Parlament tut nichts gegen PK-Abzocke
«Zu viele Politiker verdienen selber mit»

Die Renten der Versicherten sinken. Die Finanzindustrie kassiert ab. Und die Politik schaut zu – nicht zuletzt, weil viele Parlamentarier davon profitieren.
Publiziert: 06.02.2022 um 12:47 Uhr
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Aktualisiert: 06.02.2022 um 12:52 Uhr
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Die Finanzindustrie schöpft jedes Jahr Milliarden aus den Pensionskassen.
Foto: Keystone
Danny Schlumpf

Die Renten der Versicherten sinken. Die Finanzindustrie kassiert ab. Und die Politik schaut zu – nicht zuletzt, weil viele Parlamentarier davon profitieren.

Jedes Jahr schöpft die Finanzindustrie Verwaltungsgebühren in Milliardenhöhe aus den Pensionskassen ab. «Die massiven Geldabflüsse auf Kosten der Versicherten sind ein zentrales Problem der zweiten Säule», sagt SP-Nationalrätin Barbara Gysi. Doch kaum einer versteht noch, wohin die Gelder fliessen: «Wir sehen eine Konzentration hin zu komplexen, milliardenschweren Gebilden», sagt Manfred Hüsler, Direktor der Pensionskassen-Oberaufsicht des Bundes (OAK BV). Da geht die Übersicht flöten – auch für Hüsler: «Mit dieser Entwicklung halten die Instrumente der Aufsicht nicht mehr Schritt.» Aber Hüsler sind die Hände gebunden: «Es ist Sache des Parlaments, die Aufsicht zu stärken.»

SVP will nicht noch mehr Kontrolle

In der Wandelhalle will eine Mehrheit der Politiker allerdings nichts davon wissen. «Wir brauchen nicht noch mehr Aufsicht», sagt SVP-Ständerat Alex Kuprecht. «Kein Markt ist so stark reguliert und überwacht wie der PK-Markt.»

Kuprecht und die Oberaufsicht liegen sich schon lange in den Haaren. 2018 wollte der SVP-Ständerat in einer Interpellation wissen, ob die Oberaufsicht ihre gesetzlichen Kompetenzen überschreite – dieselbe Behörde, der Kuprecht als Präsident der grossen Pensionskassen-Anlegerstiftung Pensimo untersteht. Pensimo betreut Gelder von 46 Pensionskassen im Umfang von 2,6 Milliarden Franken.

Gysi will wirkungsvollere Regulierungen

Genau da liegt für SP-Nationalrätin Barbara Gysi das Problem: «Zu viele rechte Politiker verdienen selber mit in diesem Markt.» Gysi setzt sich seit Jahren für wirkungsvollere Regulierungen ein: «Wir brauchen stärkere Instrumente für die Aufsicht. Doch die Lobby der Finanzindustrie im Parlament ist extrem stark.»

Ihr Einfluss ist besonders im Ständerat unübersehbar: Wie Alex Kuprecht untersteht auch Mitte-Politiker Daniel Fässler der Pensionskassen-Aufsicht – als Stiftungsrat der Swiss Prime Anlagestiftung, die Vorsorgegelder in der Höhe von 2,8 Milliarden Franken betreut. Im Ständerat setzt sich Fässler für eine stärkere Überwachung ein – allerdings nicht des PK-Markts, sondern der Aufsicht. Partei- und Kammerkollege Erich Ettlin, Präsident der Sozialkommission SGK, sitzt im Verwaltungsrat des Versicherers CSS und ist Partner bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO, zu deren Dienstleistungen Revisionen für Pensionskassen gehören. 2016 verlangte er vom Bundesrat, Weisungen der Pensionskassen-Oberaufsicht an die Revisionsstellen zu unterbinden. Es sei sonst mit einem «massiven Eingriff in den Markt der Pensionskassenprüfung» zu rechnen, befürchtete das Vorstandsmitglied von Expertsuisse, dem Verband der Wirtschaftsprüfer, Steuer- und Treuhandexperten.

Vehement gegen Kontrollen

Ständerat Josef Dittli (FDP) war von 2010 bis 2016 Präsident der Pensionskasse Uri, heute ist er Präsident der Freizügigkeitsstiftung der Liberty Vorsorge AG und der 3a Vorsorgestiftung. Peter Hegglin (Mitte) war 2011 bis 2016 Präsident der Pensionskasse des Kantons Zug. Und Ruedi Noser (FDP) sitzt im Verwaltungsrat des Credit Suisse Asset Management, zu dessen besten Kunden die Pensionskassen zählen.

Im Nationalrat gehört Thomas de Courten (SVP) zu den PK-Hardlinern. «Es braucht keine neue Regulierung», sagt der Verwaltungsrat der grossen Pensionskasse Asga. Deren Geschäftsführer ist Sergio Bortolin – Präsident von Inter-Pension, dem Verband der Sammelstiftungen, der sich vehement gegen stärkere Kontrollen wehrt.

Ist Situation problematisch?

SVP-Nationalrat Franz Grüter brachte 2003 sein IT-Unternehmen in die Pensionskasse Aetas und wurde Arbeitgebervertreter im Stiftungsrat. Zusätzlich erhält Grüter Broker-Provisionen von bis zu 14'000 Franken pro Jahr – für die Vermittlung seiner eigenen Firma an die PK Aetas. Dieser Sachverhalt wurde 2020 der Aufsicht gemeldet. Die hat sich bis heute nicht dazu geäussert. Grüter betont: «Alle Provisionszahlungen der PK Aetas erfolgten immer vertragskonform und wurden transparent ausgewiesen.»

Die Reihe von Parlamentariern mit Verbindungen zum PK-Markt ist damit nicht abgeschlossen. Ist das nicht problematisch? «Solche Verzahnungen in einem Milizparlament finden sich auch in anderen Bereichen, etwa bei den Gewerkschaften und den Linken», sagt Alex Kuprecht. «Da müssen wir uns nicht ein X für ein U vormachen.»

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