Die Pensionskassen sind so reich wie nie: 1229 Milliarden Franken hatten sie vergangenes Jahr auf der Seite, wie der Bericht der BVG-Oberaufsicht zeigt. Und das zu einem Zeitpunkt, wo wegen tiefer Zinsen, sinkender Umwandlungssätze und steigender Teuerung eine «Verlierer-Generation» in der beruflichen Vorsorge (BVG) droht, wie die Gewerkschaften monieren. Das ist Zunder in der Diskussion über die Reform der beruflichen Vorsorge, die im Parlament ansteht. Eine Debatte, in der auch der Pensionskassen-Verband Asip mitmischt.
Im Blick-Interview erklärt Asip-Direktor Hanspeter Konrad (64), weshalb er keine Rentenerhöhung mit der Giesskanne will und wo die Kassen nachbessern können.
Blick: Herr Konrad, die Pensionskassen horten ein Vermögen von über 1200 Milliarden Franken. Trotzdem knausern sie: Die Renten sind in den letzten Jahren auf breiter Front gesunken.
Hanspeter Konrad: Den Kassen geht es aktuell sicher gut. Es ist aber falsch zu sagen, die Renten seien auf breiter Front gesunken.
Doch! Bezog eine frisch pensionierte Person 2015 noch 2372 Franken monatlich, waren es gemäss Pensionskassen-Statistik des Bundes fünf Jahre später nur noch 2156 Franken.
Allein die Neurenten machen keine breite Front aus. Weil die Leute länger leben, ist zudem die kumulierte Summe der Renten über die Bezugsdauer nicht gesunken. Zu beachten ist auch, dass das Leistungsniveau in der Vergangenheit deutlich übertroffen wurde, weil die Verzinsung der Altersguthaben über die letzten 30 Jahre deutlich über dem Lohnwachstum lag.
Tempi passati. Jetzt wird geknausert.
Die Pensionskassen knausern keineswegs! So wurden letztes Jahr die Altersguthaben im Schnitt mit 3,7 Prozent verzinst. Auf der Bank bekommt man deutlich weniger.
Die Rendite lag letztes Jahr bei gut 8 Prozent. Da tut sich also eine grosse Lücke auf.
Nein – im Gegenteil. Wegen der nach wie vor zu hohen Umwandlungssätze bei der älteren Generation fliesst ein Teil der Erträge in die Umverteilung. Das geht zulasten der jungen Generation. Andererseits braucht es Reserven, um Höhen und Tiefen auszugleichen. Denken Sie an die Finanzkrise oder frühere Börsenbaissen. Dank der Reserven konnten die meisten Pensionskassen auf Sanierungsmassnahmen verzichten. Die Kassen sind finanziell stabil, das soll auch so bleiben. Dass sie ein Reservepolster angelegt haben, ist im Interesse der Versicherten und gibt Sicherheit.
Eine ganze Generation hat aber unter tiefen Zinsen und sinkenden Umwandlungssätzen gelitten. Nicht nur Gewerkschaften schlagen Alarm, auch die BVG-Oberaufsicht ortet Korrekturbedarf. Sie auch?
Alarmismus führt uns hier nicht weiter. Die Pensionskassen konnten Reformen aus eigener Kraft umsetzen und haben so Stabilität erreicht. Dank der guten Erträge der letzten Jahre können sie sich daher auch mit der Frage befassen, wie die Versicherten an den erzielten Erträgen beteiligt werden können. Das bringt ihnen konkret etwas. Politisch besteht jedoch weiterhin Handlungsbedarf.
Die UBS-Pensionskasse bessert bei den Renten gewisser Pensionierten-Jahrgänge nach. Aus Fairnessgründen! Das braucht es doch nun auf breiter Front.
Jede Kasse muss für sich individuell beurteilen, was möglich ist. Als Verband begrüssen wir diese Diskussionen. Und ich bin sicher, dass die Kassen gerade für jene Versichertengruppen mit einem tiefen Umwandlungssatz einen Ausgleich schaffen wollen. Und wenn die Zinsen nachhaltig wieder steigen werden, gibt es auch Potenzial für höhere Leistungen für Aktive wie auch für Rentenbezüger. Was aber keinen Sinn macht, sind undifferenzierte und teure Rentenerhöhungen mit der Giesskanne.
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Rentenerhöhungen sind doch schon alleine wegen der Teuerung nötig, die sich dieses Jahr auf 2 Prozent belaufen dürfte. Die Renten verlieren laufend an Wert.
Das ist ein wichtiger Punkt, mit dem sich die Pensionskassen schon heute befassen. Der Stiftungsrat entscheidet jährlich, ob und in welchem Ausmass Anpassungen vorzunehmen sind. Das hängt von den finanziellen Möglichkeiten der Pensionskassen ab.
Der Gewerkschaftsbund fordert eine gesetzliche Lösung für einen Teuerungsausgleich bei den BVG-Renten. Machen Sie da mit?
Einen gesetzlichen Automatismus lehnen wir ab. Die Arbeitnehmer und Arbeitgeber in den Stiftungsräten der Pensionskassen haben bereits den gesetzlichen Auftrag, sich mit der Frage der Teuerung auseinanderzusetzen. Wenn die finanziellen Mittel vorhanden sind, wird es auch einen Teuerungsausgleich geben. Das haben die Pensionskassen immer so gemacht, und in diesem Jahr gerät das Thema sicher noch stärker in den Fokus.
Über 1200 Milliarden Franken hatten die Pensionskassen Ende 2021 auf der Seite. «Die Kassen schwimmen im Geld, die Geldabflüsse nehmen stetig zu – und dies, während die Leistungen sinken», wetterte Gewerkschaftsboss Pierre-Yves Maillard (54) im Blick-Interview. Er fordert nicht nur einen Leistungsabbau-Stopp, sondern auch einen Teuerungsausgleich für laufende Renten.
Die jüngste Entwicklung ist Zunder für die Reform der beruflichen Vorsorge (BVG), die in der Sommersession im Ständerat traktandiert ist. Herzstück der Vorlage ist die Senkung des Umwandlungssatzes im BVG-Obligatorium von 6,8 auf 6 Prozent. Das bedeutet: Auf 100'000 Franken Altersguthaben gibt es nur noch 6000 statt 6800 Franken Jahresrente.
Ausgleich als Knackpunkt
Knackpunkt ist, wie die damit drohende Rentenlücke ausgeglichen werden soll. Im Fokus steht dabei ein Rentenzuschlag für eine Übergangsgeneration. Gemäss Nationalrat sollen 15 Jahrgänge einen monatlichen Rentenzuschlag von maximal 200 Franken erhalten. Profitieren würden rund 35 bis 40 Prozent der Übergangsgeneration. Kosten würde das Ganze rund 9 Milliarden Franken.
Die ständerätliche Sozialkommission schlägt eine Übergangsgeneration von 20 Jahrgängen vor. Der Rentenzuschlag soll ebenfalls bis zu 200 Franken betragen. Hier würden bis zu 88 Prozent der Versicherten einen Zustupf erhalten. Das Modell kostet insgesamt 25 Milliarden Franken und ist daher stark umstritten.
Mittlerweile wird sogar infrage gestellt, ob es die Umwandlungssatz-Senkung überhaupt braucht. (rus)
Über 1200 Milliarden Franken hatten die Pensionskassen Ende 2021 auf der Seite. «Die Kassen schwimmen im Geld, die Geldabflüsse nehmen stetig zu – und dies, während die Leistungen sinken», wetterte Gewerkschaftsboss Pierre-Yves Maillard (54) im Blick-Interview. Er fordert nicht nur einen Leistungsabbau-Stopp, sondern auch einen Teuerungsausgleich für laufende Renten.
Die jüngste Entwicklung ist Zunder für die Reform der beruflichen Vorsorge (BVG), die in der Sommersession im Ständerat traktandiert ist. Herzstück der Vorlage ist die Senkung des Umwandlungssatzes im BVG-Obligatorium von 6,8 auf 6 Prozent. Das bedeutet: Auf 100'000 Franken Altersguthaben gibt es nur noch 6000 statt 6800 Franken Jahresrente.
Ausgleich als Knackpunkt
Knackpunkt ist, wie die damit drohende Rentenlücke ausgeglichen werden soll. Im Fokus steht dabei ein Rentenzuschlag für eine Übergangsgeneration. Gemäss Nationalrat sollen 15 Jahrgänge einen monatlichen Rentenzuschlag von maximal 200 Franken erhalten. Profitieren würden rund 35 bis 40 Prozent der Übergangsgeneration. Kosten würde das Ganze rund 9 Milliarden Franken.
Die ständerätliche Sozialkommission schlägt eine Übergangsgeneration von 20 Jahrgängen vor. Der Rentenzuschlag soll ebenfalls bis zu 200 Franken betragen. Hier würden bis zu 88 Prozent der Versicherten einen Zustupf erhalten. Das Modell kostet insgesamt 25 Milliarden Franken und ist daher stark umstritten.
Mittlerweile wird sogar infrage gestellt, ob es die Umwandlungssatz-Senkung überhaupt braucht. (rus)
In der Sommersession kommt im Ständerat die BVG-Reform auf den Tisch. Zentral ist die Senkung des Umwandlungssatzes von 6,8 auf 6 Prozent. Braucht es diese Reform angesichts der sich anbahnenden Zinswende überhaupt noch?
Auf jeden Fall! Der gesetzliche Umwandlungssatz ist nach wie vor zu hoch. Es geht darum, vor allem die jungen Versicherten in den BVG-Kassen zu schützen. Die Zinsen steigen zwar, aber eine Schwalbe macht noch keinen Sommer. Um den jetzigen Satz beizubehalten, müssten die Zinsen deutlich und nachhaltig steigen.
Ein tieferer Umwandlungssatz führt ohne Ausgleichsmassnahmen zu tieferen Renten. Nun liegt im Ständerat ein neues Modell auf dem Tisch, das für eine Übergangsgeneration von 20 Jahrgängen einen Rentenzuschlag bis zu 200 Franken monatlich vorsieht. Unterstützen Sie diesen Ansatz?
Auch wir setzen uns für Ausgleichsmassnahmen ein, die aber für die Versicherten bezahlbar sind. Der Vorschlag der Ständeratskommission sorgt für eine massive Überkompensation bei Versicherten, die von der Senkung des Umwandlungssatzes gar nicht betroffen sind. Die Jungen müssen das bezahlen. Das ist eine unfaire Lösung. Wir müssen gezielt auf die Direktbetroffenen fokussieren, statt mit der Giesskanne Rentenzuschläge an alle zu verteilen. Wir unterstützen daher die mit grosser Mehrheit beschlossene Lösung des Nationalrats.
Er kennt die hiesige Altersvorsorge aus dem Effeff: Seit 2004 ist Hanspeter Konrad (64) Direktor des Schweizerischen Pensionskassenverbands Asip, dem über 900 Vorsorgeeinrichtungen mit einem Vorsorgevermögen von rund 650 Milliarden Franken angeschlossen sind. An der Universität Zürich studierte er Rechtswissenschaften und war während 15 Jahren verantwortlich für Vorsorge und Versicherungen im Sulzer-Konzern.
Er kennt die hiesige Altersvorsorge aus dem Effeff: Seit 2004 ist Hanspeter Konrad (64) Direktor des Schweizerischen Pensionskassenverbands Asip, dem über 900 Vorsorgeeinrichtungen mit einem Vorsorgevermögen von rund 650 Milliarden Franken angeschlossen sind. An der Universität Zürich studierte er Rechtswissenschaften und war während 15 Jahren verantwortlich für Vorsorge und Versicherungen im Sulzer-Konzern.