Im Herbst 2021 wagt die Internationale Automobil-Ausstellung (IAA) einen kompletten Neustart: Mehrere deutsche Städte wollten die Heimmesse der deutschen Autoindustrie. München bekam den Zuschlag des Verbandes der deutschen Autoindustrie (VDA) – dank einem völlig neuen Messekonzept.
Seither rauchen nicht nur beim VDA und der Messe München die Köpfe: Geht die IAA 2021 in die Hose, war es das dann wohl für die wichtigsten Automessen der Welt. Denn allen ausser jenen in China (Peking, Shanghai) gehen Besucher und Aussteller aus – ob Detroit (USA), Paris (F) oder auch dem Genfer Salon.
Nicht Corona ist das Problem
Die Corona-Pandemie führte zwar zur Absage von Messen wie jener in Genf. Doch das Problem steckt tiefer: Analoge Messen sind in digitalen Zeiten nicht mehr gefragt, Enthüllungen wie Modelle im Internet zu bestaunen. Nach der 2019er IAA in Frankfurt kams zum Knall, nun zieht die alle zwei Jahre stattfindende IAA nach München: 7. bis 12. September 2021. Dazu hat sich der VDA jemand an Bord geholt: Die Messe München ist Partner, nicht nur ausführender Dienstleister.
Die Autohersteller weichen aus Kosten- wie Imagegründen längst von Auto- auf Techmessen wie die CES in Las Vegas (USA) aus. Wer will schon seine Neuheit zwischen 50 anderen zeigen oder sein neues Hightech-Mobil neben neuen Billig-Kleinwagen? Und Tech-Messen à la CES locken Leute. Also sollen Erfahrungen von Tech-Events in die IAA einfliessen. Ein Pro wie Contra könnte werden, dass die grün-rote Münchener Stadtregierung Raum für alternative Verkehrskonzepte fordert. Im Kern stehe das Auto, doch es gehe um die ganze Mobilität, heissts.
Stände in der ganzen City
Auf dem Messeareal selbst gibt es den Summit (dt. Gipfeltreffen) mit Ständen und Autos. An zentralen Orten in der Münchener City wie Odeons-, Königs- oder Wittelsbacher-Platz ist der Open Space (dt. Freifläche), um damit Stadtpublikum anzulocken. Themeninseln von Autoherstellern oder Mobilitäts-Anbietern sollen hier entstehen. «Es werden wieder viele dabei sein, die in der Vergangenheit nicht mehr teilgenommen haben», sagt VDA-Geschäftsführer Jürgen Mindel (46). Viele gingen selbst auf den VDA zu, weit über die Autobranche hinaus.
Kein Thema soll Gigantismus sein, als gerade an der IAA einzelne Marken Hallen alleine belegten oder aufbauten. Das hat aber nichts mit friedlicherem Miteinander zu tun: Vielmehr sind die Budgets geschrumpft. Kostete der IAA-Auftritt grosse Marken bisher 25 bis 75 Millionen Euro, sollen nun deutlich einstellige Millionenbeiträge reichen. Tatsächlich ist es keineswegs so, dass die Autobauer gar nicht mehr an Messen kommen wollen. Nur eben nicht mehr an alle. So nannte etwa Daimler-Boss Ola Källenius (51) gegenüber BLICK Automessen «immer noch die beste Plattform, wenn man was Neues zeigen und die Welt dabei haben will» und betonte: «Muss man an jeder Show sein? Nein. Man sucht die wichtigen aus. Sind manche Shows zu Autoshows geworden, wie die CES? Ja. Man sucht heute also auch andere Messen aus. Ich freue mich auf München im nächsten Jahr.»
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Messe- als Mitmach-Event
Aus dieser Not soll eine Tugend werden: Das Messegelände im Osten der Stadt mit dem IAA Summit wird über die sogenannte Blue Lane mit den Open Spaces in der City verbunden. Auf dieser «Blauen Spur» über die Autobahn A94 und die Prinzregenten-Strasse ins Herz der City erlebt und testet man die Mobilität von morgen quasi am eigenen Leibe: Die IAA soll zum Mitmach-Event werden. Die Corona-Pandemie macht das nicht einfacher. Man wisse aber dank zahlreicher Grossveranstaltungen, wie man dies lösen könne. Eine der Hauptsäulen: Digitale Messeinhalte flankieren darum auch verstärkt das eigentliche IAA-Programm.
Wollen die Besucher das?
Nur: Wünschen sich Autofans nicht grosse Enthüllungen und die spektakulären Messestände? Trifft eine Mitmach-Messe voller alternativer Mobilitäts-Ideen den Zeitgeist, oder verliert die IAA so die letzten Fans? Ein heikler Spagat, auch weil die letzte IAA zu Protest von Ökoseite führte. «Wir werden auf Kritiker zugehen und den Diskurs führen. Und wir werden selbst kritische Fragen stellen: Wie können Klimaschutz und individuelle Mobilität gemeinsam erreicht werden? Nur mit Verboten lösen wir keine gesellschaftlichen Fragen», betont Mindel dazu. In Genf, wo das Schicksal des Autosalons in der Schwebe ist (im März 2021 dürfte keiner stattfinden), wird man sich all das im Herbst 2021 besonders genau anschauen.