Darum gehts
- Mitte will zweiten Bundesratssitz, ist aber geschwächt
- Für FDP wäre es der ideale Zeitpunkt, ihren zweiten Sitz neu zu besetzen
- Showdown bei Gesamterneuerungswahlen Ende 2027 erwartet
Der Zuger Martin Pfister (61) ist neuer Bundesrat. Nach dem ersten Wahlgang war das Rennen praktisch gelaufen. Nachdem ihm dort nur eine einzige Stimme gefehlt hatte, macht er im zweiten Wahlgang den Sack zu. Deutlich mit 134 Stimmen. Die Mitte bekomme mit Pfister einen «exzellenten Bundesrat», lobte Fraktionschef Philipp Matthias Bregy (46). Die Begeisterung für Pfister hält sich im Bundeshaus aber in Grenzen, die SP sprach bezüglich der Auswahl von einem «Armutszeugnis».
Der Wahlapéro mit Zuger Chriesiwurst und Kirschtorte vermochte den Mitte-Murks der letzten Wochen für einen Moment zu übertünchen. Doch nach der Wahl ist vor der Wahl. Die Mitte hätte gerne einen zweiten Bundesratsposten und schielt dabei auf einen FDP-Sitz. Allerdings, nach den Chaostagen bei der Suche nach einer geeigneten Nachfolge für Viola Amherd (62) ist die Partei geschwächt. «Wie will uns die Mitte einen Sitz wegnehmen, wenn sie nicht einmal eine Auswahl an Bundesparlamentariern für einen Bundesratssitz bieten kann?», mokierte sich FDP-Nationalrat Marcel Dobler (44, SG) im Blick.
Zum jetzigen Zeitpunkt wäre eine Mitte-Attacke wohl tatsächlich ein hoffnungsloses Unterfangen. Jene Topkandidaten, die diesmal wortgewaltig abgesagt haben, hätten ein Glaubwürdigkeitsproblem. Zudem wäre die Mitte auf die lückenlose Rückendeckung von SP, Grünen und GLP angewiesen. Zusammen kämen sie auf 134 Stimmen. Für das absolute Mehr braucht es zwar nur 124 Stimmen, doch das Vertrauen in die Mitte ist untergraben. Und die Grünen überlegen sich selber eine Attacke.
Idealer Zeitpunkt für FDP
Eigentlich der ideale Zeitpunkt also für die FDP, ihren zweiten Sitz so rasch wie möglich mit einer Neubesetzung besser zu sichern. Dies auch vor dem Hintergrund, dass sie nicht nur die Parlamentswahlen 2023 verloren hat, sondern seither auch in den Kantonen neun Mandate abgeben musste. Zuletzt in Solothurn mit einem Minus von zwei Sitzen, womit die FDP erstmals weniger als 500 Kantonsratsmandate hält – einzig mit den Mandaten der Liberaldemokraten in Basel-Stadt bleibt sie über der 500er-Grenze. Die Mitte hingegen hat minim zugelegt.
In den Fokus rückt damit FDP-Aussenminister Ignazio Cassis (63). Ein baldiger Rücktritt würde der FDP den Weg ebnen, mit einer starken Figur ihre beiden Mandate langfristig zu verteidigen. Beispielsweise per Ende dieses Jahres. In FDP-Kreisen hält man dieses Szenario aber für unwahrscheinlich. Viel eher geht man davon aus, dass sich Cassis die historische Chance nicht entgehen lassen will, als politisches Vermächtnis einen neuen EU-Deal ins Trockene zu bringen. 2027 winkt zudem das Bundespräsidium.
Showdown 2027
Damit wäre der Showdown erst auf die Gesamterneuerungswahlen Ende 2027 terminiert, was der Mitte in die Hände spielt. Cassis würde der Herausforderer-Partei genügend Luft verschaffen, neue Anwärter aufzubauen – etwa den Genfer Nationalrat Vincent Maitre (44) oder die Zürcher Nationalrätin Nicole Barandun (56). Vielleicht kommt auch das eine oder andere Schwergewicht, das diesmal abgesagt hat, nach dieser Anstandsfrist auf seinen Entscheid zurück.
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Wegweisend werden damit die National- und Ständeratswahlen vom Oktober 2027. Dann zeigt sich, wer die besseren Karten bekommt. Setzt sich die FDP deutlich von der Mitte ab, wird sie auch ihre Bundesratsmandate verteidigen. Holt sich aber die Mitte klar den dritten Platz, wäre ihr Anspruch bei einem Cassis-Rücktritt kaum bestritten. Spannend wird es, wenn die beiden Parteien Kopf an Kopf bleiben. Eine Kampfwahl ist dann garantiert.