es ist deshalb absolut sinnlos, Panzer an unsere eigenen Grenzen zu stellen. Wenn wir Sicherheit wollen, muss die Schweiz einen Beitrag dazu leisten, dass die Ukraine diesen Krieg gewinnt.
Als neutrales Land kann die Schweiz keine Waffen an die Ukraine liefern.
Das ist so. Wir können aber die humanitäre Hilfe ausbauen, bei Minenräumungen helfen, den Wiederaufbau unterstützen oder endlich dafür sorgen, dass russisches Geld nicht mehr über die Schweiz fliesst.
FDP-Präsident Thierry Burkart (49) sagte im Blick, dass die Schweiz für eine funktionierende Rüstungsindustrie den Export brauche. Auch der Bundesrat will das Kriegsmaterialgesetz lockern. Hilft die SP dabei?
Wenn es der Ukraine hilft, sind wir dafür. Ich finde es aber verwerflich, wenn die aktuelle Situation ausgenutzt wird, um Waffen wieder direkt in menschenrechtsverletzende Länder wie Saudi-Arabien liefern zu können. Burkart fokussiert plötzlich darauf, Rüstungsgüter in Europa zu beschaffen. Dabei war er 2022 federführend in der Beschaffung des amerikanischen F-35-Kampfjets. Dieser Kauf hat uns zu 100 Prozent abhängig vom Trump-Regime gemacht.
Ist das nicht eher das Verschulden der SP? Schliesslich hat sie den europäischen «Gripen» zum Absturz gebracht.
Ich bin bereit, für vieles die Verantwortung zu übernehmen, aber dafür nicht. Sogar das VBS hat zugegeben, dass der Gripen damals nicht beschaffungsreif war.
Na ja, Sie wollen nun ja auch den F-35-Entscheid kippen.
Als sich das Stimmvolk 2020 für einen neuen Kampfjet entschieden hat, war die geopolitische Lage eine ganz andere. Mittlerweile hat sich Trump von Europa abgewandt und es steht in den Sternen, ob der F-35 überhaupt geliefert wird – und auch wenn, könnte Trump jederzeit dafür sorgen, dass er nicht ein einziges Mal abhebt. Das ist sicherheitspolitisch ein enormes Risiko. Deshalb haben wir einen Vorstoss eingereicht, diesen Entscheid nochmals zu prüfen und zu klären, wie die Schweiz sich vom Kaufvertrag zurückziehen könnte.
Zurück zum Bundesrat: Die SP will den SVP/FDP-Viererblock brechen. Das geht eigentlich nur mit einem zweiten Mitte-Sitz. Ist das nach dem jüngsten Mitte-Murks überhaupt zu schaffen?
Es war sicher keine Glanzleistung, welche die Mitte geboten hat. Ich bedaure sehr, dass viele Mitte-Politiker nicht bereit dazu waren, Regierungsverantwortung zu übernehmen. Ich hoffe, das ändert sich bis zur nächsten FDP-Vakanz.
Haben Sie eine Wunschkandidatin?
(Lacht) Ich muss schon die Personalpolitik der SP im Griff halten. Da kann ich nicht auch noch jene der Mitte übernehmen. Was aber klar ist: Es darf nicht bei einer Mehrheit von fünf Männern gegenüber zwei Frauen bleiben. Das sind die bürgerlichen Parteien der weiblichen Hälfte der Bevölkerung schuldig.
Der aktuelle Bundesrat schnürt am Freitag wohl ein Lohnschutzpaket, um den EU-Deal abzusichern. Ist die SP dann mit im Boot?
Ich bin zuversichtlich. Der Bundesrat muss nun die Lohnschutz-Massnahmen aus den Sozialpartner-Gesprächen unverändert übernehmen. Das ist das absolute Minimum für uns. Wenn das Parlament Abstriche daran vornimmt, wird es heikel. Die FDP und die Wirtschaftsverbände spielen mit dem Feuer, wenn sie den Lohnschutz schwächen wollen. Wir bieten Hand zu einem Kompromiss, indem wir in anderen Bereichen – etwa bei der Einschränkung der Unionsbürgerrichtlinie – über unseren Schatten springen.
Laut einer Umfrage sind 88 Prozent der SP-Anhängerinnen und Anhänger mit dem EU-Vertrag einverstanden. Kommt der Deal also durch?
Die Vergangenheit lehrt uns, dass EU-politische Abstimmungen immer dann erfolgreich waren, wenn es ein Zusammenspiel aus Öffnung und sozialem Schutz gab. Aber nur wenn unsere Löhne und Arbeitsbedingungen gesichert sind, ist die Bevölkerung bereit, sich Europa zuzuwenden. Der Lohnschutz ist für das EU-Paket zentral.