Zuger Regierungsrat will Amherds Nachfolger werden
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Martin Pfister im Porträt:Zuger Regierungsrat will Amherds Nachfolger werden

Zu Besuch bei der Grossfamilie des Bundesratskandidaten Martin Pfister
Warum ihn die Enkel «Vovô» nennen

Der Zuger Regierungsrat Martin Pfister will Mitte-Bundesrat werden. Sein grösster Fanklub? Seine vier Kinder und seine Frau Cacilda. Jetzt hat er die Tür zu seinem Haus geöffnet.
Publiziert: 05.03.2025 um 11:58 Uhr
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Aktualisiert: 05.03.2025 um 15:52 Uhr
«Patchwork – den Begriff mögen wir nicht so: Wir sind einfach eine Grossfamilie.» Martin Pfister mit Cacilda Giacometti Pfister (Mitte), den Kindern Gabriela (l.), Samuel, Fabiola mit Partner Lukas und Isabel (r.). Vorne die Enkel Yaron, Joah, Enea und Elin (v. l.).
Foto: Kurt Reichenbach

Auf einen Blick

  • Martin Pfister kandidiert für den Bundesrat und stellt sich als starker Herausforderer
  • Pfister lernte seine Frau Cacilda an der Baarer Fasnacht vor 27 Jahren kennen
  • Die Familie Pfister hat 5 Kinder und 3 Enkelkinder im Alter von 8 Wochen bis 7 Jahren
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Jessica Pfister
Schweizer Illustrierte

Sonntag ist bei Pfisters zu Hause in Allenwinden ZG Familientag. Oder besser gesagt: Grossfamilientag. Der Tisch ist gedeckt für zehn Personen. Es riecht nach Käse, im Ofen Grissini-ähnliche Stängel aus Maniokmehl – eine Spezialität aus Brasilien. Ein kleiner Lockenkopf stibitzt einen Apfelschnitz vom Tisch. «Vovô, gibts jetzt ein Foto?», ruft eine Mädchenstimme aus dem Wohnzimmer. Vovô, damit ist Martin Pfister (61) gemeint.

«Auf Portugiesisch heisst das Grossvater», erklärt die gebürtige Brasilianerin Cacilda Giacometti Pfister (59) und reicht ihrem Mann ein Gebäck zum Probieren. «Mein erster Satz auf Portugiesisch war: Mein Bauch ist voll», sagt Pfister schmunzelnd. Mit seiner Frau spricht er meist Hochdeutsch. «Ich will auch!», ruft Enea (7), der kichernd die Treppe runterkommt. Derweil hält Tochter Fabiola (35) den jüngsten Enkel von «Vovô», den acht Wochen alten Joah, im Arm.

Artikel aus der «Schweizer Illustrierten»

Dieser Artikel wurde erstmals in der der «Schweizer Illustrierten» publiziert. Weitere spannende Artikel findest du auf www.schweizer-illustrierte.ch.

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«Kein chancenloses Unterfangen»

Nur wenige Wochen ist es her, dass der Zuger Regierungsrat am Wohnzimmertisch des Reiheneinfamilienhauses, in dem er selber als ältestes von drei Kindern aufgewachsen ist, mit seiner Familie die Bundesratskandidatur besprochen hat. «Wir haben ihm gesagt, dass wir hinter ihm stehen – egal, wie er sich entscheidet», sagt Fabiola Weibel. Genauso wie er sie und ihre drei Geschwister auch immer ihren Weg habe machen lassen. «Martin überlegte sich das gut – wie alles, was er im Leben anpackt», sagt seine Frau Cacilda Giacometti Pfister, die in Zug eine medizinische Massagepraxis führt.

Beim Sonntagsbrunch kommt die ganze Familie Pfister zusammen. Neben Zopf, Gipfeli und Käse gibt es auch Grissini-ähnliche Stängel aus Maniokmehl, einer Speizialität aus Brasilien.
Foto: Kurt Reichbach

Dazu passt, dass Martin Pfister seine Kandidatur für die Nachfolge von Viola Amherd (62) erst wenige Stunden vor Ablauf der Anmeldefrist eingereicht hat. «Ich wollte sicher sein, dass ich mich nicht auf ein chancenloses Unterfangen einlasse. Darum habe ich viele Gespräche geführt», sagt Pfister.

Als Aussenseiter gegen den bekannten Bauernverbandspräsidenten und St. Galler Mitte-Nationalrat Markus Ritter gestartet, sieht sich Pfister heute als «starken Herausforderer». «Das Problem am Anfang war, dass mich viele Leute nicht kannten – diesbezüglich konnte ich Boden gut machen.» Sooft wie möglich fährt er mit dem Zug nach Bern, um Kontakte zu knüpfen und für alle Parlamentarierinnen und Parlamentarier ansprechbar zu sein. Das sei auch der wichtigste Rat, den ihm die Schwyzer Ständerätin und ehemalige FDP-Parteichefin Petra Gössi (49) gegeben habe. «Und: mich nicht zu verbiegen.»

Auf dem Flügel hat Pfister schon als Bub gespielt. Mit der Posaune tritt er an der Fasnacht auf. «Dieses Jahr gibts wohl nur einen kurzen Besuch.»
Foto: Kurt Reichenbach

An der Fasnacht kennengelernt

«Martin ist der Ruhepol unserer Familie», sagt die gelernte Maschineningenieurin Gabriela Giacometti (32). Die zwei älteren Töchter hat Martins Frau Cacilda mit in die Ehe gebracht. «Für uns ist er unser zweiter Papa. Ob bei Hausaufgaben oder beim Sport, er unterstützte uns immer», sagt Fabiola.

Vor 27 Jahren hat Martin Pfister seine künftige Frau an der Baarer Fasnacht angesprochen und auf einen Kaffee eingeladen. Er zog damals Posaune spielend mit seiner Guggengruppe «Snäfuu» durch die Gassen. «Ich bin eigentlich gar kein Fasnachtsfan, es ist mir zu lärmig und zu laut», erzählt Cacilda, die im Bundesstaat Minas Gerais nördlich von Rio de Janeiro aufgewachsen ist und mit 23 in die Schweiz kam. Nach drei Monaten wurde aus einer anfänglichen Freundschaft Liebe.

Im Wohnzimmer packt Pfister die Posaune aus. Selbst mit dem Blechinstrument gibt der 1,90 Meter grosse Politiker keine lauten Töne von sich, sondern spielt lieber entspannten Jazz von Altmeister Abdullah Ibrahim, dessen Musik er auch privat gern hört. Im Bücherregal stehen neben Romanen von Zadie Smith oder T. C. Boyle (Pfisters Lieblingsschriftsteller) zig historische Wälzer. «Jeden Abend vor dem Schlafen lese ich noch eine halbe Stunde. Aktuell gerade den neusten Roman von Joël Dicker, um mein Französisch aufzubessern», sagt Pfister, der an der Uni Freiburg Germanistik und Geschichte studierte und später als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Bundesratsexperte Urs Altermatt arbeitete.

Schon Pfisters Vater – ehemaliger Redaktor der katholisch-konservativen «Zuger Nachrichten» war Historiker. «Ich habe die halbe Kindheit in Museen verbracht, das hat mich sicher geprägt», erzählt Pfister. «Papa ist ein wandelndes Lexikon», bringt es Tochter Isabel (21), die an der Uni Bern Jura studiert, auf den Punkt. Sohn Samuel nickt. «Zeigt man auf einen Stern, erzählt er einem kurz darauf alles über die Astronomie.»

«Der Abstand zwischen Reissverschluss und Revers stimmt», sagt Oberst Pfister. Sohn Samuel absolvierte gerade den WK.
Foto: Kurt Reichenbach

Der 23-Jährige hat gerade seinen ersten WK beendet. Zuvor leistete er eineinhalb Jahre Dienst bei der Infanterie und ist heute Offizier – sein Vater trägt den Grad des Obersts. «Ich bin sehr gern in der Armee. Aber weil es Probleme bei der Ausrüstung gibt, sind viele Leute unzufrieden», sagt Samuel. Er würde es deshalb begrüssen, wenn sein Papa der nächste VBS-Chef würde. Dieser sagt: «Das Wichtigste ist, dass wir die Verteidigungsfähigkeit möglichst schnell herstellen – das ist auch bedeutend für die Menschen, die Dienst leisten und im Ernstfall zuvorderst stehen würden.»

Angesprochen auf seine Motivation für das Amt des Bundesrats, sagt Pfister: «Ich habe immer schon gern Verantwortung übernommen.» In der Pfadi leitete Pfister alias Hecht mit 18 ein Lager mit 90 Teilnehmern, im Militär war er Chef Katastrophenhilfe in der Territorialdivision 3. «Ich lernte, systematisch zu denken und mit Druck umzugehen, das half mir gerade in der Pandemie sehr.» Diese erlebte der ehemalige Parteichef der CVP Zug, der seit 2016 der Gesundheitsdirektion vorsteht, hautnah – und kriegte für seine Arbeit damals Lob von Bundesrat Alain Berset persönlich.

Elektroauto und Solarzellen

Die Zuger Politiker trauen Pfister das Amt des Bundesrats zu – auch über die Parteigrenzen hinweg: «Er ist ein reflektierter und unaufgeregter Typ, dem man vertraut», sagt FDP-Ständerat Matthias Michel, der zusammen mit Pfister in der Regierung sass. In einem Gremium wirke er integrierend, zudem könne er die notwendigen Brücken zu den Kantonen bauen.

«Martin Pfister ist ein sehr umgänglicher Mensch. Ich schätze an ihm, dass er eine relativ ruhige Sachpolitik betreibt», sagt Luzian Franzini, Kantonsrat und Co-Präsident der Alternative – die Grünen. Weniger gefalle ihm, dass er ein sturer Verteidiger der Zuger Steuerpolitik sei. «Die Zuger Steuerpolitik ist 100 Jahre alt, hat also ihre eigene Geschichte», sagt Pfister und steigt in seinen Elektro-VW. «Wichtig ist, dass in einem wirtschaftlich erfolgreichen Kanton auch eine Balance besteht. Dazu gehören etwa vergleichsweise tiefe Krankenkassenprämien, für die ich mich einsetze.»

«In Zug und Baar motivieren mich die Leute, als würde ich an den Olympischen Spielen teilnehmen», sagt Martin Pfister bei der Joggingrunde auf dem Baarer Schlaufenturm.
Foto: Kurt Reichenbach

Pfister fährt zum Baarer Schlaufenturm für eine Joggingrunde und erzählt dabei, wie er sein Haus energetisch saniert und Solarpanels aufs Dach gebaut hat. Als Ausgleich zur Politik geht Pfister wenn möglich zweimal die Woche für 45 Minuten joggen. Mit seiner Frau wandert er gern auf den Zugerberg oder nach Einsiedeln. Geplant war im Sommer auch eine längere Reise nach Brasilien. «Diese ist nun natürlich unsicher», sagt Pfister. Und die Sonntage mit der Grossfamilie? Die will «Vovô» auch als Bundesrat beibehalten.

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