Der Streit um die Reform der beruflichen Vorsorge (BVG) geht in die nächste Runde. Anfang nächster Woche beugt sich die ständerätliche Sozialkommission über die Vorlage, die im Nationalrat stark von den Bürgerlichen geprägt wurde.
In der jetzigen Form hat die Reform vor dem Volk wohl keine Chance, denn nur eine Minderheit der Versicherten profitiert von den geplanten Ausgleichsmassnahmen, welche die Senkung des Umwandlungssatzes von 6,8 auf 6 Prozent abfedern soll. Demnach kommen nur etwa 35 bis 40 Prozent der Versicherten in den Genuss eines Rentenzuschlags. Und dies auch nur bei der Übergangsgeneration. Der grosse Rest geht leer aus.
Mit Blick auf eine Volksabstimmung dürfte der Ständerat also noch nachbessern. Dem Vernehmen nach sieht es derzeit aber nicht so aus, als würde er den Nationalratsvorschlag gross umkrempeln. Bei den Bürgerlichen geht man nämlich davon aus, dass sich die Linke eh dagegen stemmen wird. Ein grosses Entgegenkommen Richtung Sozialpartner-Kompromiss wird es daher nicht geben, sondern bei Retuschen bleiben. So könnte der Bezügerkreis etwas ausgeweitet werden – das sei der «politische Preis», um die Vorlage mehrheitsfähiger zu machen.
Ab welchem Lohn soll man zahlen?
Ein weiterer Knackpunkt sind Tieflöhner und Teilzeitbeschäftigte, die in der zweiten Säule das Nachsehen haben. Der Nationalrat sieht die Lösung etwa in der Senkung der Eintrittsschwelle, ab welcher jemand obligatorisch in die zweite Säule einzahlen muss. Die Limite sinkt auf 12'548 Franken. Zudem soll auch der sogenannte Koordinationsabzug sinken, wodurch sich der versicherte Lohn ebenfalls vergrössert – und mehr Beiträge bezahlt werden. Die Idee dahinter: Auch Wenigverdienende sollen sich ein Altersguthaben aufbauen können.
Durch die tiefere Eintrittsschwelle wären rund 320'000 Personen zusätzlich in der zweiten Säule versichert, rechnet ein interner Bericht des Bundesamts für Sozialversicherungen (BSV) vor. Gut 100 Millionen Franken zusätzlich würden jährlich in die Pensionskassen fliessen.
Die Krux dabei: Tieflöhner bekommen zwar auch Arbeitgeberbeiträge gutgeschrieben, doch selber werden ihnen ebenfalls zusätzliche Lohnprozente abgezwackt. Der ausbezahlte Nettolohn wird damit noch karger.
Zudem gibt es einige bürokratische Hürden. Etwa, wenn jemand bei verschiedenen Arbeitgebern mehrfachbeschäftigt ist und zusammengerechnet einen Gesamtlohn über der Eintrittsschwelle verdient, muss sich neu obligatorisch einer Pensionskasse anschliessen. Die Betroffenen können sich zwar ein Altersguthaben ansparen, oft ist dies aber so klein, dass es in keinem Verhältnis zu den Verwaltungskosten steht.
Die ständerätlichen Sozialpolitiker haben sich deshalb etwa auch mit der Idee eines vereinfachten Vorsorgeplans für kleine Löhne ab 2300 Franken jährlich beschäftigt. Doch auch hier führen die Verwaltungskosten – der Bericht rechnet mit «200 bis 300 Franken» jährlich pro Person – zu einem «sehr schlechten Verhältnis von Aufwand und Ertrag». Das BSV kommt in seinen Berechnungen gar zum Schluss, dass «in vielen Fällen die jährlichen Verwaltungskosten die jährlichen Altersgutschriften übersteigen würden». Nächste Woche wird sich die Kommission deshalb mit neuen Vorschlägen aus der Verwaltung befassen.
Ständeräte diskutieren mehrere Stellschrauben
Die Tieflöhner-Thematik ist komplex. Der Bundesrat wollte die Problematik entschärfen, indem er die Eintrittsschwelle bei den heute geltenden 21'510 Franken belässt. Eine Variante, welche auch in der Sozialkommission wieder aufs Tapet kommen dürfte.
Das bestätigt Kommissionspräsident Erich Ettlin (59, OW): «Bei den tieferen Einkommen gibt es mehrere Stellschrauben, über welche wir diskutieren werden – etwa über die Höhe der Eintrittsschwelle, den Koordinationsabzug oder auch die Mindestgrenze, ab welcher in die zweite Säule eingezahlt werden muss», erklärt der Mitte-Politiker.
Auch er weiss von Geringverdienenden, die keine Rentenverbesserung wollten, weil ihnen dann mehr vom aktuellen Lohn abgezwackt werde. Gerade mit Blick auf die Nutzen-Kosten-Frage ist für ihn klar: «Wir müssen aufpassen, dass der Berg nicht eine Maus gebiert.»
Ettlin will die Vorlage in der Sommersession in die kleine Kammer bringen. In der Sozialkommission sind zwei Lesungen vorgesehen. Nächste Woche werden also erst provisorische Entscheide gefällt. Die definitiven Beschlüsse fallen in der Sitzung von Ende April.