Das rote Riesenreich lässt uns staunen. China ist fast so gross wie ganz Europa und vor Indien bevölkerungsreichstes Land: 1,4 Milliarden potenzielle Autokäufer! Jeder fünfte Mensch ist Chinese. China hat 14 Agglos mit mehr Einwohnern als wir (Schweiz 8,6 Mio.) und 150 Ballungsräume mit über einer Million Einwohnern (in der Schweiz nur Zürich).
In China wurden 2019 an fünf Tagen so viele neue Personenwagen (PW) verkauft wie in der Schweiz im ganzen Jahr (311'000 Stück). Wohlgemerkt: 2019 war kein gutes Jahr.
70 Prozent Neulenker
Denn die leichte Absatzdelle der letzten zwei Jahre unterbrach erstmals den unfassbaren Auto-Boom. Noch im Jahr 2000 wurden in China nur 600'000 Autos verkauft. Zehn Jahre später waren es schon 13 Millionen: China löste die USA als grösster Automarkt und Sehnsuchtsort der Autoverkäufer ab. Letztes Jahr waren es dann 21,4 Millionen PW – und dazu kamen noch 4,3 Millionen Nutzfahrzeuge.
Die Corona-Absatzkrise lassen wir hier beiseite, da deren Auswirkungen noch unabsehbar sind. Im ersten Quartal musste China (2,83 Mio. Autos) gar den ersten Platz an die USA abgeben (3,48 Mio.). Doch derzeit erholt sich der Markt ganz gut. Kein Wunder: In China kommen auf 1000 Menschen 181 Autos, bei uns 716. Noch immer kaufen 70 Prozent der chinesischen Autokunden ihr erstes Auto in ihrem Leben!
China hat VW doppelt
Nach Konzernen liegen Volkswagen (VW) und General Motors (GM) vorne. Schon 1978 wagten sich die Wolfsburger im grossen Stil in die noch sehr kommunistische Volksrepublik, Zwangskooperation inklusive. So entstand 1978 erst SAIC-VW, 1991 FAW-VW – in China gibts VW doppelt. Da wird konkurriert und kooperiert, geteilt und geherrscht. Bei GM sowie lokalen Grössen wie BAIC, Changan, Dongfeng oder Geely ist das aufgrund zahlloser Verflechtungen und etlicher Markennamen weit unübersichtlicher: Über 80 Automarken werben in China um Kunden.
Nach Marken liegt VW mit 18 Prozent Anteil weit vorne. Auf je die Hälfte kommen Honda und Toyota im Rangeln um Platz zwei und drei. Dann Geely, Nissan, Buick (GM), Changan (Suzuki-Lizenz), Haval (Great Wall), Hyundai, Audi, Baojun (GM), Mercedes, BMW, Chevrolet (GM) und BYD.
Limousinen statt SUV
Zwar erlebt auch China den SUV-Boom (40 Prozent Anteil), aber dahinter rangiert die konservative Limousine (30 Prozent). Deren Käufer wollen ihr Umfragen zufolge treu bleiben – und ein Drittel der Kunden ihrer Marke. Erstkäufer dagegen richten sich hier wie nirgends sonst nach Internet und Social Media: Im Auto ist Smartphone-Anbindung so wichtig wie Top-Service und ein langer Radstand und viel Platz im Fond ebenso gefragt wie Komfort.
Von zehn PW-Bestsellern sind acht Kompakt- bis Mittelklasse-Limousinen, nur zwei sind SUVs. Die Top Ten: SAIC-VW Lavida, Haval H6 von Great Wall, Wuling Hongguang (GM), Toyota Corolla Sedan, Nissan Bluebird Sylphy, FAW-VW Sagitar, Buick Excelle GT (GM, das Modell stammt noch aus der Zeit, als Opel zu GM zählte), SAIC-VW Bora, SAIC-VW Santana, Honda Civic Sedan. China kopiert keineswegs nur Autos!
700 Tote – am Tag!
In der Unfallstatistik spürt man, dass eine ganze Nation binnen nur zwei Jahrzehnten zu Autofahrern geworden ist: 700 Tote – am Tag! In globalen Unfallstatistiken sortiert sich China zwischen Russland und Nigeria ein. Das Miteinander von Velos, Scootern und Motor-Dreirädern gilt als Hauptgrund. Gerast wird kaum, aber Regeln gelten oft nur für andere. Wie im Berufs- spürt man im Autoleben das Rennen um die vorderen Plätze im Wirtschaftswunder.
Pionier bei Stromern
China als Elektropionier? Der Marktanteil vollelektrischer Autos (also ohne Plug-in-Hybride) wirkt erst enttäuschend: 4,7 (Schweiz 4,2) Prozent 2019. Aber im Riesenland sind das gewaltige Stückzahlen! So gewaltig, dass die chinesischen Platzhirsche BYD und BAIC global gleich hinter Tesla liegen.
Um die Elektromobilität zu fördern, soll die E-Kaufprämie von mehreren Tausend Franken trotz Corona in China beibehalten werden. Ausserdem werden Stromer einfacher eingelöst (Verbrenner unterliegen Kontingenten – wenn erschöpft, keine Einlösung), und es gibt Elektro-Spuren in den Metropolen. Und glaubt man Gerüchten, soll die Megacity Chengdu einst besonders kreativ Elektro- statt Zweitakt-Scooter gefördert haben: Wer elektrisch los summte, musste keinen Helm tragen.