Eine Automesse im Sommer hat etwas für sich. Statt in stickigen Messehallen die Tücher von den Neuheiten zu ziehen, lässt sich das jetzt entspannt im Freien erledigen. Bei der Enthüllung des neuen Ford Mustang an der Detroit Auto Show (16. bis 25. September) wäre sogar genug Platz gewesen für ein paar flotte Drifts quer über die Showbühne. Fette Autos, CEO Bill Ford (65) in Feierlaune und Promis auf der Bühne und im Publikum: Fast wirkte es, als wäre die so legendäre Automesse von Detroit wiedergeboren.
Einst zündeten die Autohersteller – auch jene aus Europa – in der Cobo Hall im Herzen der Stadt ein Feuerwerk mit Neuheiten, Superstars und eindrucksvollen Shows. Auch wenn die offiziell sogenannte North American International Auto Show (NAIAS) damals Anfang Januar meist im Schneechaos versank, war sie perfekt terminiert. Hier wurde zurückgeschaut aufs Vorjahr, es gab massenhaft Neuheiten und jede Menge Optimismus zum Jahresauftakt. Heute ist die Detroit Auto Show einem neuen Ford Mustang zum Trotz ohne Bedeutung, auch wenn in der darbenden Region im Nordosten der USA die schwersten Jahrzehnte überwunden scheinen. Das Motto beim diesjährigen Event: «The future ... is designed in Detroit». Auf die lokalen Hersteller wie Ford, Jeep, Chrysler und General Motors mag das zutreffen – auf diese Messe sicher nicht.
Genf, Los Angeles und New York schwächeln
Und sie schwächelt nicht allein: Der Genfer Autosalon im März 2023 fällt erneut aus – nachdem schon die letzten drei Auflagen gestrichen worden waren. Er war vor knapp zweieinhalb Jahren die erste bedeutende Automesse, die infolge der Corona-Pandemie unter die Räder kam. Finanziell half ihr ein Investor aus Katar aus der Patsche, der im kommenden Jahr das Genf-Label für eine Luxus-Show im eigenen Land nutzen will. Vermissen wird die einst wichtigste jährliche Automesse Europas vor allem die lokale Genfer Hotellerie, die sich ihre Zimmer meist fürstlich bezahlen liess. Rund 200 Millionen Franken soll der Genfer Autosalon früher in die Kassen der Region gespült haben.
Der Niedergang der Automessen hatte aber schon vor der Pandemie begonnen. London, Bologna, Birmingham, Tokio oder Turin – sie alle spielen keine Rolle mehr. Die US-Messen in Chicago, New York oder Los Angeles haben ebenfalls nur noch nationalen Charakter. Marken blieben fern: Zuerst, weil sie befürchteten, mit ihren Neuheiten in den Messe-Kakophonien unbeachtet zu bleiben. Und dann, weil viele PR-Abteilungen spätestens in der Corona-Pandemie entdeckten, dass kostengünstige digitale Präsentationen oft die gleiche Resonanz bringen wie teure Messeauftritte.
Dort muss man sich mit lokalen Gegebenheiten arrangieren, vor Ort Personal anheuern und sich mit Gewerkschaften absprechen – da kommen schnell zweistellige Millionenbeträge zusammen. Diese gibt man nach wie vor aus – jedoch verteilt auf eigene Events, bei denen man sich die Aufmerksamkeit nicht mit anderen Marken und Neuheiten teilen muss. Und viele Hersteller hatten schon vor der Corona-Pandemie andere Formate für sich entdeckt: Tech-Messen in den USA wie die Consumer Electronics Show (CES) in Las Vegas oder South by Southwest im texanischen Austin zum Beispiel.
Was wird aus den Europa-Events?
Dass Automessen nicht zwingend darniederliegen müssen, zeigen Events, bei denen die Fahrzeuge im Hintergrund stehen oder völlig anders inszeniert werden. Zur wichtigsten Autoschau der Welt ist in den vergangenen Jahren die Monterey Auto Week avanciert, die in der dritten Augustwoche an der nordkalifornischen Pazifikküste stattfindet und mit Präsentationen zwischen Luxus und lustig ein breites Publikum anspricht. Auch auf der anderen Seite des Pazifiks spielen Automessen nach wie vor ihre Rolle. Japan, Südkorea und speziell die Events in China sind durch die Pandemie zwar mittlerweile nationale Veranstaltungen geworden, haben jedoch noch das Potenzial, in begrenztem Masse auch international ein Comeback hinzulegen.
Und in Europa? Die IAA im Herbst 2021, von Frankfurt neu nach München gewandert, war ein grandioser Erfolg – jedoch nur in der Innenstadt. Dort im «Open Space» wurde die Autoausstellung trotz Corona zum riesigen Volksfest. Auf dem Gelände der Fachmesse in München-Riem regierte dagegen die Langeweile. Bleibt abzuwarten, wie nächste Woche ab 20. September die Nutzfahrzeug-IAA im deutschen Hannover daherkommen wird. Aber die Nutzfahrzeugbranche lässt sich kaum mit dem PW-Business vergleichen – Letzteres setzt an Messen auf den Showeffekt, während es bei Transportern und Lastwagen doch eher um Kosten und Kalkulationen geht.
Paris vor dem Neustart
Im kommenden Monat versucht auch die französische Hauptstadt Paris, die Autofans aus aller Welt nach der Pandemie-Pause wieder in das üppig dimensionierte Messezentrum zu holen. Doch der Pariser Autosalon, im jährlichen Wechsel mit der deutschen IAA veranstaltet, ist längst eher nationale Leistungsschau als internationale Leitmesse. Die französischen Marken wie Citroën, DS und Peugeot aus dem Stellantis-Konzern oder Renault halten weiter an ihr fest. Renault-Chef Luca de Meo (55) kündigte gar an, seine CEO-Kollegen vor allem der deutschen Marken persönlich von der Wichtigkeit der Messe überzeugen zu wollen. Doch es scheint fraglich, ob wenige Marken und ein paar Concept Cars wie Renaults vollelektrischer R5 Turbo E3 das Publikum wie früher anziehen werden.
Vielleicht liegt die Lösung eher im Regionalen. In der Schweiz bleiben kompakte Autoshows mit Vergleichs- und Verkaufsmöglichkeit für die Kundschaft weiter auf Kurs. Zuletzt öffnete die Auto Basel nach der Corona-Pause wieder ihre Tore; im November wird die Auto Zürich wieder über die Bühne gehen. Regionale Verankerung und Nähe zum normalen Autokäufer – dieses Messerezept dürfte eine Zukunft haben.