Darum gehts
- Martin Pfister zieht in den Bundesrat ein, überraschend und deutlich
- Pfister galt anfangs als Aussenseiter, überzeugte aber mit steiler Lernkurve
- Im zweiten Wahlgang erhielt Pfister 134 Stimmen, Ritter nur 110
Der «stille Schaffer» straft die Zweifler ab. Martin Pfister (61), Zuger Gesundheitsdirektor, zieht in den Bundesrat ein – deutlich und mit nur drei Stimmen weniger, als Blick bereits letzte Woche voraussagte.
Bereits im ersten Wahlgang fehlte Pfister eine einzige Stimme für das absolute Mehr. Es war im Bundeshaus der Überraschungsmoment des Tages – ein Coup bahnte sich an!
Am Ende war es ein deutliches Resultat
Im zweiten Wahlgang schrieben dann gar 134 Bundesparlamentarier und -parlamentarierinnen den Zentralschweizer auf ihren Wahlzettel. Konkurrent Markus Ritter (57) musste sich derweil mit 110 Stimmen begnügen. Der so selbstsichere Bauernpräsident musste plötzlich als Verlierer vom Platz.
«Kasernen sind mir vertrauter als das Bundeshaus», hatte Pfister vor der Wahl gesagt. Nun hiess es: «Mein Platz ist jetzt im Bundesrat.» Kurze Zeit später stand er bereits mit einem Lächeln zwischen seinen sechs zukünftigen Berufskolleginnen und -kollegen in der Landesregierung.
Den Platz hatte er sich hart erkämpft. Mitte Januar kursierte Martin Pfisters Name erstmals in den Medien. Er diente vor allem zur Belustigung: Wird etwa doch noch ein Pfister Bundesrat, nachdem sich Namens- und Kantonsvetter Gerhard (62) aus dem Rennen genommen hatte? An eine ernst zu nehmende Kandidatur dachte damals noch kaum jemand.
Lange galt Pfister als Notlösung
Als Pfister sich zwei Wochen später erstmals den nationalen Medien stellte, tat er wenig, um den allgemeinen Verdacht zu entschärfen, dass hier ein «Alibi-Kandidat» spricht. Zurückhaltung sei sein Naturell, sagte er etwa an seiner eigenen Medienkonferenz.
Die Mitte hatte damals Chaostage hinter sich – eine ernsthafte Alternative zum selbstsicheren Bauernpräsidenten Ritter schien aussichtslos. Und als die Parteispitze schliesslich als letzte Hoffnung sämtliche 41 Regierungsräte der Partei anschrieb, meldete sich tatsächlich nur Pfister – der grosse Unbekannte ohne Netzwerk in Bern. Er schien wie eine Notlösung.
Vielleicht war es die auch. Pfister selbst nahm die Sache jedoch ernst – und begann, ein Netzwerk aufzubauen. Er engagierte die ehemalige Bundeshausjournalistin und heutige PR-Frau Bettina Mutter (59), die ihn innerhalb weniger Wochen zum Bundeshauskenner formte.
Der Vorteil, nicht Markus Ritter zu sein
«Die Zeit war die grösste Herausforderung», sagte Mutter nach der Wahl zu Blick. Martin Pfister habe mit seinen Werten und Überzeugungen punkten können. Für die Beraterin war das Mandat ein Vollerfolg.
Pfister hatte dabei aber auch den entscheidenden Vorteil, nicht Markus Ritter zu sein. Der Mitte-Zampano hatte im Bundeshaus bereits viele Brücken eingerissen – selbst in der eigenen Partei – und ruhte sich vor der Wahl etwas zu selbstsicher auf seinem Erfahrungsschatz als Nationalrat aus.
Zahlreiche Parlamentarier und Parlamentarierinnen bestaunten nach den Hearings die steile Lernkurve des Aussenseiters Pfister. Gleichzeitig huschte er aber zwischen den Fraktionsvorsprechen an den Medien vorbei, als wäre er auf der Flucht. Und stand er für einmal vor Mikrofon und Kamera, zeigte er sich – im Gegensatz zu seinem Konkurrenten – nur wenig schlagfertig. Das Image als Verwalter statt als Aufräumer blieb bis zum Schluss an ihm haften.
Amherd ging unter Tränen
So glich der Wahlkrimi einer Achterbahnfahrt. Die endgültige Entscheidung erfolgte vermutlich erst auf den letzten Drücker – an den Fraktionssitzungen am Mittwochmorgen.
Die SP-Fraktion stimmte letztlich doch noch fast geschlossen für den Zuger, nachdem in den Tagen zuvor immer mehr Ritter-Sympathien nach aussen gedrungen waren. Und auch in der FDP entschied sich wohl am Ende eine knappe Mehrheit gegen den Bauernpräsidenten. Zuvor hatte es lange nach einem Patt ausgesehen.
Mit dem Überraschungssieg beerbt Pfister nun die abtretende Bundesrätin Viola Amherd (62). Diese verabschiedete sich vor der Wahl beim Parlament. Zum Ende ihrer Abschlussrede kamen der ersten und vorläufig letzten Frau an der Spitze des Verteidigungsdepartements die Tränen. Es war wohl gleichermassen aus Dankbarkeit und Erleichterung.
Vielleicht treten die beiden bald gemeinsam auf: Am 2. Juli beginne die Fussball-EM der Frauen, sagte Pfister an seiner ersten Medienkonferenz als Bundesrat. «Ich hoffe, dass mich Viola Amherd da begleiten wird.»