Es war ein kleiner Überraschungscoup in der ständerätlichen Sozialkommission: ein neues Modell, mit welchen der gordische Knoten bei der Reform der beruflichen Vorsorge (BVG) endlich zerschlagen werden sollte. Es ist ein Vorschlag aus den Reihen der FDP. Neu sollten 20 Jahrgänge in den Genuss eines lebenslangen, abgestuften Rentenzuschlags von maximal 200 Franken pro Monat kommen.
Versicherte mit einem Einkommen von bis zu 100'380 Franken würden einen vollen Zuschlag erhalten, danach flacht der Zustupf bis 143'400 Franken Einkommen ab. Höhere Einkommen bleiben aussen vor.
Damit würden bis zu 70 Prozent der Versicherten in der Übergangsgeneration den ganzen und weitere 18 Prozent einen abgestuften Zuschlag erhalten. Deutlich mehr als im Nationalratsmodell mit nur 35 bis 40 Prozent.
Bloss, dass der Ausgleich damit auch deutlich mehr kostet. Während beim Nationalratsmodell mit rund 9 Milliarden Franken gerechnet wird, sind es beim neuen Vorschlag wohl gut doppelt so viel – die genauen Zahlen liegen noch nicht vor.
FDP-Dittli im Gegenwind
Kosten, die im bürgerlichen Lager für Schrecken sorgen. In der Kommission kam der Vorschlag mit 7 zu 6 Stimmen denn auch nur knapp durch. Die Linken verhalfen dem FDP-Vorschlag zum Durchbruch. Die Vertreter von SVP und Mitte lehnen das neue Modell ab und plädieren für die harte Nationalratslösung.
In der Sommersession ist damit eine heisse Debatte im Ständerat programmiert. Auch hier dürfte es knapp werden, denn das von FDP-Sozialpolitikern Josef Dittli (65, UR) angeregte Modell steht auf tönernen Füssen. Gegenwind kommt nämlich auch aus der eigenen Fraktion. Es mache keinen Sinn, jenen mehr Geld zu geben, die gar keine Einbussen hinnehmen müssten, moniert ein Freisinniger hinter vorgehaltener Hand.
FDP-Noser: «Die Tiefzinsphase ist vorbei»
Skeptisch zeigt sich FDP-Ständerat Ruedi Noser (61): «Es braucht eine Reform, die für weniger und nicht mehr Umverteilung sorgt», sagt der Zürcher. «Wir sollten nicht Geld für jene ausgeben, die es nicht brauchen.» Zudem seien 20 Jahrgänge viel zu lang.
Man werde den Vorschlag in der FDP-Gruppe zwar noch genau anschauen. «Ich glaube aber nicht, dass ich dieses Modell mittragen kann.» Aus seiner Sicht hat sich die Ausgangslage im Pensionskassen-Bereich nämlich geändert. «Die Tiefzinsphase ist vorbei. Die BVG-Reform ist damit nicht mehr so dringend wie auch schon.»
Dittli will mehrheitsfähigen Kompromiss
Dittli ist da anderer Ansicht. «Es gibt Stimmen, die finden, es sei gar nicht so schlimm, wenn die BVG-Reform bachab geht – aber sie ist weiterhin nötig», sagt er. Doch der Nationalratslösung gibt er in einer Volksabstimmung wenig Chancen. Deshalb brauche es das neue Kompensationsmodell. «Es ebnet den Weg zu einer mehrheitsfähigen Lösung», so Dittli. «Wobei es natürlich noch angepasst werden kann – etwa indem man die Grenze für den Rentenzuschlag-Anspruch senkt.»
Er sei sich bewusst, dass sein Vorschlag bei den Parteikollegen keinen leichten Stand habe, weil damit viele Versicherte in Bezug auf das obligatorische angesparte Kapital «überkompensiert» würden. «In der Kommission hatten wir eine wacklige Mehrheit – und wenn im Plenum aus der Mitte keinerlei Unterstützung kommt, ist es gelaufen.»
Der Urner hofft nun, dass sein Konzept im Ständerat überlebt und der Nationalrat wenigstens darüber diskutieren kann. Dittli geht es darum, die Vorlage für die Volksabstimmung mit seinem Kompromiss mehrheitsfähig zu gestalten – denn das Referendum von links ist sicher.
Einfluss auf AHV-Abstimmung
Zudem gibt es bei den Bürgerlichen durchaus Überlegungen, die neue Lösung zumindest noch nicht gleich abzuschiessen. Aus abstimmungstaktischen Gründen. Schon im Herbst kommt nämlich die Erhöhung des AHV-Frauenrentenalters auf 65 an die Urne.
Für die AHV-Reform steigen die Chancen, wenn im Gegenzug die BVG-Reform «frauenfreundlicher» ausgestaltet wird. Das Kalkül dahinter: Ist das höhere AHV-Alter in trockenen Tüchern, kann man beim BVG dann immer noch Anpassungen vornehmen – und zurück zum Nationalratsmodell.