Wie eine Insel sticht die Schweiz aus Europa heraus: Während beispielsweise Deutschland eine landesweite Ausgangssperre zur Eindämmung der dritten Corona-Welle diskutiert, haben bei uns seit Montag die Terrassen der Restaurants, Kinos oder Fitnesscenter wieder geöffnet. Mit etwas Neid fragen sich die Menschen in den Nachbarländern: Wie macht die Schweiz das?
Über unsere Minilockerungen kann China jedoch nur müde lächeln: Im Riesen-Reich der Mitte, in dem das Virus Ende 2019 mutmasslich als erstes ausbrach, ist grösstenteils der normale Alltag eingekehrt. Essen gehen, Party machen, Konzerte besuchen – alles längst wieder möglich. Und sogar Automessen.
Über 500'000 Besucher
Kein Wunder, dass auch die soeben gestartete Auto Shanghai nicht kleckert: Auf rund 360'000 Quadratmetern in zwölf Hallen präsentieren im National Exhibition and Convention Center der Metropole mehr als 1000 nationale und internationale Aussteller ihre automobilen und technologischen Neuheiten der Welt. Eine Ausstellung mit mehr als 500'000 wenngleich zumeist nationalen Besuchern wäre momentan in keinem anderen Land der Welt denkbar.
Längst ist die Automesse in China, abwechselnd in Shanghai und Peking, zur grössten Autoshow der Welt aufgestiegen und hat Messen wie der deutschen IAA, der Detroit Motorshow (USA) oder auch dem Genfer Autosalon den Rang abgelaufen. Der Grund dafür ist simpel: Nach kurzzeitiger Flaute boomt die Wirtschaft, als habe es nie Corona gegeben. Das Wachstum Chinas ist enorm, und der weltgrösste Automarkt dabei, seinen Abstand weiter auszubauen.
Automarkt der Superlative
China fährt dem Rest der Welt wortwörtlich davon. Alleine im ersten Quartal 2021 stiegen die Autoverkäufe im Vergleich zum Vorjahr um 76 Prozent auf rund 6,5 Millionen. Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer (69), Direktor des Center Automotive Research (CAR) an der Uni Duisburg-Essen (D), geht davon aus, dass bis Ende Jahr 24,7 Millionen Neuwagen in China einen Besitzer finden – so viele wie nie zuvor! Dies würde bedeuten, dass bei geschätzt 76 Millionen produzierten Autos 2021 weltweit jedes dritte Auto in China verkauft würde.
Und der Markt sei längst nicht ausgereizt: «Schon heute fahren in China über 287 Millionen Autos auf den Strassen – mehr als in jedem anderen Land der Welt. Bei 1,4 Milliarden Menschen, die dort leben, entspricht dies aber einer Fahrzeugdichte von lediglich 205 Autos auf 1000 Einwohner.» In den USA, bis vor kurzem der grösste Automarkt der Welt, kämen hingegen 871 Fahrzeuge auf 1000 Einwohner – der Zweitplatzierte Markt USA sei annähernd gesättigt.
Auto- wird Mobilitätsmesse
So buhlen internationale Aussteller – allen voran das deutsche Quartett um Audi, BMW, Mercedes und Volkswagen – um die Gunst des Shanghaier Publikums. Auch dieses Jahr findet man auf den Ständen Sportwagen und Luxuslimousinen. Aber es werden immer weniger. Die Messe in China zeigt zwei Trends. Dass saubere, sogenannte New Energy Vehicles (NEVs) – meist Elektro- und Wasserstoffautos – immer stärker in den Fokus rücken – und dass es immer weniger um Autos als solche und immer mehr um Zukunftstechnologie dahinter geht: Elektromobilität, autonomes Fahren, Digitalisierung oder auch einfach das Entertainment sind nur einige dieser Themenschwerpunkte.
Die Automesse als Mobilitäts-Ausstellung: Die Auto Shanghai lebt jetzt schon vor, wie sich hiesige Autoshows wie die deutsche IAA, die im Herbst erstmals in München statt Frankfurt stattfindet, oder der im Frühjahr 2022 (vermutlich) wiederkehrende Genfer Autosalon die Zukunft der Automesse vorstellen. Ob die einheimischen Ausstellungen aber je wieder die Wichtigkeit von einst erlangen, ist dabei mehr als fraglich – und das nicht nur wegen Corona.
In den kommenden Tagen berichten wir an dieser Stelle über die wichtigsten Neuheiten der Auto Shanghai.