Martin Pfister bewählt
Diese Forderungen stellt FDP-Burkart an Verteidigungsminister

Kaum ist Martin Pfister gewählt, stellt FDP-Präsident Thierry Burkart fünf Forderungen an den neuen Verteidigungsminister. Und um die Aufrüstung zu finanzieren, will die Partei die Beamtenlöhne ins Visier nehmen.
Publiziert: 16.03.2025 um 10:21 Uhr
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Aktualisiert: 16.03.2025 um 17:03 Uhr
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FDP-Präsident Thierry Burkart im Interview.
Foto: Samuel Schalch

Darum gehts

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Haben Sie auch etwas Mitleid verspürt, als Martin Pfister am Mittwoch als neuer Verteidigungsminister gewählt wurde?
Thierry Burkart: Nein. Mitglied der Landesregierung zu sein, ist eine Ehre. Und das Amt als VBS-Vorsteher hochinteressant. Die Aufgabe ist zwar herausfordernd, bietet aber viel Spielraum für Politikerinnen und Politiker mit Gestaltungswillen. 

Sind Sie da so sicher? Die abgetretene Verteidigungsministerin Viola Amherd hat an ihrer letzten Pressekonferenz einen Vorschlag nach dem anderen für die Armeefinanzierung aufgezählt – alle wurden von der Mehrheit der Regierung abserviert. Auch unter Beteiligung von freisinnigen Bundesräten.
Die Wiederherstellung der Verteidigungsfähigkeit der Schweiz ist insbesondere eine Frage der Armee – aber nicht nur. Es braucht auch eine politische Gesamtsicht für die nächsten Jahre zusammen mit den zivilen Behörden und den Kantonen. Diese Arbeit muss Bundesrat Pfister jetzt aufnehmen. Das ist deswegen so wichtig, weil wir in unserem System einen Konsens finden müssen, um Mehrheiten zu schaffen. 

Jetzt kommt ein Aussenseiter, der das politische Handwerk im Haifischbecken Bern noch nicht kennt. Trauen Sie ihm das zu?
Die Aufgabe eines Bundesrats ist anspruchsvoll. Martin Pfister kennt das nötige Handwerk einer Konkordanzdemokratie. Aber er muss jetzt innert Kürze lernen, ein herausforderndes Departement mit einer riesigen Verwaltung mit verschiedensten «Königreichen» zu führen. Und im Parlament geht es tatsächlich mit härteren Bandagen zu und her. Zudem kennt er die Prozesse des Zweikammersystems noch nicht. Es erwartet ihn also einiges, und er hat nicht lange Zeit, um die Kraft zu entwickeln, die er braucht. Aber ich finde es wichtig, dass man einem neu gewählten Mitglied des Bundesrats Vorschussvertrauen gibt.

Was sind die dringendsten Punkte, die beim VBS aus Ihrer Sicht angegangen werden müssen?
Es gibt fünf zentrale Punkte. Punkt eins ist die wichtigste Aufgabe: Die Schweiz braucht eine Gesamtverteidigungsstrategie. Punkt zwei sind die personellen Neubesetzungen im VBS, damit kein Führungsvakuum entsteht. 

Sie meinen den abtretenden Armeechef und den abtretenden Geheimdienstchef.
Das sind anspruchsvolle Positionen. Das müssen fähige Personen sein, die auch gegenüber dem Parlament und der Öffentlichkeit ihre Rolle wahrnehmen können. Drittens ist das Beschaffungswesen zu verbessern. Der vierte Punkt ist der Erhalt unserer Rüstungsindustrie. 

Wie soll diese sichergestellt werden?
Es ist einfach: Wir sind nicht nur ein neutrales Land. Wir haben eine bewaffnete Neutralität. Und diese ist Basis für die Verteidigungsfähigkeit. Dafür brauchen wir zwingend eine funktionierende Rüstungsindustrie. Die muss aber, um überleben zu können, exportieren können. Momentan sind wir aber auf dem besten Weg, diese zu zerstören. 

Und was schlagen Sie vor?
Die Wiederausfuhrbeschränkungen müssen gelockert werden, sodass Rüstungsgüter an andere westliche Länder weitergegeben werden können. So habe ich das bereits vor drei Jahren vorgeschlagen. Auch hier braucht es die politische Führung des neuen Bundesrats. Es darf nicht sein, dass unser Wiederausfuhrverbot so streng ist, dass niemand mehr unsere Rüstungsgüter kauft. Mittlerweile gilt in gewissen europäischen Ländern bezüglich Rüstungsbeschaffungen: «No China, No Switzerland.»

Und was ist Punkt fünf?
Das sind die Herausforderungen bei der Ruag MRO, über die in den letzten Wochen geschrieben wurde. Es gibt erhebliche Governance-Probleme. 

Martin Pfister hat im Vorfeld gesagt, er könnte sich vorstellen, die Ruag MRO wieder enger an den Bund zu binden.
Es ist notwendig, dass wir die beste Organisationsform finden, damit die Ruag MRO einerseits überleben, aber andererseits auch die Unterstützungsfunktion für unsere Verteidigungsfähigkeit erfüllen kann. Ich will nicht vorwegnehmen, was die beste Lösung ist. Aber wir sind offen für die Vorschläge des Bundesrats.

Ihre Schwester sitzt im Verwaltungsrat von Ruag International. Das ist zwar eine andere Firma, aber hat der Korruptionsfall auch dort zu reden gegeben?
Ruag International und Ruag MRO wurden vor einigen Jahren getrennt, der Korruptionsfall fand in der Ruag MRO statt. Die Ruag International hat mit Rüstung nichts zu tun. Trotzdem zwei Aussagen dazu: Erstens: Ich rede mit meiner Schwester nie über diese Themen. Zweitens: Als der Verkauf der Tochtergesellschaft der Ruag International Beyond Gravity im Ständerat beraten wurde, habe ich den Saal verlassen, um auch nur den Anschein eines Interessenkonflikts auszuschliessen.

Apropos Konflikte: Immer wieder ist vom tiefen Graben im Bundesratsgremium die Rede, die die gemeinsame Lösungsfindung erschwert. Haben Sie Hoffnung, dass mit Martin Pfister ein Neuanfang möglich ist?
Wie man so schön sagt: Vom Hörensagen lernt man lügen. Gerüchte werden weitererzählt und werden zu vermeintlichen Wahrheiten. Generell traue ich Bundesrat Pfister zu, dass er solide und fundierte Arbeit im Bundesrat einbringt und dadurch das Vertrauen schafft, in Kooperation mit anderen Departementen die notwendigen Beschlüsse zu fassen. Und eine gewisse Streitkultur muss man im Bundesrat aushalten können.

Die Schweiz will aufrüsten. Bloss hat FDP-Finanzministerin Karin Keller-Sutter bei der Finanzierung immer wieder gebremst. Hat sie bei den Bemühungen um eine Aufrüstung bisher auf dem Schlauch gestanden?
Man sollte Sicherheitspolitik nicht gegen solide Finanzen ausspielen. Im Gegenteil. Gewisse europäische Länder sind bereits massiv verschuldet und nehmen jetzt zur Aufrüstung erneut eine riesige Verschuldung auf sich. Das ist ein gefährliches Spiel, das auch katastrophale wirtschaftliche Folgen haben kann. In Krisen ist es notwendig, dass wir resilient sind. Das sind wir nur, wenn wir sicherheits- und finanzpolitischen Handlungsspielraum haben. In den letzten 35 Jahren hat man Geld von der Armee für andere Bereiche weggenommen, weil man fälschlicherweise davon ausging, dass es nie mehr Krieg auf dem europäischen Kontinent geben werde. Die Prioritäten müssen wir also wieder neu setzen. Das sage ich übrigens nicht erst seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine, sondern seit vielen Jahren.

Wenn man die Prioritäten neu setzt und das Geld dafür fehlt – wären Sie dann offen für Mehreinnahmen?
Wir sind klar der Auffassung, dass es mehr Mittel brauchen wird. Das darf aber nicht zulasten der Bürgerinnen und Bürger gehen, nur weil die Politik es nicht schafft, bei Budgetpositionen zu kürzen. 

Sie sagen Priorisierung. Sie können auch sagen: Abstriche machen.
Ja. Das ist wie bei einem Familienhaushalt, der auch Abstriche machen muss, wenn zwingende Ausgaben anstehen. Ein Beispiel: Der Bund hat in den letzten drei Jahren jährlich 450 Vollzeitstellen aufgebaut. Das sind überdurchschnittlich gut bezahlte Arbeitskräfte. Anderes Beispiel: Die internationale Entwicklungszusammenarbeit ist in den letzten Jahrzehnten auf Kosten der Armee massiv gewachsen. 

Sie nennen das Stellenwachstum beim Staat. Ihre zwei Vertreter in der Landesregierung hätten zusammen mit der SVP die Mehrheit, um dies zu stoppen. Und es gibt ein bürgerlich dominiertes Parlament.
Der Bundesrat hat gerade ein Entlastungspaket vorgelegt, es liegen also Vorschläge auf dem Tisch. Ich orte die Schwierigkeiten viel mehr im Parlament. Da finden Sie eine Gemengelage von Anspruchsgruppen vor, die ihre Interessen und Pfründe verteidigen. 

Braucht es Ihrer Meinung nach ein Moratorium für das Stellenwachstum beim Bund?
Es geht mir speziell darum, dass Bundesangestellte überdurchschnittlich gut verdienen. Der Durchschnittslohn, ohne Berücksichtigung des höchsten Kaders, hat gerade einen neuen Höchstwert erreicht, er liegt jetzt bei 130’000 Franken. Wir prüfen derzeit, wie die Unterschiede zwischen einer Anstellung beim Bund zu derjenigen in der Privatwirtschaft aufgehoben werden können. Heute gibt es für Bundesangestellte eine Spezialgesetzgebung mit einem überdurchschnittlichen Arbeitnehmerschutz. Und zum Stellenplafond beim Bund: Den gab es schon einmal. Ich halte es für prüfenswert, die Anzahl der Stellen wieder durch eine fixe Obergrenze zu limitieren. 

Die EU hat kürzlich ein massives Aufrüstungsprogramm beschlossen. Deutschland will die Schuldenbremse aushebeln. In der «SonntagsZeitung» haben deutsche Politiker die Schweiz für ihre Miniaufrüstung kritisiert. Reicht ein Prozent des BIP auf die Dauer?
Als Mitglied der Schweizer OSZE-Delegation kenne ich die Stimmungslage im europäischen Raum. Selbst ein österreichischer Nationalrat der Grünen hat mir unlängst gesagt, es sei völlig unbestritten, dass Österreich auch als neutrales Land mindestens zwei Prozent des BIP investieren müsse, um seine Verteidigungsfähigkeit wiederherzustellen. Dass die Schweiz als reiches Land bei rund 0,8 Prozent ist und jetzt um das 1-Prozent-Ziel streitet, ist für die anderen westlichen Länder schwer nachvollziehbar. Wenn wir die Sicherheit der Schweiz vernachlässigen mit dem Argument, die anderen Staaten um uns herum würden indirekt für unsere Sicherheit sorgen, dann laufen wir Gefahr, dass die europäischen Länder von uns eine finanzielle Kompensation fordern. Umso mehr, als sie sich aufgrund enormer Verteidigungsausgaben potenziell in einer Verschuldenskrise befinden. 

Dann stimmen Sie zu, dass ein Prozent des BIP nicht reicht?
Das werden wir wiederum in der von der FDP geforderten Gesamtverteidigungsstrategie anschauen müssen. Diese wird die Grundlage für die nötigen Ausgaben, aber auch für die bedrohungsadäquate Priorisierung sein. 

Martin Pfister wurde am Mittwoch gewählt, sein Amt tritt er erst am 1. April an. Was würden Sie ihm für diese Zeit empfehlen?
Sich nun schnell in die Akten einzulesen und sich mit vielen relevanten Leuten zu treffen, damit er sich das notwendige Wissen aneignen kann, um erfolgreich und schnell ins Amt zu starten. 

Bei den letzten nationalen Wahlen waren Sie mit der Mitte gleichauf. In manchen haben Sie seither Sitze verloren, zuletzt vergangenes Wochenende in Solothurn. Bis jetzt haben Sie erfolgreich die zwei FDP-Sitze im Bundesrat gehalten – aber schwimmen Ihnen nicht irgendwann die Felle davon?
Die Wahlen 2027 werden über den zweiten Sitz der FDP entscheiden. Sollte dann die Mitte vor uns sein, haben wir bei einer Vakanz keinen Anspruch mehr auf zwei Sitze.

Dann wird also die Bevölkerung 2027 über die Zusammensetzung des Bundesrats mitbestimmen?
Das ist bis zu einem gewissen Grad richtig. Den Wählerinnen und Wählern muss einfach bewusst sein, dass Mitte-links dann im Bundesrat eine Mehrheit hätten. Wenn das die Schweizer Bevölkerung so will, gilt es das zu akzeptieren. 

Werden Sie als Parteipräsident die Wahlen mitprägen?
Ich will mit der FDP die nächsten Wahlen gewinnen. Dafür kämpfe ich jeden Tag mit einem starken Team. Man weiss nie, was morgen kommt. Ich habe bereits mehrmals gesagt, dass ich aber das Amt spätestens nach der Wahl 2027 wegen des Ständeratspräsidiums 2028/2029 abgeben werde.

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