So umstritten war noch selten eine Messe, bevor sie überhaupt begonnen hatte. Im Vorfeld der Internationalen Automobilausstellung IAA hagelte es Absagen von Autoherstellern, stellte die andauernde Corona-Pandemie ihre Durchführbarkeit infrage und liess ein massives Ausbleiben von Publikum befürchten. Hinzu kam ein neues Konzept an neuem Veranstaltungsort: Hier eine klassische Messe im Münchner Messegelände, dort sogenannte Open Spaces in der Innenstadt, die Mobilitätsinnovationen zu den Menschen bringen sollten.
Gestern ging die Messe zu Ende. Der Verband der deutschen Automobilindustrie VDA als Veranstalter – der sich zudem mit den Messeeinnahmen finanziert – zog ein positives Fazit. Rund 400'000 Besucherinnen und Besucher in nur sechs Tagen Messe – das sei eine beeindruckende Resonanz. Auf den sogenannten Blue Lines zwischen Messe und City wurden 7000 Testfahrten mit Elektroautos gebucht; 744 Aussteller zeigten ihre Neuheiten. Die IAA Mobility sei nun «der Mobilitäts-Event der Welt». Auch das Hygienekonzept habe sich bewährt.
Mässiger Besuch an der Messe
In den Messehallen Riem klappten Organisation und Hygienekonzept trotz Pandemie bestens; jedoch herrschte an den Publikumstagen nur an den Ständen von Marken wie BMW, Mercedes, Volkswagen oder Renault Andrang. Hier machten sich die über 20 Automarken, die an der IAA in diesem Jahr fehlen, schmerzhaft bemerkbar. Die Parkhäuser waren deutlich leerer, als man es von den Vorgängerveranstaltungen in Frankfurt kannte. Warum rund 70 Velohersteller an der Messe waren, obwohl mit der Eurobike die wichtigste Fahrradmesse erst jüngst stattfand, dürfte zudem noch zu reden geben.
Aber: Wer die Open Spaces der IAA in der City besuchte, erlebte eine Automesse, wie es sie wohl noch nicht gegeben hat. Kunterbuntes Spektakel – hier drückten sich Kinder wie Erwachsene tatsächlich an Autos von heute und morgen die Nase platt. Mercedes trumpfte mit einem Zwei-Etagen-Bau auf dem Odeonsplatz auf, der abends illuminiert noch besser als am Tage aussah. Bettina Fetzer, Kommunikations- und Marketingchefin bei Mercedes: «In München schaffen wir Orte der Begegnung und Kommunikation. Wir kreieren ein übergreifendes und zeitgemässes Markenerlebnis und bieten innovative, nachhaltige und digitale Lösungen und Services der Mobilität von morgen.» Nur Marketing-Sprech? Nein, es funktionierte tatsächlich.
Lange Schlangen in der City
Bei Mercedes standen Besucher genauso willig an wie am Wittelsbacher Platz, wo Porsche und Audi ihre dreidimensionalen Visitenkarten mit neuen Autos und Technologien aufgebaut hatten. Hier ein Vortrag, da ein Rundgang – das Konzept schien beim Publikum anzukommen. Nicht anders sah es Richtung Leopoldstrasse aus, wo Marken wie Cupra und Kia glänzten. Wie Audi und Porsche sparten sich beide die Messe zugunsten des Auto-Strassenfestes in der City. Volle Hütte auch in der BMW-Erlebniswelt auf dem Opernplatz oder mit Bosch, Polestar und Co. auf dem Königsplatz.
Die Stimmung schien entspannter denn je, und es zeigt sich: Das Interesse am Auto ist weiterhin gross. Aufklärungsbedarf gibt es angesichts der E-Mobilität und neuer Mobilitätskonzepte mehr als genug – und anfassen ist besser als nur lesen. Bei aller Freude über den Innenstadt-Event: Das Polizeiaufgebot war gewaltig. Allein 4500 zusätzliche Bereitschaftspolizisten sollten die Veranstaltung vor Störern aus der linken politischen Szene schützen. Diese hatten mit monatelangem Vorlauf Störaktionen angekündigt; ganz ähnlich wie bei der letzten IAA 2019 in Frankfurt am Main. Inklusive privater Sicherheitsdienste und Objektschützer sollen mehr als 30'000 Sicherheitskräfte vor Ort gewesen sein. Viel Aufwand für eine Auto- und Mobilitätsmesse.
Nächste Austragung fest eingeplant
Der Termin für die nächste Münchner IAA im September 2023 steht bereits fest. VDA-Präsidentin Hildegard Müller ist sich sicher, dass viele einstige Aussteller dann wieder an die IAA zurückkehren werden. In diesem Jahr seien viele vor allem wegen der Covid-Restriktionen zu Hause geblieben, ist sie sich sicher. Wenn sie sich da mal nicht täuscht: Im Blick-Interview führt Skoda-Chef Thomas Schäfer vor allem finanzielle Gründe an. Mit dieser Begründung dürfte er nicht nur angesichts von Corona-Folgen und Produktions- und Absatzausfällen wegen Halbleitermangel nicht allein gewesen sein.