In den ersten zwei Folgen unserer Serie gings um das Autoland China und das Autoland Thailand. Diesmal gehts um Amerika, genauer: die USA. Who else? Das mit 329 Millionen Menschen drittbevölkerungsreichste (und drittgrösste) Land der Welt war jahrzehntelang der grösste Automarkt. Seit 2010 liegen die USA hinter China, beeinflussen aber enorm die Autotrends: Der SUV-Boom etwa kam von dort.
Davon profitieren Autofans: Der Mercedes 300 SL «Flügeltürer» von 1954 wäre ein reiner Rennwagen geblieben, hätte der US-Importeur nicht Sportwagen gewünscht. Oder Mazdas MX-5/Miata – er entstand nur dank der Open-Air-Lust Kaliforniens: Dieser Bundesstaat kauft in zwei Monaten mehr Autos als die Schweiz im Jahr.
Pick-ups als Bestseller
Nach Konzernen vorne lag letztes Jahr in den USA General Motors (GM). Um Rang zwei und drei rangelten Ford und – nein, eben längst nicht mehr der dritte der sogenannten «Big Three» aus Detroit, Fiat-Chrysler (FCA). Sondern Toyota! Dann kam FCA (u.a. Dodge), deren Pick-ups finanziell Fiat retteten. Nach Marken führte Ford vor Toyota, Chevrolet (GM), Honda, Nissan, Jeep (FCA), Ram (FCA), Subaru, Hyundai und Kia (Hyundai). Bei Edelmarken stritten Mercedes und BMW um die Plätze eins und zwei. Der dritte: Lexus (Toyota). Um Rang vier und fünf prügelten sich Audi und Tesla.
Die meistverkauften Modelle unter 17 Millionen verkaufter Autos im Jahr: Der traditionelle Bestseller Ford F-Series (meist F-150) vor Ram (ehemals Dodge Ram, FCA) und Chevrolet Silverado (GM) – also drei grosse XL-Pick-ups. Dann die SUVs: Rang vier bis sieben für Toyota RAV4, Honda CR-V, Nissan Rogue und Chevrolet Equinox (GM). Und Platz acht bis zehn? Limousinen: Toyota Camry, Honda Civic, Toyota Corolla. Die Schrägheck- oder Kombimodelle davon sind hier rar.
Amerika mags zugig
Der US-Käufer schätzt weiche Fahrwerke, deftig pustende Klimaanlagen und weiche Sitze, was an Importautos oft angepasst wird. Ebenso das Licht: Hinten rote Blinker etwa sind nicht Pflicht, sondern gelten halt als cool und ein Stück Amerika. Obwohl sie wie die überwiegend roten Signallichter an Einsatzfahrzeugen laut US-Studien schlechter erkennbar sind als gelbe Blinker oder blaue Warnleuchten. Aber niemand legt sich hier mit dem «That's America!»-Stolz der Käufer an. Immerhin: Ohne die USA gäbe es kein drittes Bremslicht.
Wie beim Souvenir für Touristen sind Autopreise stets ohne Steuern genannt. Das nervt, aber jeder Bundesstaat und jede Gemeinde erheben halt eigene Verkaufssteuern. So schwankt der Zuschlag von null bis 13,5 Prozent. Richtig ist auch: Generell sind Autos etwas billiger. US-Käufer sind halt wankelmütiger bei der Marke, einkommensschwächer und sehen Autos als Gebrauchsgegenstand.
Amis fahren nebenbei
Verkehrspsychologen sagen: Europäer fahren beim Fahren, Amis sehen Fahren eher unterbewusst. Man redet oder telefoniert oder isst oder surft (illegalerweise) – und fährt nebenbei. Breite, kerzengerade Strassen, die bei strengen Limiten das Tempogefühl senken, sind laut Experten ebenfalls ein Grund, dass die USA unter allen Industrieländern am gefährlichsten sind: Platz 72 von 182 in der Statistik der Verkehrstoten pro Kopf. Sogar Indonesien ist sicherer.
Billigsprit fördert Unfälle
Unglaublich, aber wahr: Das liegt auch daran, dass der Sprit so billig ist. Derzeit im Schnitt 2,13 Dollar pro Gallone – also nur 52 Rappen pro Liter! Dass dies zu mehr Fahrten und Unfällen führt, ist klar. In Amerika ist der Effekt aber extremst ausgeprägt. Und kein anderes Land stellt das Kaufverhalten so unmittelbar auf den Benzinpreis ab: Sinkt er, sind schon am nächsten Tag Pick-ups gefragter.
Wie US-Autos zurückfielen
Die USA sind ein Land der immer dramatischeren Gegensätze, sozial, politisch, fahrerisch. Und sogar beim Getriebe: Weil fast alle Automat fahren, gelten die, die manuelle Getriebe meistern, quasi als Rennfahrer. Porsche baut im 911er Schaltgetriebe fast nur noch für die USA ein.
Technisch waren die USA früher vorne dabei. Dann kam die Ölkrise der 1970er-Jahre – sparsam konnte Amerika nicht. Gnadenloser Preiskampf – günstig ging nicht mit gut verarbeitet. Das «Rebadging» (gleiches Auto, neues Logo) killte letztlich Marken wie Oldsmobile oder Pontiac (beide GM), Mercury (Ford) oder Plymouth (FCA). Dazu absurde Gesetze: Das «Sealed Beam»-Lichtsystem aus vier erlaubten Scheinwerfern-Arten (eckig, rund oder je doppelt) in fester Form und Grösse machte bis 1983 besseres Licht oder Aerodynamik fast unmöglich.
Die grossen Skandale
Inzwischen haben sich Marken wie Cadillac (GM) aber neu erfunden und sind in Amerika wieder wer. Hinzu kam – Tesla. Auch umwelttechnisch ists ein Land der Gegensätze: fette Pick-ups, aber E-Pioniere und strengste Gesetze. Aus Amerika kam etwa der Katalysator. Und aus Amerika kommen Skandale – weil Behörden viel härter beim Konsumentenschutz reagieren. Ford liess im Pinto aus Kostengründen Menschen verbrennen, Chevrolets Corvair scheiterte an heiklem Fahrverhalten, der VW-Dieselbetrug ging hier los, und Audi leidet im Verkauf bis heute, weil Audis in den 1980ern angeblich selbst beschleunigten.
Pick-ups sind Hühnchen
Und egal, welcher Präsident die USA künftig regiert: Falls er dann so schimpft wie Donald Trump (74), wie unfair Europa doch zu US-Autos sei, kann man ihm dasselbe vorwerfen. Denn das Pick-up-geeichte Land USA schützt heimische Pick-ups bereits seit 1963 mit 25 Prozent Strafzoll vor Konkurrenz. Import-Pick-ups gelten in den USA als Landwirtschafts-Produkte und zahlen die «Chicken Tax».
Während US-basierte Anbieter irre Margen kassieren (jeder F-150 bringt Ford geschätzt 13'000 Dollar) und auch darum günstig sind, sind die Pick-ups aus Asien und Europa zolltechnisch also Hühnchen. Allerdings: Kaufen würde sie in den USA sowieso kaum jemand. Viel zu klein.