Nationalbank-Gelder für Pensionskassen
Freisinnige fahren Bundesrat Maurer in die Parade

Unter den Negativzinsen der Nationalbank leiden auch die Pensionskassen. Als Ausgleich soll der Bund einen Teil der Gewinnausschüttungen der Nationalbank in den BVG-Sicherheitsfonds umleiten. Dieses Vorhaben torpediert die Schuldenabbau-Pläne von Ueli Maurer.
Publiziert: 17.02.2022 um 16:36 Uhr
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FDP-Ständerat Damian Müller will einen Teil der Negativzins-Erträge der Nationalbank zu den Pensionskassen umleiten: «Diese Mittel gehören den Beitragszahlern und damit zurück ins System der beruflichen Vorsorge.»
Foto: Keystone
Ruedi Studer

Über 100 Milliarden Franken liegen auf dem Ausschüttungskonto der Schweizerischen Nationalbank (SNB). Geld, das früher oder später an Bund und Kantone fliessen soll. Derzeit liefert die SNB jährlich 6 Milliarden ab – zwei davon gehen an den Bund. Doch das riesige Volksvermögen weckt Begehrlichkeiten. Linke und Gewerkschaften wollen einen Teil der Nationalbankgewinne in die AHV-Kasse umleiten, die SVP zumindest den Erlös aus den Negativzinsen.

Selbst Freisinnige nehmen nun die Negativzins-Erträge der Nationalbank ins Visier. Zumindest einen Teil davon wollen sie für die berufliche Vorsorge (BVG) abzwacken. Die Idee dahinter: Die Pensionskassen verlieren wegen der Negativzinsen Geld. Will man für einen Ausgleich sorgen, dann müsse der entsprechende Betrag der zweiten Säule zugute kommen.

Konkret dem BVG-Sicherheitsfonds. Dieser springt ein, wenn eine Pensionskasse Pleite geht, und er sorgt in gewissen Fällen für Ausgleichszahlungen zwischen den Vorsorgeeinrichtungen. Mit der BVG-Reform erhält der Fonds eine weitere Aufgabe: Er soll die Rentenzuschläge für die Übergangsgeneration von 15 Jahrgängen mitfinanzieren.

Geld soll zurück ins System

Dafür braucht der Fonds Geld. Und die Negativzins-Erträge könnten hier einen Beitrag leisten. FDP-Ständerat Damian Müller (37) forderte 2020 in einer Motion, jährlich 500 Millionen in den Sicherheitsfonds umzuleiten. Die Gewinne aus der Negativzinspolitik mit den Pensionskassen gehörten nicht in die allgemeine Bundeskasse, begründete der Luzerner seinen Vorstoss. «Diese Mittel gehören den Beitragszahlern und damit zurück ins System der beruflichen Vorsorge.»

Im Rahmen der laufenden BVG-Reform hat Müller die Idee wieder aufs Tapet gebracht, zusammen mit dem Zürcher FDP-Nationalrat Andri Silberschmidt (27). Letzterer wollte in der nationalrätlichen Sozialkommission wissen, wie stark die Negativzinsen die Pensionskassen überhaupt treffen und wie diese Erträge für die Übergangsgeneration eingesetzt werden könnten. Denn, so Silberschmidt: «Wenn man die Negativzinsen überhaupt verwenden will, dann sind sie dort am richtigen Ort.»

Der entsprechende Bericht dazu zeigt: Insgesamt verbuchte die SNB seit 2014 über 10 Milliarden Franken an Negativzinsen. Der Anteil der Pensionskassen macht mehrere Hundert Millionen Franken aus. Grob geschätzt geht der Bericht aktuell von jährlich über 100 Millionen Franken aus, die den Pensionskassen quasi «zustehen» würden.

1 Milliarde auf einen Schlag

In der ständerätlichen Sozialkommission spielte Damian Müller den Ball weiter: Er beauftragte die Verwaltung, einen konkreten Umsetzungsvorschlag vorzulegen, mit welchem die Unabhängigkeit der Nationalbank unangetastet bleibt. Der Kniff: Der Zustupf wird erst vom SNB-Gewinnanteil des Bundes – aktuell 2 Milliarden Franken jährlich – abgezwackt. Der Bund leitet das Geld dann über den ordentlichen Haushalt an den Sicherheitsfonds weiter.

In einem neuen Bericht an die Sozialkommission legt die Verwaltung nun ein Umsetzungsmodell vor, wonach als Ausgleich für die Negativzinsen der letzten Jahre einerseits ein «einmaliger Betrag von einer Milliarde Franken» in den Fonds bezahlt wird. Ab 2024 zudem ein jährlicher Beitrag von maximal 100 Millionen Franken – immer unter der Voraussetzung, dass die Nationalbank weiterhin Negativzinsen erhebt und der Bund weiterhin eine Gewinnausschüttung bekommt.

Offen ist, ob Müller an seiner Idee festhält. Er wollte sich angesichts der laufenden Kommissionsdebatte aktuell nicht zur Thematik äussern.

Verwaltung warnt

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Die Verwaltung warnt jedenfalls vor der Müller-Lösung. Einerseits bestehe zwischen den SNB-Gewinnen und den von den Pensionskassen individuell an die Banken bezahlten Negativzinsen «kein direkter Zusammenhang». Zudem komme der Vorschlag «einer Steuerfinanzierung der Abfederungsmassnahmen» gleich.

Und schliesslich: «Der Antrag verzögert den vom Bundesrat angestrebten Abbau der Corona-Schulden und damit die Wiederherstellung der guten finanzpolitischen Ausgangslage vor der Krise.» Die Freisinnigen fahren also SVP-Finanzminister Ueli Maurer (71) in die Parade. Dieser will nämlich auch jährlich 1,3 Milliarden der SNB-Gewinnausschüttungen für den Abbau des Corona-Schuldenbergs verwenden – der sich bis Ende Jahr auf 25 bis 30 Milliarden Franken belaufen soll.

Der Fonds braucht mehr Geld

Klar ist aber: Der Sicherheitsfonds braucht mehr Mittel, um die vom Nationalrat in der Reform vorgesehenen Zuschüsse zu leisten. Demnach müssen die Pensionskassen nur 0,15 Prozent der versicherten Löhne dem Sicherheitsfonds abliefern.

Zu wenig, wie die Verwaltung in einem weiteren Bericht vorrechnet: «Der Beitragssatz müsste in den ersten Jahren bei 0,23 Prozent liegen», heisst es darin. «Ein Satz von 0,15 Prozent würde zu einem finanziellen Ungleichgewicht beim Sicherheitsfonds führen.»

Die Ständeräte müssen also so oder so nochmals über die Bücher.


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