Ein weiterer harter Herbst für alle Ur-Münchner: Schon 2020 fiel das traditionelle Oktoberfest dem Corona-Virus zum Opfer. Auch 2021 wurde die zweiwöchige Dauerparty auf der Theresienwiese abgesagt. Schon im Mai – per Entscheid von Ministerpräsident Markus Söder (54), der nicht nur die «Wiesn», sondern alle bayerischen Volksfeste für 2021 gecancelt hat. Stattdessen macht sich nun vom 7. bis 12. September im deutschen München ein anderes Grossereignis breit: die Internationale Automobilausstellung IAA. Heute ist der Tage für die Presse, morgen wird die erste grosse europäische Automesse nach der Corona-Pandemie von der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel (67) eröffnet.
Trotzdem: Normal im Sinne wie früher ist an dieser Messe wenig. Erstmals findet die Schau in München statt. Eine Premiere in jeder Hinsicht. Zusätzlich zur klassischen Automesse auf dem Messegelände präsentieren sich die Aussteller auch in der Münchner Innenstadt – mit Mitmach-Angeboten, bei denen das Publikum heute schon die elektrifizierte Mobilität von morgen ausprobieren soll. «E'zapft is'», sagen IAA-Macher – statt «O'zapft is'!», wie es heisst, wenn das Bier am Oktoberfest in Strömen läuft.
Neustart in Mobilität der Zukunft
Damit setzt der Verband der Deutschen Automobilindustrie (VDA) als Ausrichter einen Cut nach der desaströsen IAA 2019; damals in Frankfurt am Main (D). Die war noch alter Schule: Gigantischer Messebau mit exklusiven Hallen für einzelne Marken und lautstarker PR- und Marketing-Tamtam. Letzteres ging unter in den Pfiffen der Klimaaktivisten, die der Branche vorwarfen, mit ihrer Hochglanz-Show Klimaschutz und gesellschaftlichen Trends an den Karren zu fahren. Unbeholfene Versuche des VDA, auf die Protestler zuzugehen, machten es nur noch schlimmer.
München markiert den Neustart. Publikumsnähe statt Sonntagsreden sind hier angesagt. «Auto, Digital, Rad und Stadtplanung – wir bringen heute zusammen, was morgen zusammengehören muss. Wir zeigen die neuen Konzepte und laden ein zur Debatte über den richtigen Weg hin zur klimaneutralen Mobilität», erklärt VDA-Geschäftsführer Jürgen Mindel das Konzept. Sprich: Zur Neuheitenshow der Autohersteller gesellen sich auch IT-Giganten wie Huawai oder Mobileye zu Themen wie autonomem Fahren und Vernetzung, zeigen Zulieferer Mobilitäts-Konzepte und -fahrzeuge sowie 50 Velo- und Bike-Anbieter ihre Neuheiten.
Autos, Velos und Digitales
Daher heisst die Messe mit rund 1000 Ausstellern nicht mehr IAA, sondern IAA Mobility und lässt das Publikum dicht ran, wenn es autonomes Fahren, rund 250 Testautos, E-Scooter, E-Bikes oder fahrerloses Parkieren ausprobieren kann. In der City und auf «Blue Lanes», die Messe, Innenstadt und Locations verbinden. Normaler Verkehr verboten – sie sind exklusiv zum Ausprobieren. Hinzu kommt eine Konferenz mit 500 Global Playern und Branchengrössen aus der Mobilität.
Aber: Der Automarken-Exodus setzt sich auch 2021 fort. Schon vor zwei Jahren waren zahlreiche Marken zu Hause geblieben. Viele zeigen ihre Neuheiten längst kostengünstiger an eigenen Events oder im digitalen Kämmerlein. Zumal die Corona-Pandemie die Budgets belastet. Von den Etablierten werden daher nur Audi, BMW, Cupra, Dacia, Ford, Genesis, Hyundai, Kia, Mercedes-Benz, Polestar, Porsche, Renault, Smart und Volkswagen in München sein – manche sogar ohne Messestand, nur mit Auftritt in der City. Auch dabei: Die Schweizer Microlino und Rinspeed oder Exoten wie die China-Marken ORA, WEY oder Xpeng Motors.
Oktoberfest nein, Messe ja?
Oktoberfest nein, aber ein Ja zur Grossmesse? Verwunderlich, aber natürlich gibt es ein Schutzkonzept, das nur Geimpfte, Genesene oder Getestete zu den Events oder in die Testfahrzeuge lässt. Und natürlich wird an einer Messe – ohne Alkohol – der Abstand eher eingehalten als am Oktoberfest. Die grosse Frage wird aber sein: Funktioniert das Konzept? Automanager lieben nach eigenem Bekunden den Genfer Salon für seine familiäre Atmosphäre und die Überschaubarkeit. Aber die Zukunft der Mobilitätsmessen soll jetzt eine über eine ganze Stadt verteilte Show sein?
Ob sich die IAA neu etablieren kann, hängt auch von der Offenheit der Industrie ab: Strittigen, aber friedlichen Dialog über den richtigen Weg der künftigen grünen Mobilität wünscht sich Jürgen Mindel für die öffentlichen Diskussionsforen auf dem Münchner Marienplatz. Das dürfte die grösste Herausforderung werden.