Skoda-Chef Thomas Schäfer im Interview
«Man muss über Autos hinaus denken»

Kaum angetreten, krempelt Thomas Schäfer sein 126-jähriges Unternehmen um: Der Skoda-CEO verrät, warum künftig E-Autos alternativlos werden, Afrika die Zukunft wird und Schweinebraten sakrosankt ist.
Publiziert: 12.09.2021 um 14:49 Uhr
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Aktualisiert: 16.09.2021 um 10:13 Uhr
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Erneuerer mit Ehrfurcht vor der Tradition: Seit August 2020 ist Thomas Schäfer CEO der 126-jährigen VW-Konzernmarke Skoda.
Foto: Zvg
Andreas Faust

Der Stachus ist eine der Herzkammern Münchens. Offiziell eigentlich der Karlsplatz, sprudelt rundum das Leben – und die Mobilität mit Trams, Bussen, Autos und Velos, die im Slalom um die Fussgänger kurven. Der ideale Ort, um mit Skoda-CEO Thomas Schäfer (51) seine Ideen für eine der Schweizer Lieblings-Automarken zu diskutieren.

Die Internationale Automobilausstellung IAA ist gerade in der Messe München – aber wir treffen uns in der Stadt. Keine Lust auf die Schau?
Thomas Schäfer: Wir haben uns – auch aufgrund der Corona-Pandemie – bewusst entschieden, in diesem Jahr nicht an der IAA teilzunehmen. Wir werden sehen, wie das neue Konzept als Mobilitätsmesse ankommt. Danach entscheiden wir, wie wir in zwei Jahren auftreten werden. Wegen der Produktionsausfälle durch die Halbleiterknappheit und den Corona-Nachwirkungen schauen wir in diesem Jahr besonders aufs Geld. In dieser Situation einen Millionenbetrag für einen grossen Messestand auszugeben, war für uns keine Option

Waren Sie schon an der Messe?
Ja. Und es ist schön, mal wieder herauszukommen. Im Vergleich zur Frankfurter IAA von früher mit ihrem Bombast ist der Aufschlag auf der Messe München ein ganz anderer. Ich möchte das neue Konzept aber nicht vorschnell kritisieren: Es ist eine grosse Herausforderung, gleichzeitig ein Messegelände und eine Innenstadt zu bespielen. Das Open-Space-Konzept hat mir gut gefallen. Es ist nah bei den Menschen.

Wird Skoda am Genfer Autosalon sein?
Darauf arbeiten wir hin. Schade, dass die Messe auf Mitte Februar vorgezogen wurde. Ich hoffe, dass uns die Pandemie nicht doch noch einen Strich durch die Rechnung macht.

Skoda war in den letzten 20 Jahren eine Erfolgsgeschichte. Jetzt wollen Sie im Rahmen der Strategie Next Level 2030 aber wieder zurück zu günstigeren Modellen. Warum – rückte Skoda VW zu nahe?
Nein, unser Erfolg wird geschätzt im Konzern. Nicht nur der wirtschaftliche, sondern auch die Schritte bei Design und Qualität. Allerdings fehlen uns mangels Produktionskapazitäten spitz kalkulierte Einstiegsmodelle. Unsere Werke sind zu 118 Prozent ausgelastet. Trotzdem können wir den Bedarf nicht abdecken. Daher konzentrieren wir uns momentan auf höher ausgestattete Modelle mit höheren Margen. Aber wir werden den Superb vom Werk Kvasiny nach Bratislava verlegen und spielen so Kapazität für 150'000 Autos frei. Dann werden wir zusätzlich auch tiefere Preissegmente abdecken können.

Sie wollen in Nordafrika und Südostasien expandieren. Dazu brauchen Sie günstige Modelle.
Gerade Skoda ist für solche Märkte prädestiniert. Günstig und mit viel Platz; dazu Zuverlässigkeit auch in Staub und Hitze – das können wir, wie wir mit dem speziell für Indien entwickelten Kushaq bewiesen haben. Im Konzern traut man uns jetzt noch mehr zu.

Retten diese Märkte Ihnen auch den Verbrennungsmotor?
Wenn in Europa die Verbrenner auf dem absteigenden Ast sind, dann hilft uns bei der Bewältigung der Transformation sicher ein Gegenpol. Andere Wettbewerber sind auch in den USA oder Südamerika erfolgreich – das fehlt uns. Deshalb brauchen wir zum europäischen auch ein Standbein in neuen Märkten wie Indien oder Russland.

Keine Angst vor politischer Unsicherheit?
Ich gebe Ihnen ein Beispiel wie wir damit umgehen: In Weissrussland haben wir die in diesem Jahr geplante Eishockey-WM nicht unterstützt. Das führte dazu, dass die Regierung ein Importverbot verhängt hat und wir daher dort bis heute kein Auto mehr verkauft haben. Natürlich muss ein Unternehmen wirtschaftlich handeln, aber mir ist auch wichtig, dass wir in solchen Situationen Haltung zeigen. Um ihre Frage zu beantworten: Nein, wir haben keine Angst vor politischen Unsicherheiten. Sie gehören nun einmal zum Geschäft.

Risiken bleiben. Lassen sich solche Märkte dennoch nachhaltig entwickeln?
Ich habe lange genug in Afrika gelebt, um zu wissen, dass der Kontinent aus europäischer Perspektive nicht immer realistisch wahrgenommen wird. Ja, die Länder Afrikas sind extrem unterschiedlich entwickelt und arbeiten ungern zusammen. Aber seit zwei Jahren entsteht eine Art Afrikanische Union, beginnend mit einem Freihandelsabkommen. Einige Staaten werden in Kürze mit dem freien Verkehr von Personen und Waren starten – dann entwickeln sich auch Märkte.

Gibt es denn Kaufkraft?
Afrikanische Kunden kaufen keine Neuwagen, nicht weil es kein Angebot gibt, sondern weil ihre Länder mit Billig-Occasionen überschwemmt sind und weil sie mangels Finanzdienstleistungen bar bezahlen müssen. Das dürfte sich bald ändern. Wir sprechen zum Beispiel mit Ägypten über die Weiterentwicklung der Autobranche. Wenn solch ein 100-Millionen-Menschen-Staat industrialisiert, dann schafft das Arbeitsplätze dort und in Europa. So hat sich ja auch China als Markt entwickelt. Es braucht immer Menschen mit Mut, politischem Willen und dem richtigen Weitblick.

In Europa setzen Sie voll auf Elektromobilität – früher als erwartet?
In den vergangenen zwei Jahren hat sich der Hochlauf der Elektromobilität stark beschleunigt. Schärfere Regularien wie die UN-ECE-Vorschriften zur Cyber-Sicherheit bei vernetzten Autos und die kommende Abgasnorm EU-7 werden diese Entwicklung noch beschleunigen. Die dadurch zu erwartenden Kostensteigerungen können wir nur mit schnellem Einstieg in die E-Mobilität abfedern. Genau das tun wir.

Persönlich: Thomas Schäfer

Rund 22 Jahre seines Berufslebens hat der 1970 in Marburg (D) geborene Thomas Schäfer bei der Daimler AG verbracht. Erst 2012 wechselte der Maschinenbauer zum VW-Konzern, leitete ab 2015 die Region Subsahara und wurde im August 2020 Skoda-Markenchef. Am 1. April 2022 übernahm er erst als COO, vier Monate später als CEO die Marke VW im Konzern. Seit 1. Juli 2022 ist er auch Mitglied des Konzernvorstands und Leiter der Markengruppe Volumen. Thomas Schäfer ist mit einer Südafrikanerin verheiratet.

Rund 22 Jahre seines Berufslebens hat der 1970 in Marburg (D) geborene Thomas Schäfer bei der Daimler AG verbracht. Erst 2012 wechselte der Maschinenbauer zum VW-Konzern, leitete ab 2015 die Region Subsahara und wurde im August 2020 Skoda-Markenchef. Am 1. April 2022 übernahm er erst als COO, vier Monate später als CEO die Marke VW im Konzern. Seit 1. Juli 2022 ist er auch Mitglied des Konzernvorstands und Leiter der Markengruppe Volumen. Thomas Schäfer ist mit einer Südafrikanerin verheiratet.

Sind die Skoda-Kunden schon so weit?
Der Enyaq iV ist ein Riesenerfolg, uns liegen bereits über 70.000 Bestellungen vor. Leider bekommen wir derzeit nicht genug Halbleiter, sonst könnten wir noch mehr verkaufen. Neben dem Enyaq Coupé iV, das in den Startlöchern steht, planen wir drei weitere Elektromodelle, die alle preislich und grössentechnisch darunter positioniert sind. Dafür bauen wir unsere Werke Schritt für Schritt um.

Bleibt der Markt für Verbrenner?
Auf dem Land ist die Nachfrage weiterhin gross. Siehe den Erfolg des Octavia in der Schweiz.

Wie kommt Ihre neue Strategie intern an? Skoda ist einer der ältesten Autobauer der Welt mit 126 Jahren.
Als ich vor einem Jahr startete, war mir ehrlich gesagt trotz eines halben Lebens in der Autobranche die ganze Historie dieses grossartigen Unternehmens noch nicht gänzlich bewusst. Skoda, beziehungsweise Laurin & Klement– das waren Fahrzeuge technisch voll auf der Höhe der Zeit . Klar ist: Wir bleiben unseren Kernwerten wie der tschechischen Ingenieurkunst und grösster Ertrag mit möglichst geringen Kosten weiterhin treu. Sie sind und bleiben gerade in der Transformation wichtig. Gleichzeitig setzen wir unseren Fokus darauf, noch einfacher zu werden. Intuitive Bedienung und Kundenorientierung stehen im Mittelpunkt. Die Mannschaft trägt das absolut mit.

Lässt sich die Transformation mit den aktuellen Mitarbeitenden schaffen?
Wir investieren in den kommenden Jahren 500 Mio. Euro in die Aus- und Weiterbildung unserer Beschäftigten. Unser Bestreben ist es, allen Skodianern einen zukunftssicheren Job zu bieten.

Wann strebt Skoda Klimaneutralität an? Sie werden in einigen Märkten noch länger Verbrenner verkaufen.
Unter Umständen, ja. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, unsere Flottenemissionen um mehr als 50% im Vergleich zu 2020 zu reduzieren. Wir denken jedoch weit über Autos hinaus: Ab 2030 fertigen wir unsere Fahrzeuge in allen drei tschechischen und indischen Werken CO2-neutral. In Vrchlabí produzieren wir bereits seit Ende vergangenen Jahres CO2-neutral.

Skoda will nachhaltiger und diverser werden. Können sich solche Themen aufs Kaufverhalten auswirken?
Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Bei uns beträgt der Frauenanteil im Management nur vier Prozent. Das geht so nicht. Unsere Kunden sind divers, also sollten wir es auch sein. Deshalb haben wir ein klares Ziel formuliert: Bis 2030 ist jede vierte Management-Position von einer Frau besetzt. Wie ein Unternehmen mit solchen Themen umgeht, strahlt auch nach aussen aus. Wenn man gesellschaftliche Probleme anpackt, liefert man Geschichten, mit denen sich Kundinnen und Kunden identifizieren können. Beim Enyaq iV hat zum Beispiel das olivengegerbte Leder viel Interesse geweckt. Solche Innovationen wollen wir bei den nächsten Modellen also weitertreiben.

Und was wird aus dem Schweinebraten in der Werkskantine?
Tschechinnen und Tschechen von ihren Lieblingsgerichten zu trennen, dürfte schwierig werden. Wir müssen nicht überall Vorreiter sein.

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