Automessen unter Druck wegen Corona: Die grosse Show ist vorbei
Fällt jetzt der Vorhang?

Schon in den letzten Jahren litten Automessen unter sinkendem Aussteller-Interesse. Immer mehr Hersteller meldeten sich aus Genf, Frankfurt, Detroit oder Paris ab. Die Corona-Krise beschleunigt nun diesen Prozess – speziell in Europa.
Publiziert: 01.07.2020 um 12:46 Uhr
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Aktualisiert: 08.01.2021 um 10:26 Uhr
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Genfer Autosalon 2010: Die damalige Bundesrätin Doris Leuthard hat Spass im Porsche 918 Spyder.
Foto: Toini Lindroos
Andreas Faust und Stefan Grundhoff

Der Genfer Salon im März 2020 stand auch ohne Corona schon unter Druck. Selbst wenn die Veranstaltung im Genfer Messezentrum Palexpo stattgefunden hätte: Mehr als 17 wichtige Marken hatten sich schon frühzeitig abgemeldet. Jetzt ist klar: Auch im kommenden Jahr wird es keine Geneva International Motorshow (GIMS) geben. Aber Genf ist nicht die einzige europäische Autoshow, die sich derzeit in Schwierigkeiten befindet.

Die Corona-Krise ist nicht die Ursache für die sinkende Attraktivität der grossen Automessen mit globaler Strahlkraft. Aber sie treibt den Prozess voran. Covid-19 funktioniert wie ein Brandbeschleuniger für die Autoindustrie, für die Umsetzung neuer Präsentationsformate und Arbeitsweisen. Nahezu alle geplanten Veranstaltungen – auch die physischen Präsentationen neuer Modelle – fielen aus; als Ersatz kommunizierten die Hersteller virtuell. Nicht immer lief es dabei in den vermeintlichen Tech-Konzernen so ganz rund. Aber besser als nichts und das zu überschaubaren Kosten.

Die erste Münchner IAA hats schwer

Und wie geht es weiter? Auch die für den Spätsommer 2021 geplante Internationale Automobilausstellung IAA tut sich schwer. Nach dem Zusammenbruch der Messe 2019 in Frankfurt (D) soll sie erstmals in München (D) stattfinden. Wer hinter die Kulissen schaut und mit Organisatoren und Autoherstellern spricht, der weiss, dass man die IAA wohl besser abgesagt hätte, wären die langfristigen Auswirkungen der Corona-Pandemie schon früher abzusehen gewesen. Zudem gab es in München einen Regierungswechsel. Zwar ist Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) weiterhin im Amt und auch mit im Boot für die IAA. Doch die Grünen wurden überraschend stärkste Fraktion im Rathaus der Stadt München. Und so hat es das Auto in München zukünftig noch schwerer als in den vergangenen Jahren ohnehin schon.

Das macht auch die Planungen für die IAA schwieriger. Verbände, Organisationen und Firmen bedauern bereits jetzt, dass man sich für München entschieden hat. Die Restriktionen durch Terminlage (Oktoberfest!), Örtlichkeiten und politische Situation vor Ort machen die Messe zu einem Risiko, das viele nicht tragen wollen. Dazu kommen die wankenden Autoriesen: Gaben grosse deutsche Marken wie Audi, BMW, Mercedes, Porsche oder Volkswagen alle zwei Jahre einst 50 und mehr Millionen Euro für die knapp zweiwöchige Frankfurter IAA aus, kalkulieren die Marken heute für den künftigen Event in München nicht einmal mehr ein Zehntel der einstigen Budgets ein.

Weltweit stehen Messen zur Disposition

Für die übrigen Messen weltweit sieht es nicht viel anders aus. Mercedes verabschiedete sich frühzeitig von den einst so wichtigen US-Automessen in Detroit, New York und Los Angeles. Auch BMW hat sich von den meisten internationalen Messen längst verabschiedet und will – alternierend mit einer etwaigen IAA – auf eine Hausmesse in der Münchner BMW Welt setzen.

Paris ist für diesen Herbst abgesagt und dürfte auch künftig wegen angespannten Finanzen auf der Kippe stehen. Und so bleibt nicht viel mehr als die Consumer Electronic Show (CES) Anfang des Jahres in Las Vegas sowie die chinesischen Grossmessen in Peking, Guangzhou und Shanghai. Die CES und China sind für die Marken mittelfristig nur schwer zu ignorieren; so hört man aus dem Volkswagen-Konzern.

Viele Marken haben sich längst zurückgezogen

Doch jüngst hat sich zum Beispiel Lamborghini von allen weltweiten Messen verabschiedet. Auch Jaguar Land Rover, PSA oder Ford bleiben den meisten Messen längst fern. Die Ausstellungsflächen sind teurer denn je, der Kostenaufwand für Planung, Messebau und Personal gigantisch. Dabei lässt sich der Ertrag für Image und Verkäufe kaum ermitteln. In den Vorstandsetagen hat zudem längst eine neue Generation von Topmanagern das Sagen, die solche Millionen-Ausgaben nicht einfach ohne kritisches Hinterfragen abnickt.

Schliesslich wird es zunehmend schwierig, ein jüngeres, digital-affines Publikum anzulocken. Das klappt allenfalls noch in China. Was fehlt, sind neue Formate. Ex-GIMS-Direktor Olivier Rihs hatte solch ein neues Konzept für die Genfer Show 2020 geplant. Umsetzen und auf Erfolg prüfen durfte er es leider nicht.

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