Pensionskassen haben über 1200 Milliarden auf der Seite
Umverteilung von Jung zu Alt gestoppt

Tiefe Zinsen und gesenkte Umwandlungssätze für eine ganze Generation von Pensionskassen-Versicherten. Damit wurde auch eine Umverteilung von Aktiven zu Rentnern finanziert. Nun ortet auch die BVG-Oberaufsicht Korrekturbedarf für die «Verlierer-Generation».
Publiziert: 17.05.2022 um 10:53 Uhr
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Aktualisiert: 19.05.2022 um 15:38 Uhr
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Die Umverteilung von Jungen zu Alten bei den Pensionskassen ist weitgehend gestoppt. Doch der Preis ist hoch und wird von jenen mit tiefen Zinsen und gesenkten Umwandlungssätzen bezahlt.
Foto: imago/photothek
Ruedi Studer

Das sind für einmal gute Nachrichten: Bei den Pensionskassen ist die Umverteilung von Aktiven zu Rentnern weitgehend gestoppt. Flossen in den letzten Jahren jeweils Milliarden-Beträge von Jungen zu Alten, waren es letztes Jahr gerade noch 200 Millionen Franken. Das zeigt der neuste Bericht der Oberaufsicht über die berufliche Vorsorge (BVG) zur finanziellen Lage der Vorsorgeeinrichtungen 2021. Im Jahr zuvor waren es noch 4,4 Milliarden, der Höchstwert datiert von 2016 mit 8,4 Milliarden Franken.

Dass die Umverteilung vorerst weitgehend gestoppt werden konnte, hat verschiedene Gründe. Letztes Jahr haben die Pensionskassen vom Börsenboom profitiert. Mit Renditen von durchschnittlich 8 Prozent. Das hat sich auch auf die Verzinsung der Altersguthaben ausgewirkt.

Tieferer Umwandlungssatz

Ein wenig erfreulicher Grund hingegen ist die kontinuierliche Senkung des Umwandlungssatzes bei umhüllenden Kassen, welche auch Obligatorium und Überobligatorium mischen. Seit 2014 ist der Medianwert beim Umwandlungssatz von 6,2 auf 5,4 Prozent gesunken. Das heisst: Auf 100'000 Franken Altersguthaben gibt es nur noch 5400 statt 6200 Franken Jahresrente.

Bei Neurentnern wurde zudem auch der sogenannte technische Zinssatz nach unten angepasst. Was sich negativ auf die effektiven Renten auswirkt.

Handlungsbedarf bei «Verlierer-Generation»

Ob die Umverteilung definitiv gestoppt ist, bleibt offen. Die BVG-Oberaufsicht geht zumindest davon aus, «dass die Umverteilung auch künftig weniger stark ausfallen dürfte». Präsidentin Vera Kupper Staub hielt vor den Medien in Bern fest: «Die notwendig gewordene Nachfinanzierung der laufenden Renten ist wohl nun weitgehend abgeschlossen.» Das sei zwar positiv. «Es darf jedoch nicht vergessen werden, dass diese Nachfinanzierung ihren Preis hatte.»

Einen Preis von rund 45 Milliarden Franken – so hoch schätzt die BVG-Oberaufsicht die Summe, die von 2014 bis 2021 umverteilt wurde. Damit richtet sich der Fokus nun umso mehr auf die «Verlierer-Generation» – jene, die in den letzten Jahren unter tiefen Zinsen und gekürzten Umwandlungssätzen gelitten und die Umverteilung finanziert haben.

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Gewerkschaftsboss Pierre-Yves Maillard (54) kreiste diese Generation jüngst im Blick auf die 55- bis 70-Jährigen ein. «Sie erhalten eine viel tiefere Rente, als sie beim Einstieg ins Arbeitsleben erwartet haben», so Maillard. «Der Rentenverlust beträgt hier gut 20 Prozent.»

Für diese Generation müssten nun Gegenmassnahmen ergriffen werden. Auch die BVG-Oberaufsicht ortet Korrekturbedarf. Denn der Preis der Umverteilung habe «einzelne Jahrgänge deutlich stärker belastet als andere», so Kupper Staub. Die Solidaritätsmechanismen des BVG-Systems seien einseitig strapaziert worden. Die Vorsorgeeinrichtungen seien nun gefordert, bei künftigen Überschüssen für einen Ausgleich zwischen den unterschiedlich behandelten Jahrgängen zu sorgen.

So also, wie es etwa die UBS-Pensionskasse gerade vormacht: Sie hat für einzelne Neurentner-Jahrgänge die Renten erhöht – ein Einzelfall, der Signalwirkung haben könnte.

Über 1200 Milliarden auf der Seite

Nicht nur die Umverteilungsfrage hat die BVG-Oberaufsicht beschäftigt. Ihr Bericht liefert weitere Erkenntnisse, welche die politische Debatte um die laufende BVG-Reform beeinflussen werden.

  • 1200 Milliarden Franken: Die Pensionskassen sind reicher denn je. Dank einer Netto-Vermögensrendite von rund 8 Prozent steigt die Bilanzsumme der rund 1500 Vorsorgeeinrichtungen auf 1222 Milliarden Franken. 93 Milliarden mehr als im Vorjahr.
  • Rekordhohe Deckung: Der Deckungsgrad ist auf einen Rekordwert gestiegen. Per Ende 2021 lag er im Schnitt bei 118,5 Prozent bei privaten Kassen – im Jahr zuvor waren es noch 113,5 Prozent. Bei öffentlich-rechtlichen Kassen mit Staatsgarantie ist der Wert von 85,8 auf 89,3 Prozent gestiegen. Im laufenden Jahr allerdings sieht es wegen steigender Inflation derzeit weniger rosig aus – per Ende März ist der Deckungsgrad der Privaten auf 112,9 Prozent gesunken.
  • Höhere Zinsen: Endlich gibt es wieder höhere Zinsen für die aktiv Versicherten. Im Schnitt wurde das Altersguthaben bei den privaten Kassen mit 3,69 Prozent verzinst, bei den staatlichen mit 3,08 Prozent. Im Vorjahr waren es im Schnitt nur um die 2 Prozent.

Reformstau lösen

Trotz allem ortet die BVG-Oberaufsicht Handlungsbedarf für politische Reformen – gerade im obligatorischen Bereich, wo der Umwandlungssatz bei hohen 6,8 Prozent liegt. Aber auch, weil sich die Erwerbskarrieren verändert haben.

Präsidentin Kupper Staub spricht denn auch von einem Reformstau in der zweiten Säule. Und macht klar: «Wir brauchen weitere Reformschritte!» Gerade die Versicherten mit unterdurchschnittlichen Löhnen im Bereich der obligatorischen Kassen seien nun am stärksten von der verbleibenden Umverteilung betroffen.

BVG-Reform im Ständerat

Eine Frage, die das Parlament mit der anstehenden BVG-Reform zu lösen versucht. Allerdings haben die Bürgerlichen den von Arbeitgebern und Gewerkschaften getragenen Sozialpartner-Kompromiss vom Tisch gefegt. So, dass der Linken die Lust an der bürgerlich geprägten Reform weitgehend abhandengekommen ist.

In der Sommersession kommt die Reform im Ständerat auf den Tisch. Dort wird sich zeigen, ob die Bürgerlichen an ihrer harten Linie festhalten oder doch noch auf einen sanfteren Kurs einschwenken.

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