Auf einen Blick
- Nachfolge von Viola Amherd wird am kommenden Mittwoch gewählt
- SVP wählt klar Ritter, SP und Grüne Pfister
- 246 Parlamentarier entscheiden, FDP könnte Zünglein an der Waage sein
Bald wird abgerechnet! Am kommenden Mittwoch dreht sich alles um eine Frage: Markus Ritter (57, SG) oder Martin Pfister (61, ZG)? 246 Parlamentarierinnen und Parlamentarier müssen entscheiden, welcher Mitte-Kandidat die Nachfolge von Bundesrätin Viola Amherd (62) antritt.
Blick hat sich im Bundeshaus umgehört, mit Dutzenden Nationalrätinnen und Ständeräten gesprochen – und wagt die grosse Prognose.
SVP – 74 Mitglieder
Die Hearings bei der grössten Fraktion im Bundeshaus scheinen für die beiden Kandidaten ein ziemlicher Brocken gewesen zu sein. Auch Ritter, der in der SVP als Bauernpräsident und konservativer Politiker viele Sympathien geniesst, strich die «enorme Fragedichte» heraus.
Am Ende wollte sich die SVP-Fraktion jedoch noch nicht festlegen: Man werde sich nächste Woche erneut beraten. Für die Entscheidung stünden «zentrale Fragen der Sicherheit, Verteidigungsfähigkeit und bewaffneten Neutralität» im Vordergrund. Noch wichtiger sei jedoch die Meinung zum EU-Paket, heisst es aus der Fraktion.
Der «internationaler» ausgerichtete Zuger Martin Pfister wird also eher weniger punkten. Auch weil er im Hearing wie eine «Fahne im Wind» aufgetreten sei, erzählt ein SVP-Schwergewicht. Die Mehrheit dürfte Ritter wählen. «Wir trauen ihm zu, den VBS-Saustall endlich aufzuräumen. Das braucht es jetzt dringend», sagt ein anderer SVPler.
Vollkommen zufrieden ist man bei der SVP aber mit keinem der beiden. Besonders Zampano Ritter hat sich auch bei den Rechten seine Feinde gemacht: «Etwa zehn Mitglieder werden für Pfister stimmen – weil sie Ritter einfach nicht wollen.» Die wenigen Abweichler wählen also «anti Ritter» und nicht «pro Pfister» – ein Muster, das sich durch die meisten Fraktionen zieht.
SP – 50 Mitglieder
Die Sozialdemokraten machen keinen Hehl daraus, dass keiner der Mitte-Kandidaten nach ihrem Gusto politisiert. Letztlich wird sich die Mehrheit für das «kleinere Übel» entscheiden – also Pfister.
Doch wird das geschlossen passieren, wie SP-Stimmen behaupten? Dagegen sprechen zwei Details. Zum einen kommt Ritters «Aufräum-Versprechen» auch bei einigen Linken an. Sowohl im Verteidigungsdepartement als auch im Bundesrat könne der St. Galler sich durchsetzen – Pfister gilt dagegen als schwacher Verwalter.
Zum anderen könnten sich die linken Frauen auf ein gefährliches Spiel einlassen und auf ihre Wahlzettel etwa Isabelle Chassot (59) oder Andrea Gmür (60) schreiben. Die beiden Mitte-Ständerätinnen könnten so indirekt zu Wegbereiterinnen Ritters werden. Man rücke nun aber nach und nach von der Idee ab, heisst es aus dem Kreis von Frauennetzwerken.
Mitte – 46 Mitglieder
Wie viele Feinde hat Ritter in der eigenen Fraktion? «Druckversuche zugunsten der Bauern gab es auch in den eigenen Reihen immer wieder», sagt eine Mitte-Nationalrätin. Sowieso hat sich der Bauernpräsident mit seinen Kommentaren – das VBS sei halt für Frauen schwierig – besonders bei den Mitte-Parlamentarierinnen ins Abseits bugsiert. Weil sie es gleichzeitig nicht schafften, eine Kandidatin zu portieren, müssen sie mit Pfister vorliebnehmen.
Dazu kommt: Die auch sonst aufmüpfigen Mitte-Ständeräte zeigen sich uneins. Zum einen hat der Zuger Regierungsrat mit Kantons- und Parteikollege Peter Hegglin (64) einen «wichtigen Influencer» im Stöckli. Ein bedeutender Teil hofft jedoch auf einen «starken Mann» im VBS – und wählt daher Ritter.
Im Nationalrat werden wohl ebenfalls einige aus der Mitte auf Ritter setzen: «Er hat Boden gut gemacht, weil das VBS-Chaos wirklich gross ist», sagt ein Nationalrat. Das Versprechen, aufzuräumen, komme innerhalb wie ausserhalb der Partei an. Zudem könnten sich viele durch den «Ex-Parlamentarier» Ritter einen besseren Zugang zur Regierung erhoffen.
FDP – 38 Mitglieder
Die FDP empfiehlt gleich beide Kandidaten zur Wahl. «Jedem Fraktionsmitglied ist es selber überlassen, welchen Kandidaten er oder sie wählen will», sagte Fraktionschef Damien Cottier (49) nach den Hearings.
FDP-Quellen rechnen mit einer gleichmässigen Verteilung ihrer Stimmen für beide Kandidaten. Besonders die Westschweizer würden grossmehrheitlich für Pfister stimmen, behauptet ein Nationalrat. «Es hat genug Landwirtschaft im Bundesrat, ich werde Pfister wählen», sagt ein anderer. Zudem imponiere, dass Pfister aktuell in einem sehr wirtschaftsliberalen Kanton amtet, tönt es aus der Fraktion.
Die gespaltene FDP könnte das Zünglein an der Waage werden bei der Wahl am Mittwoch.
Grüne – 26 Mitglieder
Anders als bei der SP deutet bei den Grünen alles auf freie Fahrt für Martin Pfister hin. Kaum vorstellbar, dass jemand in der Fraktion tatsächlich für den Anti-Ökologen Ritter stimmen wird.
GLP – 12 Mitglieder
Im Gegensatz zu SVP und FDP deutete die GLP nach ihren Hearings eine klare Präferenz an. «Die Positionen von Martin Pfister sind näher an unseren Zielen», sagte Fraktionschefin Corina Gredig (37).
Eine Wahlempfehlung sei das jedoch noch nicht, stellte sie klar. Erst kommende Woche treffe man einen definitiven Entscheid.
Die von Gredig erwähnten Ziele zeigen, weshalb die Fraktion zu Pfister tendiert: Stabile bilaterale Beziehungen, Energiewende, Ökologie und Biodiversität – sie sind kaum deckungsgleich mit den Positionen von Markus Ritter.
Fazit
Das Blick-Orakel zeichnet ein deutliches Bild: Der unscheinbare Martin Pfister übertrumpft den selbstsicheren Markus Ritter! Klar ist aber auch: Bis nächsten Mittwoch kann noch viel passieren.
Denn es wird nie so viel gelogen wie vor Bundesratswahlen, lautet ein Bonmot. Das Stimmgeheimnis macht es unmöglich zu überprüfen, ob die Parlamentarier tatsächlich so abstimmen, wie sie es behaupten.
Die Frage bleibt: Zeigen sich die Parlamentarierinnen und Parlamentarier in ihrer Meinung standhaft? Oder lassen sich einige noch bis Mittwoch von einer der zahlreichen Interessensgruppen im Bundeshaus umstimmen?