Pensionskassen-Reform
20 Jahrgänge sollen einen Rentenzustupf bekommen

Die ständerätliche Sozialkommission hat die Reform der beruflichen Vorsorge zu Ende beraten. Neu sollen 20 Jahrgänge in den Genuss eines Rentenzuschlags kommen. Das Modell ist aber deutlich teurer als jenes des Nationalrats.
Publiziert: 27.04.2022 um 15:49 Uhr
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Aktualisiert: 27.04.2022 um 16:54 Uhr
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Die Ständeratskommission bringt bei der BVG-Reform ein neues Modell auf den Tisch. Entscheidend für die Leute ist, wie viel im Alter zum Leben bleibt.
Foto: imago/photothek
Ruedi Studer

Bei der Reform der beruflichen Vorsorge (BVG) geht es auf die Zielgerade: Die ständerätliche Sozialkommission bleibt im Grundsatz beim Nationalratsmodell, das stark von den Bürgerlichen geprägt wurde. Allerdings nehmen die Ständeräte einzelne Korrekturen vor. Insbesondere bei den Kompensationsmassnahmen für eine Übergangsgeneration.

Ein Kernstück der Vorlage ist die Frage des Rentenzuschlags. Hier kommt die Ständeratskommission den Kritikern etwas entgegen. Statt wie im Nationalratsmodell nur 15 sollen nun 20 Jahrgänge in den Genuss eines lebenslangen Rentenzuschlags von 50 bis 200 Franken pro Monat kommen. Zudem soll der Ausgleich grosszügiger ausfallen als im Nationalratsmodell.

Vollen Zuschlag bis 100'380 Franken Einkommen

Versicherte mit einem Einkommen von bis zu 100'380 Franken würden einen vollen Zuschlag erhalten: 2400 Franken pro Jahr für die ersten fünf Jahrgänge, 1800 Franken für die folgenden fünf Jahrgänge, 1200 Franken für die nächsten fünf Jahrgänge und 600 Franken für die letzten fünf Jahrgänge. Für Versicherte mit einem Einkommen zwischen 100'380 und 143'400 Franken wird der Zuschlag kleiner, und Versicherte mit höheren Einkommen bekommen gar keinen Zuschlag mehr.

«Schätzungsweise 70 Prozent der Versicherten in der Übergangsgeneration würden den vollen Zuschlag erhalten und 18 Prozent einen reduzierten Zuschlag», hält die Sozialkommission in einer Mitteilung fest. Das ist deutlich mehr als im Nationalratsmodell, bei dem nur 35 bis 40 Prozent einen Zuschlag erhalten hätten. Im von der Linken favorisierten Bundesratsmodell hingegen hätten alle Versicherten einen Zuschlag erhalten.

Beim Ständerat kostet es länger

Klar ist, das neue Modell wird teurer als jenes des Nationalrats. Bloss, wie viel? Schaut man sich die Berechnungen der Verwaltung an, könnte man meinen, das neue Modell sei viel günstiger zu haben. Denn um den Rentenzuschlag zu finanzieren, weist die Verwaltung für die Jahre 2024 bis 2032 durchschnittliche Kosten von 700 Millionen Franken jährlich für das Nationalratsmodell aus. Beim Ständeratsmodell sind es nur 400 Millionen.

Davon darf man sich aber nicht täuschen lassen. Denn der Nationalrat will den Rentenzuschlag mit jeweils einer einmaligen Zahlung an die Neurentner auf das Altersguthaben begleichen. Am teuersten sind also die ersten Jahrgänge der Übergangsgeneration, dann flachen die Kosten ab. Dem Vernehmen nach würden die Kosten für die Übergangsgeneration insgesamt etwas über neun Milliarden Franken ausmachen.

Beim Ständeratsmodell hingegen wird der Rentenzuschlag monatlich draufgeschlagen – und das so lange, bis der letzte Pensionär der Übergangsgeneration stirbt. Die Kosten fallen also über Jahrzehnte hinweg an – und dürften unter dem Strich mehr als doppelt so hoch sein wie bei der Nationalratslösung.

«Unter dem Strich ist unser Modell deutlich teurer als jenes des Nationalrats, aber etwas günstiger als der Bundesratsvorschlag», sagt Kommissionspräsident und Mitte-Ständerat Erich Ettlin (59, OW). Aufgrund des langen Zeitraums könne man aber keine genauen Prognosen machen.

Finanziert wird der Zuschlag von den Pensionskassen selbst. Diese sind relativ frei in der Frage, wie sie diese Kosten schultern. Das kann über Reserven oder Gewinne erfolgen, aber etwa auch über höhere Beiträge geschehen.

Umwandlungssatz sinkt

Dass sich der Ständerat grosszügiger zeigt als der Nationalrat, hat mit der absehbaren Volksabstimmung über die BVG-Reform zu tun. Denn den Versicherten drohen mit der Senkung des Umwandlungssatzes von 6,8 auf 6 Prozent auch deftige Einschnitte.

Auf 100'000 Franken angespartes Alterskapital gibt es nur noch 6000 statt 6800 Franken Rente pro Jahr. Dieser Rentenverlust muss kompensiert werden, damit die Vorlage an der Urne eine Chance hat.

Eintrittsschwelle korrigiert

Auch in weiteren Bereichen gibt es Korrekturen:

  • Eintrittsschwelle: Um in einer Pensionskasse versichert zu werden, muss man heute bei einem Arbeitgeber mindestens 21'510 Franken jährlich verdienen. Der Nationalrat wollte diese Schwelle auf 12'548 Franken senken. Damit würden mehr Angestellte mit kleinen Einkommen versichert. Die Ständeratskommission möchte die Eintrittsschwelle allerdings nur auf 17'208 Franken senken. Statt 320'000 würden damit nur 140'000 Kleinverdiener neu in einer Pensionskasse versichert. Das hat auch damit zu tun, dass gerade bei tiefen Löhnen das Kosten-Nutzen-Verhältnis immer weniger stimmt. Und manche Tieflöhner haben lieber während ihres Arbeitslebens etwas mehr im Portemonnaie. Die Kommission beschloss zudem eine Motion, mit der sie erreichen will, dass Nebenerwerbseinkommen nicht länger von der obligatorischen Versicherung ausgenommen sind. Anders als der Nationalrat will sie aber Angestellte, deren gesamter Jahreslohn von mehreren Arbeitgebern die Eintrittsschwelle übersteigt, aus Praktikabilitätsgründen nicht dazu verpflichten, sich zu versichern.
  • Einzahlen ab 25: Das Eintrittsalter für die BVG-Pflicht soll wie heute bei 25 Jahren bleiben. Der Nationalrat wollte das Eintrittsalter auf 20 Jahre senken. Junge hätten so also früher in die Pensionskasse einzahlen müssen.
  • Angepasste Altersgutschriften: Die Lohnbeiträge in die Pensionskasse – die sogenannten Altersgutschriften – werden geglättet: Im Alter von 20 bis 44 Jahren beträgt die Altersgutschrift künftig 9 Prozent (bisher 7 bzw. 10 Prozent) auf dem BVG-pflichtigen Lohn. Ab Alter 45 sind es 14 Prozent (bisher 15 bzw. 18 Prozent). Hier sind sich die Räte einig. Denn damit werden die Altersgutschriften gerade bei den älteren Arbeitskräften gesenkt. Das soll ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt verbessern.
  • Versicherter Lohn: Der sogenannte Koordinationsabzug, der den versicherten Lohn bestimmt, soll künftig 15 Prozent des AHV-pflichtigen Lohns betragen. Davon profitieren insbesondere tiefere Löhne, da der Abzug kleiner und der Sparanteil damit grösser wird. Wer zum Beispiel 50'000 Franken jährlich verdient, muss nur 7500 Franken in Abzug bringen statt wie heute 25'095 Franken. Der Nationalrat wollte den Koordinationsabzug auf generell 12'443 Franken halbieren.

Widerstand von links und rechts

Schon in der Sommersession soll die kleine Kammer über die Reform entscheiden. Allerdings dürfte gerade von links noch Widerstand kommen, hält die Linke doch am Bundesratsmodell fest, das einen Rentenzuschlag für alle vorsieht – und nicht nur für eine Übergangsgeneration. «Konkret führen die Beschlüsse der Kommission zu massiven Mehrkosten für Personen mit tiefen Einkommen», schreibt der Gewerkschaftsbund in einer Mitteilung. «Insgesamt sollen alle mehr bezahlen für weniger Rente.»

Von der rechten Seite werden ebenfalls Minderheitsanträge kommen. So etwa von SVP-Ständerat Alex Kuprecht (64, SZ). Er plädiert beim Ausgleich für das Nationalratsmodell, womit nur 15 Jahrgänge berücksichtigt würden. Dieses komme nämlich deutlich günstiger zu stehen. Nach 15 Jahrgängen sei definitiv Schluss. Beim Mehrheitsmodell würden hingegen wesentlich länger Renten bezogen. «In 20 Jahren geht nämlich der letzte Jahrgang dann in Rente und erhält diesen Zuschlag dann noch bis zum Ableben nach circa 25 bis 30 Jahren», so Kuprecht. «Die Finanzierung wird deshalb während rund 45 bis 50 Jahre dauern, was länger ist, als das BVG heute besteht! Die Gesamtkosten dürften dann rund zwischen 18 und 20 Milliarden Franken betragen.»

Trotzdem zeigt sich Kuprecht halbwegs zufrieden mit dem neuen Vorschlag. «Wir haben für Mehrfach- und Teilzeitangestellte sowie Tieflöhner einige Verbesserungen vorgenommen – insbesondere mit der Anpassung des Koordinationsabzugs», sagt er. «Damit setzen wir auch auf eine Verbesserung beim Sparprozess und reduzieren die Umverteilung.»

Kleine Kammer entscheidet in Sommersession

Auch die Mitte-Vertreter tendieren zum Nationalratsmodell. Dem Vernehmen nach geht das jetzige Modell nämlich auf die FDP zurück. Ständerat Josef Dittli (65, UR) zeigt sich denn auch weitgehend zufrieden: «Bis auf den Koordinationsabzug finde ich die Lösung gut», sagt der Freisinnige. «Sie stellt Tieflöhner deutlich besser. Der neue Ausgleich kompensiert die Übergangsgeneration besser als der Nationalrat und stellt sicher, dass auch das Ziel der Revision 'keine Renteneinbusse' erreicht wird.» Man könne das Modell aber noch justieren, blickt er bereits auf die anstehende Diskussion in der Sommersession.

Dann sind heisse Debatten programmiert. Denn in der Kommission vielen die Abstimmungen teils äusserst knapp aus und waren auch von taktischen Überlegungen geprägt. So kam das jetzige Rentenzuschlag-Modell nur mit 7 zu 6 Stimmen durch.

Immerhin dürfte im Sommer klar sein, wohin die Reise bei der BVG-Reform geht. Das ist für die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger entscheidend, kommt doch im Herbst die AHV-Reform an die Urne. Dann kann sich das Stimmvolk ein Gesamtbild über die künftige Rentensituation machen.

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